Magic Scroll Tactics – TEST

Rundenbasierte Strategie-Rollenspiele aus Japan sind spätestens seit den 3DS-Ablegern der Fire-Emblem-Reihe schon lange kein Nischengenre mehr. Magic Scroll Tactics bricht aus dem Einheitsbrei der Konkurrenzspiele mit ein paar intelligenten Kniffen aus.


In Magic Scrolls Tactics schlüpfen wir in die Haut der Beschwörerin Nash, die mitsamt ihrer beschworenen Begleiter eine mysteriöse Insel erkundet. Auf dem Eiland wurden einst dunkle Mächte versiegelt, die nach neuer Freiheit trachten. Das darf Nash natürlich nicht zulassen, weshalb sie alles daran setzt, durchtriebenen Piraten, hungrigen Zombies und bösen Zauberern einen Strich durch die Rechnung zu machen. So tiefgründig wie die großen Vorbilder Fire Emblem oder Shining Force wird Magic Scrolls Tactics zwar an keiner Stelle, doch die Handlung motiviert, ein Gefecht nach dem anderen in Angriff zu nehmen.

Auf einer Weltkarte schalten wir nach einem erfolgreichen Kampf das nächste Schlachtfeld frei und ziehen so von Ort zu Ort. Zwischendurch gibt es einerseits immer mal wieder kleinere Schlachtfelder, die wir zum Verbessern von Nash und ihren Beschwörungen absolvieren, und andererseits kurze Zwischensequenzen in Spielgrafik. In diesen wird die Story in Form von charmanten, aber zumeist kleineren Gesprächen vorangetrieben. Dennoch sollten die Dialoge, die allesamt ohne Sprachausgabe auskommen, aufmerksam gelesen werden, da sie mit ihrer Kürze abrupt abbrechen können und der aktuelle Stand der Dinge somit nicht immer ganz in Erinnerung bleibt. Dies ist aber verschmerzbar, da die Abenteuerreise stets in die nächste Schlacht führt.

Schlachten aus der Seitenansicht

Obwohl sich auch Magic Scrolls Tactics in puncto Gameplay an Mercenaries Saga Chronicles oder Final Fantasy Tactics orientiert, unterscheidet sich vor allem die Darstellungsweise in den Kämpfen. Während die Schlachten in den genannten Vorbildern aus der isometrischen Darstellung oder der leicht versetzten Vogelperspektive gezeigt werden, verlagert Magic Scroll Tactics von Entwicklerstudio Ōtori Denshi das Geschehen in die zweidimensionale Seitenansicht. Im ersten Moment klingt das vielleicht etwas ungewöhnlich, das Gameplay funktioniert dennoch erstaunlich gut.

Jede Spielfigur kann eine bestimmte Anzahl an Feldern weit gehen und dann beispielsweise mit dem Schwert im Nahkampf um sich schlagen, aus der Ferne mit einem Bogen bewaffnet die Feinde ins Visier nehmen oder mit mächtigen Zaubersprüchen Flächenschaden anrichten. Damit die taktische Tiefe gewahrt bleibt, ist das Schlachtfeld auch nach oben hin in quadratische Felder aufgeteilt: Nur so können fliegende Einheiten geschickt positioniert oder Anhöhen im richtigen Moment erklommen werden. Da die Zugreihenfolge der Figuren für Freund und Feind nach dem Geschwindigkeitswert festgelegt ist, haben sich die Entwickler eine tolle Idee für belegte Felder ausgedacht. Die nächste Figur kann ebenso auf das Feld ziehen und verschiebt die nachfolgenden Charaktere kurzerhand nach hinten.

Motivierende und demotivierende Elemente

Spieltechnisch kann der Titel mit einem hohen Tempo punkten, was daran liegt, dass die Erfahrungspunkte für besiegte Gegner gleichermaßen auf die Gruppe verteilt werden. Für jedes Level-up erhält ein Charakter zudem einen Fähigkeitspunkt, mit dem weitere Boni wie verbesserte Lebensenergie, eine erweiterte Magieleiste oder neue Zaubersprüche freigeschaltet werden. Es motiviert durchweg, sämtliche Monster zu töten und Schatztruhen zu plündern. Eingesacktes Gold tauschen wir im Laden gegen Heilkräuter, Waffen, Rüstungen und Krimskrams ein. Diese Aufwärtsspirale sorgt dafür, dass wir die Switch nicht so schnell aus der Hand legen wollen.

Tatsächlich gibt es nur wenig, was einem die Freude am Taktieren nimmt. Beispielsweise können sich manche Spielfiguren nur viel zu langsam bewegen und kommen im Kampf kaum bis gar nicht zum Zug. Waffen wie Speere, die gleich zwei Gegner gleichzeitig treffen können, lassen sich tatsächlich nur waagerecht und nicht vertikal oder diagonal einsetzen. Der größte Kritikpunkt dürfte jedoch der unstete Schwierigkeitsgrad sein. Manche Schlachten sind viel zu leicht, in anderen wird unsere ganze Gruppe in drei bis vier Zügen ausradiert. Wer derlei Rückschläge in Kauf nehmen kann und sich mit der Spielmechanik anfreundet, wird einige Stunden lang gut von Magic Scroll Tactics unterhalten.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Final Fantasy Tactics, Fire Emblem, Mercenaries Saga oder Shining Force sind allesamt tolle Strategie-Rollenspielreihen, die sich in vielen Punkten jedoch sehr ähnlich spielen. Magic Scroll Tactics orientiert sich deutlich am Gameplay der Vorbilder, hebt sich aber mit eigenen Ideen von diesen ab. Das Gameplay in die zweidimensionale Seitenansicht zu verfrachten ist eine einfache wie geniale Idee, die dem Genre neue Impulse gibt. Schade ist nur, dass hier und da manche Entscheidungen nicht überdacht wurden. So bewegen sich diverse Figuren viel zu langsam, sodass meistens nur die starken Einheiten an die Front geschickt werden, die das Schlachtfeld aufräumen. Abseits dessen funktioniert die Spielmechanik überwiegend gut, nur starke Schwankungen im Schwierigkeitsgrad sorgen dafür, dass die Lust am Taktieren hin und wieder vergeht. Wer Lust darauf hat, das Genre im wahrsten Sinne des Wortes mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten, sollte sich Magic Scrolls Tactics genauer anschauen.