Unicorn Overlord – TEST

Zehn Jahre hat Dragon’s-Crown-Director Takafumi Noma nach der Fertigstellung des 2D-Action-Rollenspiels an Unicorn Overlord gearbeitet. Seit Anfang März 2024 ist das taktische Strategie-Rollenspiel von Vanillaware und Atlus unter anderem für die Nintendo Switch erhältlich.


Die Entwicklung von Unicorn Overlord begann bereits 2014 nach der Fertigstellung von Dragon’s Crown. Damals begann Director, Programmierer und Artist Takafumi Noma bei Vanillaware mit der Konzipierung des Strategie-Rollenspiels, das von japanischen Echtzeit-Strategiespielen wie Ogre Battle inspiriert ist. Zwischenzeitlich musste das Projekt aufgrund der Arbeiten an Neuauflagen älterer Spiele sowie von 13 Sentinels: Aegis Rim pausieren. Seit dem 8. März 2024 ist Unicorn Overlord unter anderem für die Switch erhältlich und lässt uns als Prinz Alain den Widerstandskampf gegen das zenoirische Imperium aufnehmen.

Klassische Erzählung

Unicorn Overlord setzt auf eine im Grundkonzept recht typische Geschichte. Angesiedelt in einer mittelalterlichen fantasievollen Welt, die vom vierzehnten Jahrhundert Europas inspiriert ist, aber auch auf japanische Fantasy-Elemente setzt, wird von der Unterdrückung des Kontinents Fevrith erzählt. Einige Jahre vor dem Beginn der eigentlichen Geschichte ist das Königreich Cornia durch den Verrat von General Valmore und der Niederlage von Königin Ilenia gefallen. Mittlerweile beherrscht das von Valmore neugegründete zenoirische Imperium den gesamten Kontinent und der ehemalige General herrscht als tyrannischer Imperator Galerius. Als junger Prinz Alain, Sohn von Königin Ilenia, stellen wir uns einem Überfall Zenoiras auf die abgelegene Insel, die ihm als Zuflucht gedient hat, entgegen. Anschließend führt es uns zurück nach Cornia und als Anführer der Befreiungsarmee in den Krieg gegen Zenoira, um Galerius zu stürzen.

 

So klassisch die Geschichte klingt, so typisch sind auch die Genrestandards. Gerade der Kampf einer Befreigungsarmee gegen ein böses und tyrannisches Imperium, das natürlich auch noch finstere Pläne verfolgt, ist nicht unbedingt neu. Allerdings trumpft Unicorn Overlord mit einer gelungenen Erzählweise, dem düsteren Mittelalter-Fantasy-Szenario und gut geschriebenen wie abwechslungsreichen Charakteren auf. Deshalb wirken sich die bekannten Handlungselemente kaum aus. Vielmehr versteht es die Geschichte des Strategie-Rollenspiels von Anfang an zu fesseln. Das ist einigen gelungenen Wendungen sowie einflussreichen Entscheidungen, die wir fällen, zu verdanken. So hängt es oft von uns ab, ob bestimmte Figuren überleben. Sollen wir einen besiegten Feind exekutieren oder am Leben lassen? Wollen wir einen Gegner vielleicht sogar in unsere Armee aufnehmen oder einen Banditen laufen lassen? Oftmals spüren wir die Auswirkungen von Entscheidungen früh, doch genauso häufig merken wir erst nach einiger Zeit, welchen Einfluss wir ausgeübt haben. Teilweise hängt davon auch ab, welche Charaktere wir rekrutieren und in unsere Armee aufnehmen können.

Offene, große Welt

Unicorn Overlord besteht grob betrachtet aus zwei Gameplay-Ebenen. Die erste ist die offene Oberwelt, die wir als Alain weitgehend frei erkunden können. Diese ist wie das gesamte Spiel aus der isometrischen Perspektive mit schicken Pixel-Charakteren gehalten. Hier besuchen wir Städte, sprechen mit den Bewohnern, besuchen Händler, unterstützen den Wiederaufbau, setzen Statthalter ein, sammeln Materialien, rekrutieren Söldner oder entdecken allerlei Geheimnisse. Auch Quests sind direkt in der Welt zu finden. Entsprechend viel Zeit verbringen wir damit, die verschiedenen Reiche von Fevrith zu erkunden und uns den zahlreichen Möglichkeiten zu stellen. Dabei nehmen Schlachten die zweite große Gameplay-Ebene ein. Nicht nur die Hauptquests, auch viele Nebenaufgaben führen uns in den Kampf. Die Schlachten finden direkt in den Umgebungen der offenen Welt statt, sind allerdings abgegrenzt. Dennoch genießen wir viel Bewegungsfreiheit und somit auch taktische Möglichkeiten.

Entscheidend bei Unicorn Overlord ist, dass es sich im Gegensatz zu beispielsweise den Fire-Emblem-Spielen um ein Echtzeitstrategiespiel handelt. Entsprechend laufen die Schlachten nicht rundenbasiert ab. Auch bewegen wir unsere Einheiten nicht über Felder, sondern frei über das Schlachtfeld. Zu Beginn einer Schlacht müssen wir als erstes unsere Einheiten aufstellen. Dafür steht uns jedoch nur eine begrenzte Zahl an Bravourpunkten zur Verfügung. Jede Einheit kostet solch einen Punkt. Wir müssen also gut überlegen, wen wir als erstes aufs Schlachtfeld schicken und welche Einheiten erst später in den Kampf ziehen. Dabei ist zu bedenken, dass wir zu Beginn noch ein recht eingeschränktes Kontingent an Einheiten haben. Erst mit der Zeit schalten wir mit Medaillenpunkten weitere Einheiten sowie Charakterplätze innerhalb einer Einheit frei. Letzteres ermöglicht es uns immer mehr Figuren in einer Einheit zu platzieren. Dadurch sind nicht nur mehr Variationen, sondern auch Spezialisierungen möglich.

Wichtig ist, dass wir bei unseren Einheiten bedenken, welcher Klasse sie angehören, um auf Stärken und Schwächen richtig zu reagieren. Kavallerie ist etwa schwach gegen Speerkämpfer, kann dafür einfacher Infanterie aber besonders schaden. Flugeinheiten wiederum sollten Bogenschützen meiden, können aber berittenen Soldaten schwer zusetzen. Zusätzlich spielen die Charaktereigenschaften eine zentrale Rolle. Da wir die Figuren einer Einheit in zwei Reihen aufstellen, müssen wir gut überlegen, wen wir wo platzieren. Ein Bogenschütze oder eine Hexe haben etwa eine geringe Verteidigung und sind somit in der hinteren Reihe besser aufgehoben. Außerdem sollten sie bestenfalls einen starken Verteidiger vor sich haben. Bereits das Zusammenstellen der Einheiten ist überaus taktisch und kann einige Zeit in Anspruch nehmen. Immerhin können wir Söldner rekrutieren, die mögliche weitere Einheiten eines Klassentyps abseits der einzigartigen Charaktere hinzufügen.

Vielfältige Taktik

Die als Kampflevels bezeichneten Schlachten laufen wie erwähnt in Echtzeit ab. Allerdings haben wir jederzeit die Möglichkeit, das Geschehen zu pausieren und somit ohne Druck zu planen. Das ist gerade auf den höheren Schwierigkeitsgraden essenziell, um eine Schlacht zu gewinnen. Ist das Spiel nicht pausiert, agieren auch unsere Feinde unablässig und die für eine Schlacht zur verfügung stehende Zeitbegrenzung läuft stetig ab. Trifft eine unserer Einheiten auf einen Feind, kommt es zum direkten Kampf. Diesen spielen wir allerdings nicht selbst. Stattdessen agieren unsere Truppen selbstständig und führen Angriffe und Fähigkeiten aus. Dafür wird die Auseinandersetzung in einer überaus schicken wie detailreichen 2D-Seitenansicht mit aufwendigen für Vanillaware typischen Zeichnungen gezeigt.

Der Ablauf eines Kampfes liefert uns Rückschlüsse, ob unsere Einheit gut ausbalanciert ist und ob die vorgegebenen Bedingungen für Aktionen funktionieren. Obwohl wir nicht direkt auf einen Kampf Einfluss nehmen, dürfen wir in den Einstellungen jedes Charakters Vorgaben festlegen, unter welchen Bedingungen welche Fähigkeit ausgeführt wird. So legen wir etwa fest, dass ein Heilzauber erst zum Einsatz kommt, wenn die Lebenspunkte eines Charakters unter einem bestimmten Prozentwert liegen. Da wir diesen Befehl an erste Stelle setzen, wird der Heilzauber immer bevorzugt ausgeführt, sofern die Bedingung erfüllt ist. Ähnlich können wir die gesamten Verhaltensweisen jedes der über sechzig einzigartigen Charaktere sowie zusätzlichen Söldner festlegen.

Um eine Schlacht zu gewinnen, müssen wir das jeweilige Ziel innerhalb des niemals zu kurzen Zeitlimits erfüllen. Meist gilt es den Anführer der feindlichen Armee oder alle Gegner zu besiegen. Auch das Erobern bestimmter Kommandopunkte kann zum Sieg führen. Auf unserem Weg dorthin befreien wir Dörfer, nehmen Festungen ein, besetzen Wachtürme oder stationieren Einheiten auf Brücken. Viele Orte dienen dabei als Kommandoposten. Diese liefern neben Heilung auch die Möglichkeit, neue Einheiten vor Ort zu rekrutieren. Von Feinden besetze Kommandoposten generieren regelmäßig neue Gegner, sodass wir einen zusätzlichen Anreiz haben, diese möglichst schnell zu befreien. Haben wir das Ziel einer Schlacht erreicht, erhalten wir eine Bewertung, die von der benötigten Zeit, besiegten Gegnern und befreiten Städten und Kommandoposten beeinflusst wird. Je nach Wertung erhalten wir unsere Belohnung wie Geld und Medaillenpunkte. Letztere benötigen wir etwa, um Sölnder zu rekrutieren oder unsere Einheiten zu vergrößern sowie neue Einheiten hinzuzufügen.

Verbundene Charaktere

Abseits der Schlachten dürfen wir auf der Oberwelt auch weitere Quests erfüllen. So gibt es einige Geheimnisse zu entdecken, die wir auch ohne Kampf lüften und die uns wertvolle Belohungen einbringen. Einige Aufgaben sind auch direkt mit Charakteren verbunden und beeinflussen Alains Beziehung zur entsprechenden Figur. Hier zeigt sich eine Gemeinsamkeit mit der Fire-Emblem-Reihe. Wie in den Rundenstrategiespielen von Intelligent Systems verbessert sich die Bindung, hier Rapport gennant, der Charaktere zueinander, wenn sie zusammen in die Schlacht ziehen. Zusätzlich können wir Figuren in großen Städten gemeinsam in der Taverne essen lassen, um ihre Beziehung zu verbessern. Wird eine neue Rapport-Stufe erreicht, erhalten wir zumindest bei einigen Figurenkombinationen kurze Gespräche, die direkt in der Spielwelt zu finden sind. Zwar sind keine Romanzen möglich, dafür liefern die kleinen Nebengeschichten einen Einblick in die Persönlichkeit der beteiligten Charaktere, was dazu beiträgt, sie besser kennenzulernen. Umso bedauerlicher ist es, dass einige der Nebengeschichten nur ein Ereignis haben, obwohl wir gerne wüssten, was noch zwischen den beteiligten Figuren passiert. Das ist jedoch Meckern auf hohem Niveau, da die Anzahl an Gesprächen auch aufgrund der großen Zahl an einzigartigen Charakteren bereits mehr als ausreichend ist.

Wie bei einem Vanillaware-Spiel nicht anders zu erwarten, überzeugt Unicorn Overlord nicht nur spielerisch, sondern ist auch optisch eine wahre Augenweide. Besonders die für das Studio typischen detailreichen und schick gezeichneten Charaktere, die vor allem in den Kämpfen und Zwischensequenzen zu bewundern sind, wissen wieder zu begeistern. Ebenso tragen die abwechslungsreichen Umgebungen, gelungenen Effekte und Pixelcharaktere auf der Oberwelt und in Schlachten zum gelungenen optischen Gesamtbild bei. Abgerundet wird das von flüssigen Animationen sowie einer einwandfreien Technik. Unicorn Overlord läuft auf der Nintendo Switch sowohl am Fernseher als auch im Handheld-Modus durchweg ruckelfrei und sieht dabei wirklich gut aus. Unterstützt wird die exzellente Atmosphäre zudem vom fantastischen Soundtrack, der unter Leitung von Mitsuhiro Kaneda bei Basiscape entstanden ist. Zudem setzt das Strategie-Rollenspiel auf eine hochwertige japanische oder englische Sprachausgabe. Dies ergänzt das einzigartige und packende Spielerlebnis und unterstreicht die hohe Qualität sowie den Spielspaß, den Unicorn Overlord bietet.

Geschrieben von Alexander Geisler

Fazit:

 

Als Fan der Spiele von Vanilaware war Unicorn Overlord für mich ein Pflichttitel, auf den ich mich sehr gefreut habe. Schon die umfangreiche Demoversion hat mir gezeigt, dass mich das Strategie-Rollenspiel kaum enttäuschen kann, was das Spiel schließlich endgültig beweist. Unicorn Overlord ist ein packendes, abwechslungsreiches und spaßiges Echtzeit-Strategie-Rollenspiel, das gerade heutzutage hervorsticht und mit sehr individuellem Gameplay begeistert. Es ist wirklich motivierend, die taktischen Schlachten zu bestreiten, die Oberwelt zu erkunden und mit der eigenen Armee den Kontinent Fevrith zu befreien. Die Geschichte mag einige Genrestandards verwenden, diese fügen sich jedoch zu einer spannenden Geschichte mit gelungenen Wendungen und einigen interessanten Entscheidungen zusammen. Gemeinsam mit dem Mittelalter-Fantasy-Szenario versteht es Unicorn Overlord, mich auch mit Erzählung und Welt für Stunden an die Switch zu fesseln. Dazu tragen auch die zahlreichen Charaktere, Quests und Schlachten bei. Für mich ist Unicorn Overlord eines der bisher besten Spiele des Jahres und ein Anwärter auf den Titel Game of the Year. Genre-Fans sollten sich das Strategie-Rollenspiel auf keinen Fall entgehen lassen.