Moderne Software-Schlüsselkarten? Game-Key Cards sind nichts Neues bei Nintendo – SPECIAL

Viele von euch empören sich über die neuen Software-Schlüsselkarten der Switch 2 – physische Spiele, die nur einen Download-Schlüssel enthalten und dennoch dauerhaft im Gerät stecken müssen. Dabei ist dieses Prinzip längst nichts Neues mehr. Schon auf der ersten Switch-Generation haben wir es akzeptiert, nur hatte es damals keinen Namen. Ein Blick zurück zeigt, wie vertraut uns diese Praxis bereits ist – und wie wenig sie damals für Aufregung sorgte.


Nintendo hat mit der Switch 2 ein neues Vertriebsmodell eingeführt. Die sogenannten Game-Key Cards, im Deutschen Software-Schlüsselkarten genannt, enthalten keinen ausführbaren Spielcode, sondern lediglich einen Lizenznachweis. Nach dem Kauf laden wir den vollständigen Titel aus dem eShop. Spielen können wir ihn jedoch nur, wenn die entsprechende Karte eingelegt ist. Im Alltag unterscheidet sich das kaum von Modulen früherer Generationen mit Zusatzdownloads – und dennoch wirkt die Einführung des neuen Begriffs wie ein Bruch mit der bisherigen Modultradition. Der Unterschied liegt in der Symbolik: Ein leerer Datenträger vermittelt uns kein Besitzgefühl mehr, sondern erinnert daran, wie stark wir uns vom klassischen Retail-Gedanken entfernt haben.

Vertrautes Prinzip mit neuem Namen

Schon in den ersten Jahren der Switch 1 gab es zahlreiche Titel, bei denen nur ein Teil des Spiels auf der Cartridge gespeichert war. Für die vollständige Nutzung war ein zusätzlicher Download nötig – oft mehrere Dutzend Gigabyte. Beispiele wie Bioshock: The Collection oder Spyro Reignited Trilogy zeigten früh, dass das Modul nur als physischer Schlüssel diente. Und trotzdem diskutierten wir das kaum. Hinweise wie „Download erforderlich“ wurden zur beiläufigen Information, über die wir uns kurz ärgerten – und die wir danach schlicht hinnahmen. Der technische Unterschied zu den heutigen Schlüsselkarten besteht fast nur noch im Etikett, nicht in der Funktion.

Wir haben uns schleichend an diesen Zustand gewöhnt. Damals galt ein Spiel mit Modul, aber ohne vollständigen Inhalt, als notwendiger Kompromiss in Zeiten großer Datenmengen und teurer Speichermodule. Heute sehen wir darin plötzlich eine Zäsur. Vielleicht liegt das nur daran, dass Nintendo dem Kind einen Namen gegeben hat. Oder liegt es an dem teuren externen Speicher für die Switch 2 in Form von microSD Express? Vielleicht ist es aber auch das Bewusstsein, dass Server nicht ewig online bleiben und mit der Leere auf dem Modul auch ein Verlust an Kontrolle einhergeht. Wer sein Spielarchiv ernst nimmt, wird an diesem Punkt unruhig. Doch genau deshalb lohnt sich der Rückblick – denn er zeigt: Wirklich neu ist daran nichts.

Konsequenz statt Revolution

GameKey-Cards setzen lediglich konsequent fort, was wir bereits seit 2017 mit L.A. Noire praktizieren. Der einzige Unterschied: Nintendo benennt das Prinzip nun offiziell und strukturiert es in der Produktpalette. Damit wird vielen von uns erst bewusst, was wir vorher stillschweigend akzeptierten. Wir ärgern uns über das leere Modul in der Switch 2, obwohl wir seit Jahren Spiele besitzen, die genau so funktionieren. Vielleicht ärgern wir uns auch ein wenig über uns selbst. Im Grunde ist es ein Spiegelbild unseres eigenen Umgangs mit digitalen Inhalten – zwischen Nostalgie und Pragmatismus, zwischen Sammelleidenschaft und Bequemlichkeit. Niemand zwingt uns, solche Karten zu kaufen. Doch solange wir es tun, wird dieses Modell weiter bestehen.

Jüngste Verkaufszahlen liefern ein klares Bild: Laut einem GameSpot-Bericht entfielen in der Launch-Woche rund 81 Prozent aller physischen Switch-2-Umsätze auf First-Party-Ware von Nintendo; allen voran Mario Kart World, das die Verkaufs-Charts deutlich anführt – das dürfte vor allem am Bundle mit der Konsole liegen. Unter den Third-Party-Veröffentlichungen sticht Cyberpunk 2077 von CD Project Red heraus, das als bestplatzierter Fremdtitel gerade so in die Top 20 rutscht und damit sämtliche Schlüssel­karten-Boxen hinter sich lässt. Beachtenswert ist hier, dass Cyberpunk vollständig auf Cartridge erschienen ist. Die übrigen Drittanbieter-Spiele bleiben zusammen­gefasst unter der Zehn-Prozent-Marke. Obwohl das meiste davon Portierungen von anderen Plattformen und somit bereits verfügbare Titel waren, verstärkt sich der Eindruck, dass klassische Voll-Module auf Switch 2 bevorzugt werden.

Nicht alle Publisher

Interessant ist, wie ungleich die Branche diesen Ansatz verfolgte: 2K Games gehörte auf der Switch 1 zu den eifrigsten Befürwortern und brachte vom jährlichen Basketball bis zu Taktik‑Sammlungen fast jede Serie als Dongle‑Hybrid. Warner Bros. Games hat Bestseller wie Arkham oder Mortal Kombat nur teilweise auf das Modul gepresst. Bethesda Softworks lieferte Shooter unvollständig, Rockstar Games verpackte Grand‑Theft‑Auto‑Klassiker als Mischform. Auch Ubisoft in seinen Assassin‑Creed‑Neuauflagen, Activision bei Spyro und Tony Hawk, und Merge Games mit Dead Cells vertrieben Titel auf diese Weise. Nintendo selbst verzichtet bislang konsequent auf solche Hybride und liefert hauseigene Marken komplett auf Cartridge aus, weshalb die aktuelle Debatte allein die Drittanbieter ins Rampenlicht rückt.

Eine vollständige Archivierung wird durch Software-Schlüsselkarten nicht einfacher. Ohne aktive Server geht der Inhalt eines Spiels zukünftig womöglich für immer verloren – auch wenn das Modul noch existiert. Diese Entwicklung lässt sich nicht wegdiskutieren. Doch vielleicht hilft eine nüchterne Einschätzung mehr als der empörte Reflex. Wenn ihr wissen wollt, wie weit diese Praxis auf der ersten Switch bereits verbreitet war, findet ihr im Anschluss eine alphabetische Liste. Darin sind alle Spiele, die einen verpflichtenden Download erfordern und gleichzeitig die Cartridge zur Verifikation voraussetzen.

Switch 1 Module mit nötigem Download

Assassin’s Creed III Remastered enthält Assassin’s Creed III und Liberation vollständig auf der Cartridge, die Erweiterung Die Tyrannei von King Washington muss mit etwa 3 GB heruntergeladen werden. Das Spiel war einer der ersten großen Third-Party-Titel mit kompletter Kampagne auf Modul, aber optionalen Zusatzinhalten per Patch.

Assassin’s Creed The Rebel Collection enthält Black Flag vollständig auf der Cartridge, während für Rogue rund 8,3 GB nachgeladen werden müssen. Es gibt keine Code-Einlösung; stattdessen wird Rogue direkt mit eingelegter Karte im eShop bereitgestellt.

Batman Arkham Trilogy enthält Arkham Asylum auf der Cartridge, Arkham City muss mit etwa 12 GB und Arkham Knight mit etwa 27 GB heruntergeladen werden. Die Cartridge fungiert für alle drei Spiele als Schlüssel.

BioShock The Collection enthält nur die Anfangslevel der drei Spiele auf der Cartridge, für die vollständige Nutzung sind etwa 31 GB Download nötig. Die Spiele erscheinen einzeln im Home-Menü der Switch und benötigen beim Start jeweils die Cartridge.

Borderlands Legendary Collection enthält auf der Cartridge lediglich Borderlands Game of the Year Edition und verlangt nach Einlegen einen Vervollständigungs-Patch von etwa 6 GB. Borderlands 2 und The Pre-Sequel werden über einen einmaligen eShop-Code freigeschaltet und benötigen rund 35 GB Download. Nach Einlösen laufen diese beiden Titel ohne Modul, während Borderlands 1 weiterhin die Karte fordert.

Dead Cells Action Game of the Year Edition enthält das Basisspiel auf der Cartridge, sämtliche DLCs inklusive Rise of the Giant müssen mit etwa 1 GB nachgeladen werden. Obwohl mit GOTY beworben, was gewöhnlich für eine komplette Version steht, sind die Extras nicht physisch enthalten.

DOOM enthält die komplette Einzelspielerkampagne auf der Cartridge, der Mehrspielermodus muss mit etwa 9 GB heruntergeladen werden. Das Spiel war eines der ersten großen westlichen Retail-Games mit dieser Aufteilung und weist auf der Verpackung klar auf die Downloadpflicht hin.

Grand Theft Auto The Trilogy Definitive Edition enthält GTA III und große Teile von San Andreas auf der Cartridge, Vice City muss mit etwa 6,5 GB nachgeladen werden. Die physische Version nutzt ein dynamisches Menü, in dem die drei Spiele als separate Icons auftauchen.

L.A. Noire enthält nur einen Teil des Spiels auf der Cartridge, der Rest muss mit einem etwa 14 GB großen Update heruntergeladen werden. Der Day-One-Patch wurde von vielen als Pflichtbestandteil zum Spielen gewertet, da er essenzielle Daten enthält.

Mortal Kombat 11 enthält nur Grundfunktionen auf der Cartridge, für Story, Inhalte und Online-Modus sind etwa 16 bis 24 GB Download nötig. Viele Modi waren ohne Download nicht anwählbar, trotz vorhandener Cartridge.

NBA 2K18, 2K19, 2K20, 2K21, 2K22 und 2K23 sind auf Switch jeweils nur mit einem Bruchteil auf der Cartridge erhältlich; jedes Jahr wächst der Pflicht-Download weiter an: von gut 16 GB bei 2K18 auf ganze 46 GB bei 2K23. Schon seit 2K18 war eine microSD-Karte unverzichtbar, ab 2K20 prangt der Warnhinweis „microSD required“ sichtbar auf der Box.

Spyro Reignited Trilogy enthält nur Spyro the Dragon vollständig auf der Cartridge, Spyro 2 und 3 müssen mit etwa 8,7 GB heruntergeladen werden.

Tony Hawk’s Pro Skater 1 + 2 enthält beide Spiele vollständig auf der Cartridge, für Online- und Mehrspielermodi ist ein 3,5 GB großer Patch erforderlich. Trotz der geringen Downloadgröße war dieser für Wettbewerbe und Leaderboards unerlässlich.

Wolfenstein II The New Colossus enthält nur einen Teil des Spiels auf der Cartridge, der Rest muss mit etwa 23 GB heruntergeladen werden. Die US-Version enthielt einen Code-in-a-Box, die EU-Version setzte auf das Hybridmodell mit Dongle.

WWE 2K18 enthält nur Basisdaten auf der Cartridge, der vollständige Spielinhalt muss mit etwa 24 GB heruntergeladen werden. Der miserable technische Zustand sorgte für notorisch schlechte Bewertungen – auf der Nintendo Switch 2 ist das Spiel übrigens inzwischen annehmbar, sieben Jahre später.

XCOM 2 Collection enthält die ersten Missionen auf der Cartridge, der vollständige Rest inklusive DLCs muss mit bis zu 24 GB heruntergeladen werden. Ohne Download endet das Spiel nach wenigen Minuten – ein weiteres Beispiel für minimalen physischen Inhalt.

Hinweise auf weitere Titel nehmen wir gern entgegen. Vielleicht habt ihr euch auch über Software-Schlüsselkarten geärgert, besitzt aber Spiele aus dieser Liste? Wir jedenfalls waren überrascht.

geschrieben von Arne Ruddat