Neva – TEST
Videospiele, die bewusst kurz gehalten sind, um eine intensive Spielerfahrung zu liefern, sind zu einer Seltenheit geworden. Das spanische Entwicklerteam des Nomada Studios geht diesen Weg und überzeugt nach dem Überraschungshit Gris mit dem Action-Adventure Neva erneut.
In einer Welt, in der Spiele immer länger, repetitiver, aufgeblähter und im Grunde seelenloser werden müssen, gibt es nur wenige Entwicklerstudios, die sich diesem Trend entgegenstellen. Wir sind froh, dass es noch kreative Köpfe gibt, die eine andere Meinung vertreten. Auch das Nomada Studio mit Sitz in Barcelona lässt sich nicht blenden und verfolgt nach Gris ebenfalls mit ihrem zweiten Werk Neva ihre eigene Vision. Diesmal schlüpfen wir in die Haut der jungen Frau Alba, die zu Beginn auf eine riesige Wölfin und ihren Welpen trifft. Das Kennenlernen währt jedoch nicht lange, denn dunkle Kreaturen versuchen sich den drei Handlungsfiguren zu bemächtigen. Mit letzter Kraft gelingt es der Wölfin, ihr Junges und auch Alba zu retten.
Durch dieses Ereignis werden Alba und Neva, wie der titelgebende Welpe heißt, durch den Faden des Schicksals miteinander verbunden. Gemeinsam durchleben sie im Verlauf ihres Abenteuers die vier Jahreszeiten, lernen voneinander und bauen sich eine Zukunft auf. Die Geschichte verzichtet hierbei auf Dialoge und lässt ausdrucksstarke Bilder für sich sprechen. Anhand dieser Erzählweise lernen wir die beiden Charaktere sowohl durch fröhliche als auch tragische Momente kennen. Hinzu kommt eine melancholische Musik, die den Emotionen von Alba und Neva eine gefühlvolle Note verleiht und die fünfstündige Story gut untermalt.
Spielflussförderndes Gameplay
Beginnend im Sommer erkunden wir mit Alba zweidimensionale Spielabschnitte, die zudem sehr linear ausfallen. Vorteilhaft an dieser Designentscheidung ist, dass wir uns niemals verlaufen können. Im Grunde müssen wir nur in eine Richtung rennen: Früher oder später kommt es zum nächsten Ereignis in Neva. Dabei kann es sich um Kletterpartien oder Sprungabschnitte handeln, in denen wir unsere Hüpfer, Doppelsprünge und Vorpreschaktionen in der Luft zeitlich gut abstimmen. Es gibt allerdings auch ein paar Rätsel, bei denen wir Schalter aktivieren oder Blöcke zerstören müssen, die wenige Sekunden nach ihrem Verschwinden wieder auftauchen.
Kopfnüsse sind hierbei aber Mangelware. In der Regel sind die wenigen Rätseleinlagen schnell zu durchschauen – und bremsen damit den Spielfortschritt in keiner Weise. Dies kann höchstens bei den Kämpfen und Verfolgungsjagden der Fall sein, denn Alba verfügt nur über drei Trefferpunkte. Sind diese aufgebraucht, werden wir zum letzten der zumeist großzügig verteilten Kontrollpunkte zurückgesetzt. Bei den Kämpfen kommt es drauf an, mit dem Schwert korrekt anzugreifen und den Angriffen von Gegnern im richtigen Moment auszuweichen. Später können wir Neva zudem auf einen Feind werfen, der dann die Zähne unseres wölfischen Begleiters zu spüren bekommt und sich so temporär nicht mehr rühren kann.
Anlehnungen an Anime-Klassiker
Letzteres liegt übrigens daran, dass Neva im Wandel der Jahreszeiten wächst und neue Funktionen erhält. Fühlen wir uns im Sommer noch als Beschützer von Neva, müssen ihn regelmäßig streicheln oder zu uns rufen, können wir im Winter bereits auf ihm reiten. Außerdem greift er mit der Zeit selbstständig an. Ein wenig erinnert uns dies an The Last Guardian, doch können wir euch versprechen, dass Neva deutlich intelligenter und gehorsamer agiert als sein Pendant aus besagtem PlayStation-4-Titel. Bedientechnisch gibt es darüber hinaus nichts am Spiel zu meckern. Jede unserer Eingaben werden sofort umgesetzt – und stürzen wir dennoch mal in einen bodenlosen Abgrund oder lassen uns von einem Bossgegner verdreschen, erkennen wir unseren Fehler sofort, lernen daraus und bügeln ihn beim nächsten Versuch nach bestem Wissen wieder aus.
Obwohl das Gameplay eintönig erscheint, bekommen wir es mit der Zeit immer wieder mit neuen Bestandteilen der Level-Architektur und weiteren Gegnern zu tun. Über diese freuen sich Studio-Ghibli-Anime-Fans, denn sie wirken wie eine Mischung aus Ohngesicht aus Chihiros Reise ins Zauberland und dem Dämon aus Prinzessin Mononoke. Technisch läuft das Spiel auf der Switch, mit Ausnahme ein paar Slowdowns, welche nicht die Spielbarkeit beeinträchtigen, äußerst rund. Wer also auf der Suche nach einem kurzweiligen wie linearen Action-Adventure ist, findet in Neva durchaus eine kleine Videospielperle.
Geschrieben von Eric Ebelt
Fazit:
Neva ist ein Videospiel, das mit seinem markanten Anime-Stil auf sich aufmerksam macht. Unter der wunderschönen Oberfläche, an der allerhöchstens die nicht immer konstante Framerate kratzt, befindet sich zudem ein abwechslungsreiches Spiel. So löse ich der Reihe nach komplizierter werdende, aber niemals zu schwierige Rätsel, und bekämpfe allerhand fiese Gegner, die direkt Anime-Filmen von Miyazaki Hayao entsprungen sein könnten. Zwar gelingen die Auseinandersetzungen nicht immer auf Anhieb, doch lerne ich sofort aus jedem Fehler und mache es beim nächsten Anlauf deutlich besser. Ungeduldige Naturen können auch in den Story-Modus wechseln, der auf Bildschirmtode verzichtet. Da Neva ohnehin eine kurzweilige, aber nicht weniger intensive Spielerfahrung darstellen soll, ist an dieser Entscheidung auch überhaupt nichts auszusetzen. Action-Adventure-Fans, die sich diesen Umständen im Klaren sind, werden mit Neva garantiert eine wunderbare Zeit verbringen, an die sie sich noch lange erinnern!