Bravely Default II – TEST
Fünf Jahre sind seit dem letzten Teil der Bravely-Reihe vergangen. Bravely Default II bildet jedoch keine Fortsetzung der beiden 3DS-Titel, sondern erzählt eine neue Geschichte mit neuen Helden. Dabei nutzt das japanische Rollenspiel bekannte Elemente der Vorgänger und weckt Erinnerungen an vergangene Genre-Zeiten.
Im Gegensatz zu Bravely Second: End Layer, das eine direkte Fortsetzung zum Serienerstling darstellt, handelt es sich bei Bravely Default II trotz der Ziffer im Namen um ein neues, eigenständiges Abenteuer. Das japanische Rollenspiel nutzt einige bekannte Elemente der Reihe wie das Brave-Default-Kampfsystem, den speziellen Grafikstil sowie manche Details in der Geschichte. So finden nicht nur die vier Helden des Lichts Erwähnung, sondern auch die vier elementaren Kristalle spielen eine wichtige Rolle. Außerdem setzen die Entwickler erneut auf teilweise ernste, bedrückende Themen wie eine fanatische Religion, Mord oder politische Intrigen.
Angenehm Klassisch
Bravely Default II ist in vielerlei Hinsicht ein klassisches Japan-Rollenspiel. Das beginnt bereits bei den Grundzügen der Geschichte. Als schiffbrüchiger Matrose, dessen Namen wir selbst wählen dürfen, werden wir am Strand des Königreichs Halcyonia angespült und von Gloria, Prinzessin des untergegangenen Landes Musa, und ihrem Untergebenen Sir Sloan gerettet. Die Ereignisse überschlagen sich und letztlich schließen wir uns gemeinsam mit dem Gelehrten Elvis und dessen Leibwächterin Adele Glorias Suche nach den vier elementaren Kristallen an. Diese bergen große Macht und wurden aus Musa gestohlen. Sollte Gloria sie nicht rechtzeitig zurückbringen, droht der Welt ein großes Unheil. Wirklich innovativ klingt das nicht, doch im Detail überzeugt uns die Geschichte mit einigen spannenden Handlungssträngen, in deren Verlauf wir auf das Schicksal ganzer Länder Einfluss nehmen und uns – typisch weltenrettende Rollenspiel-Gruppe – den großen Problemen diverser Reiche stellen. Das fühlt sich vertraut an, versteht es uns aber immer wieder aufs Neue zu motivieren und manchmal sogar zu überraschen.
Zu verdanken ist das neben den gut verwendeten Themen wie Politik, Religion oder Wissenschaft besonders den oft interessanten, wenn auch nicht immer sonderlich tiefgründigen Charakteren. Angefangen bei unserer Gruppe, die es versteht die Geschichte ausreichend zu tragen und das obwohl Gloria und Seth, wie der schiffbrüchige Matrose standardmäßig heißt, gerade zu Beginn etwas zu eindimensional und stereotypisch ausfallen. Dennoch gelingt es sie interessant genug zu halten, auch wenn beide nicht an Adele und Elvis heranreichen. Nicht weniger gelungen sind so manche Nebencharaktere, denen wir im Laufe des Spiels begegnen. Oft sind sie glaubhaft geschrieben, haben ein tragisches Schicksal und sogar bei einigen grausamen, hinterhältigen oder boshaften Menschen entwickeln wir ein wenig Verständnis für ihr Vorgehen oder ihre Überzeugung. Dennoch bleibt das Rollenspiel in weiten Teilen den Genre-Standards treu, nutzt diese aber gekonnt aus.
Überlegtes Taktieren
Wie von japanischen Rollenspielen gewohnt, erkunden wir mit unserer Gruppe eine recht schick gestaltete Oberwelt, in der wir Städte, Dörfer und verschiedene andere Orte wie Höhlen oder Wälder, die als Dungeons funktionieren, finden. Städte und Dörfer sind in einem zauberhaften Aquarell-Zeichenstil gehalten und stechen optisch am meisten hervor. Dem gegenüber stehen die oft optisch zwar ansprechenden, aber im Aufbau nicht ganz überzeugenden Dungeons. Gerade die Orientierung fällt aufgrund zu ähnlicher Umgebungen und aufgrund einer fehlenden Karte oder Minimap schwer. Immerhin bieten gerade spätere Abschnitte etwas mehr Abwechslungsreichtum. Eine Stärke von Bravely Default II sind die Dungeons aber zu keiner Zeit, was auch daran liegt, dass sie wenig einfallsreich sind und abgesehen von Kämpfen und Schatztruhen kaum Beschäftigung bieten. Richtige Rätsel suchen wir vergebens. Schade, da hier vorhandenes Potenzial verschenkt wird.
Eine weitaus größere Rolle als die Dungeons selbst spielen die Kämpfe. Treffen wir auf der Oberwelt, in einem Dungeon oder an einem anderen Ort auf die jederzeit sichtbaren Gegner, wechselt das Spiel in einen klassischen Kampfbildschirm. Rundenweise können wir unserer Viererguppe anweisen anzugreifen oder eine der verfügbaren Fähigkeiten wie Magie oder Spezialaktionen auszuführen. Soweit so klassisch. Allerdings zeichnet die Bravely-Reihe das namensgebende Brave-Default-System aus. Dieses ermöglicht es uns in einer Runde mehrere Aktionen auszuführen. Nutzen wir diesen Brave genannten Befehle, verbrauchen wir allerdings Brave-Punkte (kurz BP) und müssen die folgenden Runden aussetzen bis unser BP-Zähler wieder auf null steht. Setzen wir mittels Default eine Runde aus, verteidigen wir nicht nur, sondern sparen auch unseren Brave-Punkt und können anschließend ohne ins Minus zu geraten mehrmals agieren. Wie wir die beiden Möglichkeiten nutzen will gut überlegt sein und erfordert gerade bei besonderen Gegnern und Bossen einiges an taktischer Überlegung.
Jobwechsel leicht gemacht
Direkten Einfluss auf die Kämpfe haben außerdem die Jobs, die unsere Charaktere aktuell ausgerüstet haben. Dabei handelt es sich quasi um Klassen, die sowohl Statuswerte als auch verfügbare Aktionen bestimmen. So können wir als Schwarzmagier beispielsweise diverse Elementarzauber ausführen, während Weißmagier über Heilzauber verfügen oder Vorkämpfer Angriffe auf sich ziehen und über eine starke Verteidigung verfügen. Mönche oder Berserker hingegen dienen als Angreifer, andere Jobs wiederum bieten Unterstützung oder eine Mischung aus verschiedenen Fertigkeiten. Jeder Charakter verfügt über einen Haupt- und einen Nebenjob, deren Aktionen im Kampf verwendet werden können. Allerdings werden verdiente Jobpunkte ausschließlich dem Hauptjob angerechnet, so dass nur dieser im Level aufsteigt, wodurch wiederum neue aktive und passive Fähigkeiten freigeschaltet werden. Eine gute Abstimmung der Jobs unserer Gruppe ist genauso essenziell wie die richtige Ausrüstung, die je nach gewählter Profession unterschiedlich ausfällt. Neue Jobs erhalten wir durch sogenannte Asteriske, die wir regelmäßig nach dem Bezwingen menschlicher Bossgegner erhalten.
Dank der Jobs wird viel Abwechslung geboten, da die Kämpfe schon durch kleine Wechsel andere Taktiken und Vorgehensweisen erfordern können. Ähnliches gilt für die passiven Fähigkeiten, die wir eigenständig ausrüsten müssen. Dafür verfügt jeder Charakter über fünf Felder, die mit freigeschalteten passiven Fähigkeiten belegt werden dürfen. Einmal erlernt stehen diese stets zur Verfügung, auch wenn wir den damit verbundenen Job nicht mehr ausüben. Aufgrund der Einschränkung und der unterschiedlichen Anzahl an Feldern, die einige Fähigkeiten belegen, gilt es auch hier gut zu überlegen, was uns wichtig ist und zu unserem Spielstil passt. Manchmal ist es auch sinnvoll Änderungen vorzunehmen, um uns an neue Gegebenheiten anzupassen. Das ist nicht nur motivierend und komplex, aber zugleich angenehm kurzweilig, so dass auch all jene, die keine Freude an zu viel Charakter-Mikromanagement haben ohne Nachteile sind.
Abseits des Abenteuers
Ein typisches Rollenspiel kommt nicht ohne Nebenbeschäftigungen aus, das gilt natürlich auch für Bravely Default II. Wie vom Genre gewohnt dürfen wir regelmäßig Nebenquests annehmen. Diese fallen meist jedoch eher simpel aus und erfordern lediglich das Bezwingen von Monstern oder Sammeln von Gegenständen. Umso willkommener sind die figurenbezogenen Quests. Diese werden sogar mit einem kurzen Gespräch eingeleitet und stehen oft in Verbindung mit spannenden, witzigen oder interessanten kleinen Geschichten. Zusätzlich verlangen sie oft von uns optionale Dungeons inklusive Bossgegnern zu betreten. Das beste daran ist aber, dass wir mehr über verschiedene Charaktere und die Welt erfahren. Manchen Asterisk erhalten wir sogar nur, wenn wir eine Nebenaufgabe bestreiten. Da verzeihen wir den Entwicklern die sonstigen sehr standardmäßigen Nebenquests ein wenig.
Damit aber nicht genug, dürfen wir uns im Blockieren und Dominieren (kurz B&D) versuchen. Mit einem Deck aus sechs Karten, die Monstern, Charakteren oder Jobs aus Bravely Default II entsprechen, treten wir gegen einen Kontrahenten an. Ziel ist es auf einem fünf Mal fünf Felder großen Spielbrett mehr Felder zu besetzen als unser Gegner. Besondere Effekte einiger Karten und unterschiedliche Kartenaufbauten bringen etwas Taktik bei der Erstellung unseres Decks mit sich. Gewinnen wir, verdienen wir Punkte, die wir wiederum in Karten unseres Gegners investieren dürfen, die wir noch nicht besitzen. Mit der Zeit steigen wir in Rängen auf und können gegen neue Herausforderer antreten. B&D ist nicht nur überaus kurzweilig, sondern hat uns auch viel Spaß bereitet und wir haben uns immer wieder gerne neuen Duellen gestellt.
Für alle, die ihre Switch oft mit laufendem Spiel im Standby-Betrieb nutzen, hat Bravely Default II ebenfalls etwas zu bieten. Bereits im Prolog erhalten wir ein eigenes Schiff mit dem wir allerdings nicht direkt die Meere erkunden. Stattdessen dürfen wir in jeder Stadt an einem Schalter die Erkundungsfahrt aktivieren. Befindet sich das Spiel im Standby-Modus sind wir fortan unterwegs und erleben ohne unsere Beteiligung Abenteuer, in deren Verlauf wertvolle Gegenstände und Geld gefunden werden. Ein netter Bonus, aber auch nicht mehr.
Malerisch und klangvoll
Optisch verzaubert Bravely Default II besonders mit den bereits angesprochenen, wunderschön gestalteten Städten. Die malerischen Aquarell-Hintergründe in denen wir uns bewegen, waren schon eine Stärke der Vorgänger. Abseits davon ist das Rollenspiel zwar durchaus schick, setzt aber auf einen eher limitierten Stil. Die Charaktere erinnern in ihrer Darstellung fast an Puppen, was jedoch einen eigenständigen Eindruck hinterlässt und gut zum Spiel passt. Dennoch dürfte nicht jeder mit dem Grafikstil zufrieden sein. Auffällig sind zudem etwas detailarme Texturen und manch matschig anmutende Umgebung in Dungeons. Vorangetrieben wird die Geschichte innerhalb der Spielgrafik oder mittels Gesprächen, bei denen die Charaktere in Nahansicht gezeigt werden. Aufwendige Inszenierungen bleiben aus, allerdings verleiht das Bravely Default II einen angenehm klassischen Old-School-Japan-Rollenspiel-Charme. Zudem können besonders in den Unterhaltungen die Charaktermodelle in ihrer Gänze erstrahlen und wissen zu überzeugen. Leider wird das Spielgeschehen von einigen sehr seltenen Rucklern sowie ebenfalls nicht häufig auftretenden Eingabeverzögerungen getrübt. Den Spielspaß beeinflusst das aber zu keiner Zeit.
Eine der wohl größten Stärken von Bravely Default II ist die stimmungsvolle Musik. Stets wunderbar untermalt, verzaubert uns der Soundtrack immer wieder aufs Neue und hat maßgeblichen Anteil an der großartigen Atmosphäre des Rollenspiels. Für zusätzliches Leben sorgt zudem die hochwertige englische oder japanische Synchronisation, die mit gut geschriebenen deutschen Texten, welche auch die Eigenheiten der Charaktere glaubhaft vermitteln. unterlegt ist. Bravely Default II wird durch die audiovisuelle Präsentation gut abgerundet, so dass sich die zwar genretypische, aber dennoch spannende Geschichte voll entfalten kann und gemeinsam mit dem gelungenen Kampfsystem ein packendes Japan-Rollenspiel bietet.
Geschrieben von Alexander Geisler
Fazit:
Da ich beide Vorgänger sehr gerne gespielt habe, habe ich mich bereits seit der Ankündigung von Bravely Default II auf das japanische Rollenspiel gefreut. Der dritte Teil der Reihe ist sicherlich keine Revolution, sondern eine klassische Fortsetzung, die auf bekannte Stärken setzt. Dabei orientiert sich das Gameplay des neuen Abenteuers etwas stärker am Serienerstling und fügt sich gekonnt in die Reihe ein. Nach fünf Jahren Wartezeit hat mich der Charme und die Atmosphäre sofort gefangen genommen und mit großer Freude und viel Spaß habe ich die Spielwelt erkundet, die neuen Charaktere kennengelernt und bin in die Geschichte eingetaucht. Dass dabei zahlreiche bekannte und klassische Elemente Verwendung finden, hat mich nicht gestört. Vielmehr habe ich genau das von Bravely Default II erwartet. Schließlich handelt es sich um ein klassisches Japan-Rollenspiel, das auf Genre-Standards setzt. Gerade dieser Hauch von vergangenen Zeiten, sorgt für viel JRPG-Charme. Außerdem mangelt es nicht an Eigenständigkeit, so dass Bravely Default II mit einer spannenden, wenn auch klassischen Geschichte und interessanten Charakteren zu fesseln und motivieren weiß. Wer die Vorgänger kennt und mochte, dürfte auch gefallen an Bravely Default II finden. Fans klassischer Japan-Rollenspiele sollten aber auch unbedingt einen Blick wagen. Das ist dank der umfangreichen Demo im Switch eShop Problemlos möglich.
Die Abwechslung zwischen Brave und Default