
Final Fantasy Tactics: The Ivalice Chronicles – TEST
Ist eine Videospielreihe lange genug erfolgreich, entstehen früher oder später auch Spin-offs. So geschehen ist es 1997 mit Final Fantasy Tactics auf der PlayStation. Zu diesem Strategie-Rollenspielklassiker erschien am 30. September 2025 eine größtenteils gelungene Neuauflage.
Anstatt rundenbasierter Kämpfe, die zumindest bis in die frühen 2000er-Jahre die Hauptreihe dominiert haben, gibt es in Final Fantasy Tactics: The Ivalice Chronicles taktisch anspruchsvolle Scharmützel zu erleben. Der Genrewechsel geht einher mit einer ausgeklügelten Handlung, die zuweilen starke politische Züge annimmt. Neu war und ist diese Art von Strategie-Rollenspiel definitiv nicht, denn Herausgeber Square veröffentlichte bereits 1995 mit Tactics Ogre das von Quest entwickelte direkte Vorbild für das Super Nintendo respektive Super Famicom. Aufgrund des deutlich größeren Markennamens stiehlt Final Fantasy Tactics dem spirituellen Vorgänger aber oft genug die Show. Beide Werke haben jedoch ihre Daseinsberechtigung,
Allerdings gelang es den Entwicklern bei Square mit dem Final-Fantasy-Aufguss mit Ivalice eine komplexe Fantasy-Welt zu schaffen, die bereits im Jahr 2000 in Vagrant Story erneut zum Handlungsort erklärt wurde. Später wurde auch Final Fantasy XII, die Crystal-Defenders-Episoden und nicht zuletzt die Final-Fantasy-Tactics-Nachfolger in diesen Kosmos eingewoben. Obwohl Final Fantasy Tactics das erste Werk innerhalb dieser Welt darstellt, können wir euch beruhigen: Ihr müsst die anderen Titel nicht gespielt haben, um in das fantastische Ivalice eintauchen zu können. Alles, was ihr wissen müsst, wird euch in Dialogen erzählt. Zudem könnt ihr im Menü alle wichtigen Inhalte jederzeit in Ruhe nachlesen.
Zeit des Löwenkriegs
Um Letzteres kommt ihr in Final Fantasy Tactics auch nicht herum, denn ähnlich wie in Tactics Ogre existieren im Spiel einige Charaktere, die unterschiedlichen Fraktionen zugehörig sind. Zwischen Freund und Feind zu unterscheiden, ist da manchmal nicht so leicht. Storytechnisch kommt das Werk in puncto Komplexität aber dennoch nicht ganz an das zwei Jahre zuvor veröffentlichte Vorbild heran. Schlimm ist das aber keinesfalls, denn so eignet sich Final Fantasy Tactics wesentlich besser für Genreneulinge.
Das Strategie-Rollenspiel erzählt die Geschichte zweier junger Männer. Einerseits wäre dies Ramza, der Protagonist des Spiels. Dieser entstammt dem königstreuen Rittergeschlecht Beoulve, der nach dem Ende des fünfzigjährigen Kriegs als Kadett in militärische Scharmützel gegen Marodeure und Banditen hineingezogen wird. Andererseits lernen wir auch Delita Heiral vom gemeinen Volk kennen, der dank Ramzas Vater die Chance erhält, gemeinsam an der Seite seines Freundes zu kämpfen. Es dauert jedoch nicht lange, bis sich der nächste Krieg abzeichnet. Der König stirbt und hinterlässt einen Prinzen, der zu jung ist, um das Land zu regieren. Herzog Goltanna und Herzog Larg, die als „schwarzer“ beziehungsweise „weißer Löwe“ bekannt sind, streiten sich um die Vormundschaft und reißen im Zuge des sogenannten Löwenkriegs Ivalice in einen weiteren Konflikt. Nun liegt es an uns, in Final Fantasy Tactics etliche Schlachten zu schlagen.
Genrestandard mit kleinen Finessen
Beim Gameplay orientiert sich das Strategie-Rollenspiel weitestgehend am bekannten Genrestandard, der bereits schon vor Tactics Ogre mit Spielen wie Fire Emblem: Shadow Dragon & the Blade of Light definiert und über die Jahre immer weiter verfeinert wurde. Neben unserer Hauptfigur befehligen wir auf dem Schlachtfeld überwiegend Charaktere, welche für die Geschichte des Spiels nicht von Belang sind. Trotzdem sind wir auf diese Figuren angewiesen, weshalb wir sie vor Kampfbeginn mit guter Ausrüstung ausstatten sollten.
Noch dazu können Erfolge nur dann errungen werden, wenn wir unseren Trupp mit Charakteren aus verschiedenen Berufen mischen. Neben der standardmäßigen Kadettenklasse können unsere Recken zu Beginn auch schon Jobs wie Chemiker oder Schützen erlernen. Haben sie auf dem Schlachtfeld ausreichend Erfolge gefeiert, kommen zunehmend stärkere Klassen wie etwa Ritter oder die ikonischen Weiß- oder Schwarzmagier hinzu. Zu Beginn eines Scharmützels wählen wir ein paar wenige aus bis zu fünfzig Einheiten aus und positionieren sie am Rande des Schlachtfelds. In vielen Fällen kommen auch noch Gäste hinzu. Hierbei handelt es sich um Figuren, die uns handlungsbedingt zum nächsten Schauplatz begleiten, aber eigenständig agieren. Das ist eine interessante Mechanik, die uns zuweilen aber an unserem Verstand zweifeln lässt, da die künstliche Intelligenz der Begleiter hin und wieder taktisch unkluge Entscheidungen trifft.
Taktischer Anspruch durch Topografie und Architektur
Um dies zu erklären, müssen wir jedoch erst einmal auf die eigentlichen Spielmechaniken eingehen, die eng mit der Umgebung zusammenhängen. Auf einem schachbrettartigen Raster bewegen wir unseren Helden und seine Anhänger über das Schlachtfeld. Hierbei müssen wir sowohl die Topografie als auch die Architektur auf dem Gelände beachten. Beispielsweise haben wir mit unseren Fernkämpfern auf erhöhten Positionen bessere Chancen, Gegner ins Visier zu nehmen. Hindernisse nehmen wiederum die Sicht von Armbrustschützen und Konsorten. Schmale Durchgänge in Ruinen eignen sich in Final Fantasy Tactics wiederum hervorragend zum Blockieren der Wege.
Zumindest denken wir das, aber keineswegs die künstliche Intelligenz der automatisch agierenden Mitstreiter. Schon während einer der ersten Schlachten hat sich ein Gastcharakter todesmutig in einen Gang gestürzt, um die Gegner abzulenken. Im ersten Moment wirkt dies wie ein kluger Schachzug, bietet das Manöver doch die Möglichkeit, die Ruine von der anderen Seite zu infiltrieren. Zur Sicherheit positionieren wir hinterm Gast einen Heiler, der dessen Wunden regelmäßig heilen soll. Daraufhin zieht sich der Gast bei der nächstbesten Möglichkeit jedoch zurück, um aus der Ferne mit Steinen auf die Gegner zu werfen und lässt besagten Heiler ungeschützt stehen. Das passiert in Final Fantasy Tactics leider sehr häufig, wodurch der hohe Schwierigkeitsgrad weiter unnötig in die Höhe schnellt.
Viele zu bedenkende Faktoren
Abgesehen von diesem Umstand funktioniert das Gameplay aber bestens, denn es ist trotz der verständlichen Grundlagen wirklich vielseitig. Unter anderem gibt es etliche Statusveränderungen, die sich die Kampfteilnehmer gegenseitig zufügen können. Auch die Sternzeichen der Charaktere haben Einfluss darauf, wie gut oder schlecht sie auf dem Schlachtfeld bei Aktionen miteinander harmonieren. Ebenfalls verfügt jede Spielfigur in Final Fantasy Tactics über Mut und Glauben; zwei Werte, die während einer Schlacht schwanken können. Falls ein Charakter den Mut verliert, desertiert er. Zu gläubige Figuren wollen auch nicht mehr zu den Waffen greifen. Es empfiehlt sich also, diese Werte im Auge zu behalten oder zumindest ein paar Recken in der Reserve zu haben respektive regelmäßig neue Helden in den Städten zu rekrutieren.
Nicht unerwähnt bleiben dürfen die zahlreichen Spezialfähigkeiten, welche unsere Einheiten erlernen können. Mit diesen lassen sich zum Beispiel einzelne Rüstungsteile von Gegnern zerstören. Ähnlich wie in Metaphor: ReFantazio gelten diese Vorteile aber auch als Nachteile, sollten die Feinde den Spieß umdrehen. Ebenso sollten wir jederzeit im Hinterkopf behalten, dass jede Spielfigur einen eigenen Bewegungs- und Angriffsradius hat. So bewegen wir einen Charakter ein paar Felder weit und führen anschließend eine Aktion aus, was im Gegensatz zu anderen Genrevertretern glücklicherweise auch genau umgekehrt funktioniert.
Unglückliche isometrische Ansicht
Kommen wir aber mal zum Eingemachten, denn so tiefgründig der taktische Anspruch eines Strategie-Rollenspiels auch erscheint, so verständlich muss dieser für den Spieler sein. Entscheiden wir uns für einen Angriff, sehen wir in einer übersichtlichen Statistik, wie hoch die Wahrscheinlichkeit eines Treffers ist und wie viel Schadenspunkte wir unter normalen Umständen austeilen würden. Verfügen unsere Gegner in Final Fantasy Tactics über Schilde oder bestimmte Verteidigungsfähigkeiten, kann sich das Blatt schnell wenden. Somit gehört nicht nur taktisches Denken, sondern auch ein wenig Glück zum Geschehen. Wir sollten also immer einen Alternativplan in der Hinderhand haben.
Ärgerlich ist allerdings, dass die isometrisch dargestellte Umgebungsgrafik starken Einfluss auf die Übersicht hat. Andauernd müssen wir die vierstufige Ansicht durchschalten, um den Überblick zu behalten. Zwar können wir auf Knopfdruck zumindest während unserer Züge jederzeit zur Vogelperspektive wechseln, in dieser aber tatsächlich keine Befehle tätigen, was uns im Anbetracht des Genres doch ein wenig absurd vorkommt. Hinzu kommt, dass viele Einheiten identisch aussehen und auf beiden Seiten sogar die gleichen Namen haben können. Für die Neuauflage hätten wir uns ein wenig mehr Varianz gewünscht, um dem entgegenzuwirken. Immerhin dürfen wir unsere Einheiten beim Besuch in der nächsten Stadt umbenennen, was die Bedienung ein wenig erleichtert.
Wahl zwischen Moderne und Nostalgie
Ein Vorteil von Final Fantasy Tactics: The Ivalice Chronicles ist, dass wir das Spiel sowohl in der von Square Enix empfohlenen erweiterten Fassung als auch in einer vom Original inspirierten Ausgabe spielen können. In der erweiterten Version gibt es ein paar Verbesserungen wie die am linken Bildschirmrand eingeblendete Vorschau der nächsten vierzig Züge. Zwar ist es etwas umständlich, hier jedes Mal durchzublättern, aber immerhin sehen wir dann auch so, wohin die feindlichen Schwarzmagier als nächstes ihre Blitze schicken – und gerade solch eine Detailverliebtheit macht das Taktieren unserer Meinung nach auch aus.
Ebenfalls setzt die erweiterte Ausgabe des Spiels auf überarbeitete Grafiken. Auch eine durchgehende Sprachausgabe, die wir wahlweise auf Englisch oder Japanisch erleben können, ist an Bord. Sogar an zusätzliche Dialoge haben die Autoren gedacht, um selbst Kennern etwas Neues zu bieten. Wem das alles zu modern ist und lieber in Nostalgie schwelgen möchte, hat die Option, zur klassischen Variante zu wechseln. Bei dieser war Square Enix darauf bedacht, größtenteils den Charme des PlayStation-Originals beizubehalten. Musikalisch wird es im Spiel darüber hinaus niemals langweilig oder eintönig. Sowohl die ruhigen Handlungsmomente als auch die hitzigen Scharmützel sind passend unterlegt. Trotz ein paar Macken ist das Gesamtbild recht stimmig, sodass sich Genrefans ruhigen Gewissens auf Final Fantasy Tactics einlassen dürfen.
Geschrieben von Eric Ebelt
Fazit:
Im Vorfeld habe ich mich sehr auf Final Fantasy Tactics: The Ivalice Chronicles gefreut. Größtenteils wurde ich auch nicht enttäuscht, denn das Spiel bietet mir eine inhaltlich politisch aufgebaute Story, eine interessante Spielwelt und reichlich taktischen Tiefgang in den Schlachten. Schade finde ich aber, dass die meisten Mitstreiter seelenlose Einheiten sind und die Gastcharaktere nur automatisch agieren – und dann häufig auch nicht sonderlich clever. Die künstliche Intelligenz der Gäste sorgt für Frust, sodass ich Schlachten aufgrund ihrer dämlichen Entscheidungen verliere. Dementsprechend spiele ich den Titel zusätzlich zum auch so schon sehr hohen Schwierigkeitsgrad lieber auf der leichten Stufe, um nicht wütend den Bildschirm anzuschreien. Dann würde ich nämlich auch nicht mehr die wirklich atmosphärische Musik hören, die zum toll inszenierten Geschehen passt. Lediglich die Übersicht geht wegen den dreidimensionalen Umgebungsgrafiken häufig flöten und erfordert, dass ich mir das Schlachtfeld von allen vier Seiten der isometrischen Grafik wieder und wieder ansehen muss. Wem das nichts ausmacht und sich gerne in taktischen Kämpfen verliert, kommt um Final Fantasy Tactics: The Ivalice Chronicles aller Unkenrufe zum Trotze definitiv nicht herum!