A Normal Lost Phone – TEST
Schon immer gab es Videospiele, die den Spieler auf ganz besondere Art und Weise verzaubern oder beeindrucken wollten. Das Adventure A Normal Lost Phone vom französischen Entwicklerstudio Accidental Queens fällt mit seiner narrativen Struktur genau in diese Kerbe.
A Normal Lost Phone erzählt eine Handlung mit unkonventionellen Mitteln. Zu Beginn des Spiels entdeckt der Spieler ein nicht Passwort geschütztes Smartphone von dessen Benutzer Samuel. Die Betriebssystemoberfläche mitsamt aller vorinstallierten Applikationen stellt die grundsätzliche Spielumgebung dar. Sie bietet alle nötigen Informationen, um herauszufinden, wer der Besitzer des mobilen Endgeräts eigentlich ist. Vor allem durch das Lesen von Nachrichtenverläufen wird die Geschichte im Spiel vorangetrieben. Personen, mit denen Samuel in den letzten Wochen kommuniziert hat, treten also nur passiv in Erscheinung.
Dennoch sind sie jederzeit greifbare Individuen mit ihren ganz eigenen Persönlichkeiten. So beendet Samuels Vater jede Nachricht im Instant Messenger mit einer Signatur und Samuels überfreundliche Mutter bietet ihm in ihren Nachrichten ständig an, Kuchen für seine Club- und Freizeitaktivitäten zu backen. In den Nachrichtenverläufen wird sich jeder Spieler ein erstes Bild vom Smartphone-Besitzer machen können, der in seinem sozialen Umfeld mit allerlei Problemen zu kämpfen hat und noch auf der Suche nach seinem Platz in der Welt ist. Obwohl der Spieler Samuel für dessen Entscheidungen womöglich rasch verurteilen möchte, zeichnet sich durch das Lesen von E-Mails oder Foreneinträgen mit der Zeit ein verständliches Bild von ihm ab.
Das Leben der Anderen
Ins Detail wird an dieser Stelle nicht gegangen, denn die persönlichen Informationen, die über Samuel im Verlauf der „Geschichte“ aufgedeckt werden, sind Dreh- und Angelpunkt von A Normal Lost Phone. Die Spielmechanik ist dabei zwar zweitrangig, doch ermöglicht sie mit ihrer sehr hohen Zugänglichkeit einen kinderleichten Einstieg. Jeder, der schon einmal ein Smartphone in der Hand hatte, wird sich im Spiel sofort heimisch fühlen. Besonders in puncto Steuerung kann der Titel glänzen, denn obwohl die Bedienung des Smartphones simpel über die Knöpfchen funktioniert, ist es auch möglich, die Switch im Handheld-Modus hochkant zu halten und mit dem fiktiven Gerät über die einwandfrei funktionierende Touchscreen-Steuerung zu interagieren.
Es ist jedoch vor allem wichtig, sämtliche Texte aufmerksam zu lesen, um so beispielsweise Passwörter herauszufinden. Nur so ist es schließlich möglich, ins öffentliche Internet des fiktiven Handlungsortes zu gelangen oder sich in Samuels Online-Profile einzuloggen. Zwei bis drei Stunden dauert die Detektivarbeit über Samuels Identität; in der letzten Spielminute durchbricht sie sogar die vierte Wand. Bis zum Abspann kann A Normal Lost Phone mit seinem kunterbunten Comic-Stil und einem innerhalb des Spiels sogar erweiterbaren Soundtrack mit einer tollen Song-Auswahl jeden Adventure-Fan gut unterhalten.
Geschrieben von Eric Ebelt
Fazit:
A Normal Lost Phone ist ein Spiel, das mit unkonventionellen, aber doch irgendwie vertrauten Mechaniken eine Story über ein gerade erst volljährig gewordenes Individuum erzählt. Erklärungen zum Gameplay oder Hinweise zum weiteren Vorankommen verrät der Titel nicht und das muss er im Grunde auch nicht: Jeder, der schon einmal ein Smartphone benutzt hat, wird sich mit der Spielumgebung von A Normal Lost Phone schnell anfreunden können. Einzig und allein das Interesse, sehr viele Texte zu lesen, sollte vorhanden sein, um mit dem Titel Spaß haben zu können. Jede noch so kleine Nachricht macht die erwähnten Charaktere auf der einen Seite glaubhafter und auf der anderen Seite verstecken sich in den Textpassagen jede Menge Hinweise, die Samuels komplizierte Lebenslage verdeutlichen. Des Weiteren liefern sie Anhaltspunkte zu Passwörtern, die in der Regel selbst herausgefunden werden wollen und nötig zum Spielabschluss sind. Einzig und allein in dieser Disziplin hätte der Titel mehr Interaktionsmöglichkeiten oder facettenreichere Applikationen bieten können. Fans des Genres sollten sich das wirklich kreative A Normal Lost Phone dennoch auf keinen Fall entgehen lassen, da es mitunter auch zu einer offeneren Weltanschauung beitragen kann.