Künstliche Intelligenz in Videospielen – SPECIAL

Künstliche Intelligenz – oder kurz KI – ist aus der heutigen Zeit nicht mehr wegzudenken. Auch die in Spielen eingesetzte KI für Nicht-Spieler-Charaktere wird zunehmend komplexer und leistungsfähiger. Die Zukunft ist jetzt.


Das Thema der künstlichen Intelligenz verfolgt die Wissenschaft bereits seit Aufkommen der ersten elektronischen Rechner. Mit dem Ziel, eine autonome Entität zu schaffen, versprechen sich Forscher mithilfe dieser Intelligenz Durchbrüche in anderen Bereichen der Wissenschaft, in denen der Mensch bisher nur schleppend Fortschritte erzielt. Um die Forschung auf diesem Gebiet voranzutreiben, stellen Firmen, wie beispielsweise Google oder IBM ihre Technologien zur freien Verfügung und geben Entwicklern aus aller Welt damit die Möglichkeit, eigenständig an diesen Großprojekten der künstlichen Intelligenz mitzuwirken. Google stellt mit TensorFlow eine mächtige Bibliothek zur Verfügung, die sich ausschließlich mit dem sogenannten Machine Learning, also dem Entwickeln einer autonom lernenden künstlichen Intelligenz widmet. Mit dem Ziel, die Entwicklung zu beschleunigen, wurde beschlossen, dass diese Bibliothek der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden muss.

Die optimale Testumgebung: Spiele

IBM entwickelt seit 2005 eine künstliche Intelligenz namens IBM Watson. Der Originalrechner, auf dem Watson entwickelt wurde, ist genau genommen nicht ein einzelner Computer, sondern ein Verbund aus ungefähr 90 Hochleistungsservern. Watson ist eine künstliche Intelligenz, die dafür bekannt geworden ist, bei der amerikanischen Spielsendung Jeopardy! gegen den amtierenden Champion gewonnen zu haben. Bei Jeopardy! geht es darum, aus einer gegeben Antwort die dazugehörige Frage zu formulieren. Watson hat also nicht nur aus einem gegebenen Sachverhalt einen Kontext aufgebaut, um die dazugehörige Frage zu formulieren, sondern hat dies auch noch schneller geschafft, als ein Mensch es jemals könnte. Aber wie genau hat Watson das eigentlich geschafft?

Hinter dem Schleier

Es gibt verschiedene Arten künstlicher Intelligenz. Zunächst gibt es sogenannte Expertensysteme. Ein Expertensystem ist ein regelbasiertes System, das manuellen Input eines menschlichen Experten benötigt, um aus beispielsweise Messdaten die richtigen Schlüsse zu ziehen. Eingesetzt wird dies zum Beispiel in der Mechatronik und Medizin. Ein Expertensystem der Mechatronik bekommt von einem Experten sämtliche Baupläne und Daten diverser Automodelle eingespeist und kann anschließend umfangreiche Diagnosen für Autos ausführen, die zur Reparatur gegeben wurden. Ungefähr genauso funktionieren Expertensysteme in der Medizin – diese werden genutzt, um schnell Diagnosen zu erstellen, indem ein Arzt nur die Symptome und alle zugehörigen Messungen in das System eingibt.

Von Genetik und Neurons

Auf der anderen Seite stehen künstliche neuronale Netze. Diese setzen sich zum Ziel, regelbasierte Systeme durch eine autonome Intelligenz vollständig abzulösen, die selbstständig dazulernt und reagiert. Damit nun ein solches System aber eigenständig agieren kann, muss zuerst eine Struktur entstehen, die dem Gehirn ähnelt. Sowohl das menschliche als auch das tierische Gehirn lernt durch eine komplexe Vernetzung von Neuronen, die es dem Lebewesen ermöglicht, zu lernen und ein Gedächtnis aufzubauen. Diese Struktur findet sich in der Informationstechnologie unter dem Namen „Künstliche neuronale Netze“ wieder. Ein solches Netz muss richtig trainiert werden und dazu braucht es eine vernünftige Lernbasis. So ein System startet dabei ohne jegliches Wissen. Es gibt zwei Möglichkeiten, wie das System an Wissen kommen kann. Man bringt es einige Dinge bei oder es lernt vollständig alleine ohne externen Input. Letzteres passiert unter anderem in genetischen Algorithmen, die der Biologie entspringen und sich der Genetik und Evolutionstheorie bedienen. Dies lässt sich wunderbar in Aktion erleben in dem Spiel Genetic Cars 2, welches genetische Algorithmen nutzt, um in jeder Generation von Fahrzeugen sich einer optimalen Lösung des Parcours anzunähern.
Googles „Deep Dream“ implementiert ein selbstlernendes neuronales Netz, bekannt unter dem Namen „deep neural network“. Deep Dream versucht dabei zu visualisieren, wie ein solches tiefes neuronales Netz arbeitet – mit teilweise verstörenden Ergebnissen.

Regeln oder selbstlernend?

Aber wie funktioniert KI eigentlich in den Mainstream-Spielen, die nicht gerade Genetic Cars 2 oder Façade heißen? Nehmen wir uns einmal das aktuelle The Legend of Zelda: Breath of the Wild als Beispiel. Das Spiel wurde hochgelobt, unter anderem auch wegen seiner guten KI. Die NPCs reagieren dynamisch auf Wetteränderungen, gehen einem sinnvollen Tagesablauf nach, reagieren zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich auf Dialoge, die Gegner verhalten sich sinnvoll und greifen schnell zu herumliegenden Waffen, reagieren panisch auf Feuer und noch viel mehr. Die Liste geht immer weiter, von den Pferden ganz zu schweigen. Es wurde hier offenbar ein regelbasiertes System implementiert. Wenn ein Wetterwechsel stattfindet, löst es bei allen NPCs dieselbe Reaktion aus. Eine simple Wenn-Dann-Beziehung. Dasselbe gilt für nahezu alle anderen Aspekte der KI in Breath of the Wild. WENN Spieler in der Nähe, DANN lokalisiere nächste Waffe UND nimm sie. WENN Feuer in der Nähe, DANN löse Panik aus. Bei den Pferden beispielsweise wird vermutlich der voraus liegende Pfad berechnet, den das Pferd nimmt, und falls ein Hindernis registriert wird, wird der Pfad angepasst, wie in modernen Navigationssystemen.
Ist das echte künstliche Intelligenz oder nicht?

Echte künstliche Intelligenz

Diese Diskussion wird in Fachkreisen nach wie vor geführt. Manche sind der Auffassung, dass nur autonom agierende Systeme als intelligent bezeichnet werden sollten, auch wenn sie zunächst dümmer zu sein scheinen. Andere wiederum argumentieren, dass der Mensch auch nur eines auf Erfahrung und Regeln basierendes biologisches System seien, das man auch auf simple Wenn-Dann-Beziehungen reduzieren könnte. Diese Diskussion wird wohl noch einige Zeit anhalten, denn selbstlernende Systeme zeigen erst jetzt langsam ihre unfassbaren Möglichkeiten.
Zuletzt wurden umfassende Gesetze für autonom fahrende Autos in Deutschland erlassen; unter anderem wer wann im Falle eines Unfalls Schuld ist. In Zukunft wird uns noch viel mehr erwarten, denn wir befinden uns erst an der Spitze des Eisberges. Es bleibt also nach wie vor spannend im Bereich der künstlichen Intelligenz und vielleicht sehen wir in Zukunft auch neuronale Netze in großen Spielen eingesetzt, wenn die Ressourcenanforderungen nicht mehr so hoch sind oder durch den Fortschritt der Technik relativiert werden.

Geschrieben von Tobias Schmick

 

Genetic Cars 2: http://rednuht.org/genetic_cars_2/

Façade: http://www.interactivestory.net/