Redaktionsdiskussion: Nintendo Labo – SPECIAL
Nintendo hat kurz nach der Direct Mini vergangene Woche eine neue Ankündigung gemacht, diesmal sogar mit einer Ankündigung zur Ankündigung. Am 17. Januar 2018 um 23 Uhr deutscher Zeit sollte ein Produkt vorgestellt werden, das ‚ein brandneues, interaktives Nintendo-Switch-Erlebnis für alle Kinder – auch die größeren unter uns’ sein sollte. Sieh an: Es ist Nintendo Labo, eine neue Produktreihe von Nintendo, die auf Pappe basiert.
Nintendo Labo ist die Kombination aus der Technik der Nintendo Switch und einer Mechanik aus Pappe und Schnüren, die die Spieler erst selbst zusammenstecken müssen, um damit dann zu spielen. Wir haben uns in der Redaktion darüber Gedanken gemacht. Dass Nintendo Spielzeuge aus Pappe neu auf den Markt bringt, um sie mit der Switch zu kombinieren, das hat niemand von uns auch nur im Ansatz erwartet. Ist das jedoch wirklich überraschend? Nintendo ist dafür bekannt, sämtliche Erwartungen zu missachten und Dinge auf den Markt zu bringen, die auf den ersten Blick fremdartig erscheinen. ‚Out of the box’ zu denken, komplette Gebiete neu zu erfinden, einen Analog-Stick, Schultertasten, Bewegungssteuerung oder eine Kombination aus Handheld- und Heimkonsole: Nintendo weiß zu überraschen. Die Ideen, die Nintendo auf den Markt bringt, sind jedoch nicht alle genial genug, auch genügend Fans zu finden. Ist Nintendo Labo mit seinen Toy-Cons eine gute Idee? Hier sind unsere Meinungen.
Arne:
Nach der ersten Überraschung, dass es völlig anders ist, als ich erwartet hatte, wurde ich erst nicht mit Nintendo Labo warm. Ich hatte mit einem Ausblick auf Software gerechnet, möglicherweise eine neue Reihe für Kinder, möglicherweise mit einer Switch in einem niedrigen Preissegment, die ohne Dock ausgeliefert und als Handheld verkauft wird. Eine Hardware-Reihe, die auf Pappe basiert und mit der Switch zusammen ein Ganzes ergibt, das Spaß machen kann, hätte ich in hundert Jahren nicht erwartet. Nachdem ich meine Überraschung überwunden und den Trailer mehrere Male gesehen hatte, finde ich die Idee aber wirklich genial. Pappe lässt sich einfach herstellen und einfach verarbeiten, flach verpackt an den Kunden bringen und selber reparieren. Im Grunde also ein perfektes Material. Es ist in den meisten Fällen aber recht schnell zerstörbar und vor allem wasseranfällig. Wie sich Nintendo da positioniert, was das Nachkaufen von Pappe angeht, bleibt in jedem Fall spannend. Wo ich absolut überzeugt von bin, ist, dass ich mit meinen beiden Kindern da viel Spaß beim Basteln und anschließenden Spielen haben werde, weshalb ich auch alles vorbestellt habe, was Nintendo bislang zum Verkauf geplant hat.
Jonas:
Im Grunde ist das Konzept hinter Labo auch nicht mehr, als die gewöhnliche Hardware-Peripherie, wie wir sie schon lange kennen. Dieses Mal jedoch nicht aus starrem Hartplastik oder miefendem Gummi, sondern aus Pappe, die auch noch selbst gefaltet werden muss. Zum einen wird der Aufbau-Faktor selbst noch zum Spielkonzept, zum anderen erlauben die einzelnen beweglichen Komponenten auch wesentlich komplexere Umsetzungen von Controller-Erweiterungen, als wir sie bisher kennen. Dazu kommt noch der geniale Kniff, dass die Joy-Cons selbst als multifunktionale Sensoren implementiert werden und durch den eingebauten Infrarot-Sensor Bewegungen erkennen und an die Switch weiterleiten können. Das erinnert mich in seinen Grundzügen auch an Wii Sports. Besonders im Toy-Con 01: Variety Kit werden wir unterschiedliche kleinere Spielkonzepte erleben, die alle ihre eigene innovative Steuerungsmöglichkeit mit sich bringen – ähnlich wie damals die Minispiel-Sammlungen der Wii versuchten, die Möglichkeiten der Wii Remote auszuschöpfen. Auch wenn die Zielgruppe diese Mal eindeutig auf Jüngeren liegt, bedeutet das nicht, dass Erwachsene keinen Spaß an coolen Konzepten haben dürfen. Das verdeutlicht eher noch einmal, wie sehr sich Nintendo mit dem Markting der Switch bis jetzt eben weniger auf Kinder und mehr auf die größeren Nintendo-Fans konzentriert hat. Besonders gespannt bin ich auch auf die noch folgenden Ideen von Labo. Ich selbst fühle mich von Labo aktuell zwar nicht angesprochen, aber ich freue mich schon jetzt auf weitere geniale und faszinierende Ideen, die durch die simple Kombination von Papp- und Software-Systemen jedes Erfinder-Herz höher schlagen lassen.
Gut finde ich auch, dass Labo und die Software dahinter noch in einem abgeschlossenen System agieren. Also anders als bei den Amiibos – Nostalgie verpackt in Plastik-Figuren – die immer eine Auswirkung auf die verknüpften Spiele und deren Inhalte haben – und diese ist selten gut. Was die Leute letztendlich von Labo halten, hängt bestimmt auch von der Erwartungshaltung zuvor ab. Denn wer bei einer kindgerechten Ankündigung auf Kaliber im Stile von Metroid Prime 4 hofft, dem ist auch nicht mehr zu helfen.
Eric:
Nintendo Labo ist eindeutig das Produkt, mit dem wohl kein einziger Nintendo-Fan gerechnet hat, als die Internetseiten des Unternehmens weltweit aktualisiert worden sind. Zwar ist der Konzern spätestens seit Wii und DS dafür bekannt, seine Fans mit innovativen Ideen und kreativen Konzepten zu überraschen, doch Nintendo Labo zaubert mir – trotz gleicher Intention – nur ein müdes Lächeln aufs Gesicht. Das mag in erster Linie daran liegen, dass ich nicht die Zielgruppe der neuen Produktpalette bin und es Nintendo negativ ankreide, wegen solch einem Produkt langjährigen Fans einen neuen F-Zero-Teil, ein vernünftiges Paper-Mario-Rollenspiel oder auch nur eine offizielle Lokalisierung von Mother 3 zu verwehren. Allerdings stehe ich der neuen Spielerei, auch nachdem ich tagelang über meine erste Reaktion gegrübelt habe, immer noch sehr skeptisch gegenüber, denn wenn ich mich zurück in meine Kindheit versetze, hätte ich wohl kaum Interesse daran. Damals habe ich mit Freunden ein oder zwei Stündchen vor dem Fernseher gesessen, um Donkey Kong Country 2: Diddy’s Kong Quest, Super Mario World 2: Yoshi’s Island oder Secret of Evermore zu spielen. Anschließend ging es mit dem Fahrrad raus in den Wald, wo wir uns ganz eigene fantasievolle Geschichten ausgedacht haben.
Pappe haben wir damals dafür selten gebraucht und vor allem nicht für den Preis, für den die verschiedenen Pakete angeboten werden. Der Grund dafür ist denkbar einfach, denn Pappe ist günstig in der Herstellung, sehr dreck- und staubanfällig, nicht gerade dafür bekannt, den Kontakt mit Wasser zu überstehen und verliert, anders als vergleichbar kreative Spielzeuge der Marke Lego oder Playmobil, durch den Gebrauch relativ schnell an Wert. Ich bin mir zwar sicher, dass die Pappe bei sachgemäßer Verwendung sehr lange halten wird, doch muss Nintendo bedenken, dass die Zielgruppe Kinder sind und die gehen– das weiß ich aus eigener Erfahrung –nicht immer ordentlich mit Gebrauchsgegenständen um. Hinzu kommt, dass verschiedene Hardware-Teile inklusive der Switch selbst in das Konstrukt eingesetzt werden müssen. Alleine deswegen wäre es mir zu riskant, mit einer im Verhältnis dermaßen teuren Konsole Experimente einzugehen. Im schlimmsten Fall könnte die Pappe aus den Händen fallen, die Switch dabei aus der Vorrichtung entgleiten und einen möglichen Schaden davon tragen. Da rate ich doch lieber zu richtigen Videospielen, mit denen das Kind auch noch als Jugendlicher oder Erwachsener seinen Spaß haben und sich ebenso gut an die Ereignisse in seiner oder ihrer Kindheit erinnern kann.
Kennt noch jemand „Steel Battalion“ von Capcom auf der allerersten Xbox? Hatte ich mangels Xbox und Geld zwar nie gespielt, fand ich aber immer sehr interessant. Da Pappe nicht so teuer, wie der Metall/Plastik-Controller von damals sein sollte, wäre eine Neuauflage oder ein zweiter Teil mit Labo-Controller ziemlich interessant für mich.