Redaktionsdiskussion: Zeitdruck in Videospielen – Spannung oder Ärgernis? – SPECIAL

In der Nacht vom 28. auf den 29. Oktober 2023 wurden im deutschsprachigen Raum einmal mehr die Uhren umgestellt. Im März ein Graus, im Oktober ein ausgleichender Gewinn. Ob mehr Zeit in Videospielen gut ist oder ob Zeitdruck Spannung bringt oder ein Ärgernis ist, verrät die NMag-Redaktion in der neuen Redaktionsdiskussion.


Seit 1980 wird in der Bundesrepublik Deutschland am letzten Sonntag im März die Uhr von Normal- auf Sommerzeit und im Oktober zurück von Sommer- auf Normalzeit gestellt. Über Sinn und Unsinn der Zeitumstellung soll es in unserer Redaktionsdiskussion aber nicht gehen. Stattdessen widmen wir uns dem Thema Zeitdruck. Gemütlich spielen ohne die Zeit im Nacken sitzen zu haben, ist gerade für ältere Semester ein Segen. Manchmal kann zu viel aber auch zur Qual werden. Herausforderungen müssen her. Zeitlimits pro Level oder Aufgabe wie in älteren Super-Mario-Spielen, der Picross-Reihe oder im wohl besten Beispiel, The Legend of Zelda: Majora’s Mask, verschwinden immer mehr. In Spielen sowie in der Wahrnehmung der Spielenden. War Zeitdruck etwa denn so mies und wollen Spieler diesen gar nicht mehr?

Ob die NMag-Redaktion damit eine ähnliche Debatte beginnt wie zahlreiche Politiker über die Zeitumstellung, sei an dieser Stelle einmal dahingestellt. Stillsitzen können unsere Redakteure jedenfalls nicht und fassen ihre Meinung kurz zusammen.

Wie steht ihr zu dem Thema? Mögt ihr Zeitdruck in Videospielen oder könnt ihr gar nichts (mehr) damit anfangen? Verratet uns eure Geschichte in den Kommentaren!

Sörens Meinung:

Mittlerweile habe ich mit Spielen, deren Inhalte ganz oder teilweise mit einem Zeitlimit versehen sind, weniger Probleme. In meiner Kindheit wiederum hat der aufgedrückte Druck dafür gesorgt, dass mein Interesse am Durchspielen gemindert wurde. Bestes Beispiel ist dafür der erste Pikmin-Ableger: Schaffe ich es nicht innerhalb der dreißig Tage die benötigten Raumschiffteile zu sammeln, hat Olimar keine Chance mehr auf seinen Heimatplaneten zurückzukehren. Das wird dadurch verstärkt, dass der gestrandete Astronaut jeden Tag über das Leben auf dem Planeten der Pikmin und seiner Gedanken über die Zukunft in seinem Tagebuch festhält. Diese Gedanken werden von Tag zu Tag, sofern sich kein wesentlicher Fortschritt erkennbar macht, trauriger und trauriger. Natürlich ist das Ende der dreißig Tage kein klassisches Game Over im Gegensatz zu anderen Spielen, sondern einfach ein etwas weniger zufriedenstellendes Ende. Dennoch ist das von den meisten von uns mit Sicherheit nicht das präferierte Ende des Abenteuers. Zwei weitere Beispiele, die in eine ähnliche Richtung gehen, finde ich im The-Legend-of-Zelda-Franchise: In Majora’s Mask muss ich die Welt Termina innerhalb von drei Tagen vor dem Untergang, dem Aufprall des absinkenden Mondes, retten. Ich kann aber zu jederzeit an den Anfang der drei Tage zurückspringen, weil es auch unmöglich ist, das Spiel innerhalb der drei Spieltagen durchzuspielen. Außerdem gibt es in Phantom Hourglass den Tempel des Meereskönigs. In diesem Tempel wird fast überall Links Energie ausgesaugt. Dafür brauche ich die titelgebende Phantomsanduhr. Diese Sanduhr schützt den Träger vor dem Lebenssauger-Fluch des Tempels, solange noch Sand herunterrieseln kann. Ist der Sand aufgebraucht, setzt der Fluch wieder ein. Bloßes Umdrehen der Sanduhr reicht auch nicht, da nur das Licht der Sonne die schützenden Kräfte wiederherstellen lässt. Früher habe ich das als sehr störend und druckvoll empfunden, da ich sehr oft in diesen Tempel für neue Hinweise zurückkehren und immer von vorne anfangen muss. Mittlerweile finde ich das Konzept nicht so schlecht, da ich mit jedem abgeschlossenen Dungeon und Item Wege finde, um schneller neue Abschnitte des Tempels zu erreichen.

Arnes Meinung:

Zeitlimit in Videospielen ist wie Weingummi. Ich mag Weingummi, doch von zu viel wird mir schlecht. In den seltensten Fällen gefällt mir ein generelles Zeitlimit in Spielen. Wie Sören schon schrieb, ist für mich der Tempel in The Legend of Zelda: Phantom Hourglass der schlimmste der gesamten Serie. Dass ich in Super-Mario-Titeln kurz vor Ende eines Levels, mit der Zielfahne in Sicht, plötzlich von der ablaufenden Zeit umgebracht werde, hat mich schon mehrere Male frustriert. Dankenswerterweise war der Tempel eine seltene Ausnahme und der neueste Ableger der Super-Mario-Reihe Super Mario Bros. Wonder hat kein generelles Zeitlimit mehr, sondern setzt es selten sehr gezielt ein, um Spannung zu erzeugen. Das funktioniert auch in anderen Spielen für mich gut, etwa in den Spielen der Metroid- oder der Wario-Land-Reihe, wo ich plötzlich ein Gebiet unter Zeitdruck verlassen muss. In diesen Fällen sorgt das Zeitlimit für kurze Spannung statt plötzliche Frustration. Daher bin ich wie bei Weingummi bei Zeitlimits dafür, vereinzelt mal ein Teil zu genießen, mich aber nicht daran zu überladen, bevor mir schlecht wird. Ein Nachsatz dazu noch: Wenn es um ein Rennen irgendeiner Art geht, ist ein Zeitlimit, das nicht seiner selbst Willen besteht, sondern daraus resultiert, dass ich schneller sein muss als jemand oder etwas anderes, eine gute Sache, die manche Spiele erst interessant macht. Ebenso sind Speedruns natürlich eine würdige Herausforderung, deren Meisterung mich regelmäßig aufs Neue beeindruckt.

Alex’ Meinung:

Grundsätzlich bin ich kein Freund von Zeitlimits in Videospielen. Das liegt wahrscheinlich vor allem daran, dass ich gerne frei spiele und sowieso immer sehr lange brauche und mir alles genau anschaue. Ich möchte erkunden, jedes Detail mitnehmen und möglichst nichts übersehen – selbst wenn es nichts zu finden gibt. Entsprechend lange brauche ich oft für Level oder ganze Spiele. Da ist ein Zeitlimit eher hinderlich. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, in denen ich es hinnehme, wenn es ein wenig zeitlichen Druck gibt. Etwa bei genau darauf ausgelegten Abschnitten in Spielen, die trotzdem fair bleiben und nicht so nervig und frustrierend werden wie der von Sören und Arne bereits angesprochene Tempel des Meereskönigs in The Legend of Zelda: Phantom Hourglass. Eine meiner liebsten Videospielserien, die Atelier-Reihe von Gust, hat in älteren Teilen auch auf ein Zeitlimit gesetzt, was ein Grund dafür ist, weshalb mir aktuellere Ableger besser gefallen. Dennoch kann ich mich hier mit der begrenzten Zeit, die ich habe, anfreunden, da alles genau abgestimmt ist und ich lediglich gut planen muss, was einen Teil des Spielspaßes ausmacht. Trotzdem sind mir die Atelier-Spiele entspannt lieber und auch sonst verzichte ich gerne auf Zeitlimits, um so spielen zu können, wie ich das möchte. Ausnahmen sind natürlich immer erlaubt und können Abwechslung und Spannung bedeuten.

Erics Meinung:

So, an dieser Stelle muss ich Alex, Arne und Sören für ihre Aussage zum Tempel des Meereskönigs an den Pranger stellen. Gerade dieser Tempel ist doch der Beste in Phantom Hourglass, da er mich richtig fordert und nicht unterfordert wie das restliche Spiel. Liebe NMag-Leser, steinigt mich! In der Zwischenzeit kann ich ja meinen Senf zum Thema abgeben. Obwohl ich in der Realität nicht unbedingt gerne unter Zeitdruck stehe, merke ich aber sehr gut, dass ich dann wesentlich produktiver bin. Ich schaffe mehr in deutlich weniger Zeit und bin effizienter. Bei manchen Videospielen ist das ebenfalls der Fall. Gerade in den älteren Ablegern der Super-Mario-Reihe motiviert mich das immer dazu, mir einen Level akribisch einzuprägen und schlussendlich zu meistern. Tickt die Zeit dennoch mal runter, was mir ehrlich gesagt selten passiert, beende ich einfach das Level und gucke es mir mit meinem Vorwissen einfach noch mal an und erlebe auch dann immer wieder etwas Neues. Das soll aber nicht heißen, dass ich Zeitdruck unbedingt in jedem Spiel brauche. Wie Arne schon sagte, reicht es in manchen Videospielen aus, wenn dieser gezielt zum Einsatz kommt. Rechtzeitig aus einem einstürzenden Schloss entkommen oder die in einer Minute ausgelöste Selbstzerstörung eines Raumschiffs zu überleben, kann gut umgesetzt eine Bereicherung für die Atmosphäre sein. Dennoch gibt es eine Videospielreihe, die seit Längerem unter dem wegrationalisierten Zeitdruck massiv leidet. Gemeint ist die Picross-Reihe, die seit den Ablegern auf der Switch ohne (zumindest optionalen) Zeitlimit keine Herausforderungen mehr bietet und damit genau den Reiz nimmt, die die Spiele bis zum 3DS ausgemacht haben.

Markus‘ Meinung:

Ich muss sagen, dass ich Zeitlimits in Spielen eher ambivalent gegenüber stehe. Wie meine Vorredner schon bemerkt haben, kommt es dabei ganz darauf an, wie es im Spiel implementiert ist. Wenn ich darüber nachdenke, muss ich aber sagen, dass ich mir Spiele mit Zeitlimits erst einmal ganz genau anschaue bevor ich sie spiele oder eine ganze Weile brauche, bis ich mit ihnen warm geworden bin. Das beste Beispiel ist dabei sicherlich das von Sören genannte The Legend of Zelda: Majora’s Mask, das mir erst einmal gar nicht gefallen hatte. Ich brauchte erst einmal mehrere Anläufe und ein paar Jahre, bis ich die Mechaniken des Spiels verstanden hatte und es schließlich zu einem meiner Lieblings-Titel der Serie geworden war. Das von meinen Vorgängern genannte Zeitlimit im Tempel des Meereskönigs aus Phantom Hourglass hat mir genau wie Eric eigentlich auch nichts ausgemacht. Da fand ich viel nerviger, wie oft man in dieses Dungeon zurückkehren musste. Genauso wenig machen mir Abschnitte in Spielen etwas aus, in denen ich beispielsweise unter Zeitdruck aus einem einstürzenden Bauwerk entkommen muss, bevor eine Bombe hochgeht. Dies liegt daran, dass diese Abschnitte meist recht kurz sind, storytechnisch eingebaut wurden und zudem für einen Adrenalinschub sorgen. Was mir gar nicht gefällt, sind Level oder Missionen, bei denen man eine gewisse Anzahl von Minuten überleben muss, da diese zum Ende hin nicht nur unglaublich stressig werden sondern auch oftmals einfach nur nervig sind. Besonders, wenn man in den letzten Minuten von Gegnerhorden überrannt wird und vorher falsch die Ressourcen genutzt hat. Die besten Beispiele wären dabei ein paar Missionen in Echtzeit-Stategiespielen wie Warcraft oder Starcraft oder das Finale von Bioshock Infinite, das ich einfach furchtbar finde. Es gibt aber noch ein Zietlimit, das Panik bei mir verursacht und an das ich sofort gedacht habe, als dieses Thema in der NMag-Redaktion aufkam: Das Zeitlimit bei Spielabschnitten unter Wasser, genauer gesagt bei Super Mario 64 und ganz besonders bei Sonic the Hedgehog. Wenn die Luft langsam schwindet, der Countdown startet, die Musik immer schneller wird und ich einfach keinen Ausweg oder eine Stelle zum Luftholen finde, löst dies bei mir wirklich fast Panik aus, so dass ich diese Level ungern spiele. Die Labyrinth Zone aus Sonic the Hedgehog 1 sei hier besonders genannt, denn die Ertrink-Musik des blauen Igels löst bei mir Stress aus, wenn ich nur daran denke.

Jonas‘ Meinung:

Ich werde in Videospielen durchaus gerne gefordert und unter Druck gesetzt, dementsprechend bin ich schon ein Befürworter von Zeitdruck – die einfachste Möglichkeit, Druck beim Spieler zu erzeugen. Das kommt allerdings immer auf das Spiel und den Einsatz an. Auf völlig unpassende Einsätze wie meiner Meinung nach in den älteren (New)-Super-Mario-Bros-Spielen kann ich verzichten. Wer bitte will in Mario-Spielen auf das Zeitlimit achten? Die Zeit geht nur in ganz seltenen Fällen aus – und dann ist es kein positiver Stress, sondern einfach nur nervig. Ein Zeitlimit ist hier genauso unnötig wie die Punktzahl. Ansonsten mag ich zum Beispiel in Rollenspielen mit Active-Time-Battle-Mechaniken den Zeitdruck, den diese Evolution der gemächlichen Rundenkämpfe hinzugefügt haben. Sehr gut funktioniert Zeit als eine Art Ressource, die ich klug einsetzen, verwalten oder sparen muss wie zum Beispiel in The Legend of Zelda: Majora’s Mask oder Shenmue. Auch die Anzahl an verfügbaren Zügen in einem Rundenstrategiespiel oder die reduzierte Anzahl an Interaktionsmöglichkeiten pro Tag wie etwa in Persona sind eine „entspanntere“ Form des Zeitlimits, die dennoch stark unter Druck setzen kann. In der Regel profitieren die Spiele davon.