Vom Sensenmann bis zum apokalyptischen Reiter: Der Tod in Videospielen – SPECIAL

Der Tod ist ein ständiger Begleiter in Videospielen. Schon in frühen Werken haben Spielfiguren das Zeitliche gesegnet und ihre virtuellen Leben verloren. Dem personifizierten Sensenmann sind wir dabei jedoch nicht immer begegnet. Dennoch hat der Gestalt gewordene Tod in den letzten Jahrzehnten zahlreiche, sehr unterschiedliche Auftritte in Videospielen gehabt. All diese Variationen zeigen die thematische Bandbreite und den künstlerischen Einfallsreichtum in diesem Medium.


Es ist September 1986. Japanische Videospiel-Fans stellen sich in Akumajō Dracula auf dem Famicom Disk System Dracula entgegen. Bevor wir uns jedoch im hierzulande erst über zwei Jahre später veröffentlichten ersten Castlevania als Simon Belmont dem bekanntesten aller Vampire stellen dürfen, müssen wir einen seiner mächtigsten Diener bezwingen: den Tod. Klassisch mit Kutte und Sense dargestellt, ist der Tod einer der loyalsten Anhänger Draculas und stellt sich uns in fast allen Castlevania-Spielen entgegen. Der Auftritt des Sensenmannes in Castlevania dürfte vielen Retro-Fans in Erinnerung geblieben sein und ist wahrscheinlich auch die erste Begegnung mit dem personifizierten Tod in einem Videospiel. Seitdem durften wir uns dem auch als Grim Reaper oder Death bezeichneten Schreckenswesen auch in zahlreichen anderen Videospielen entgegen stellen. Doch nicht immer ist der Tod ein Feind. Manchmal unterstützt uns das oft als einfaches Skelett in einer Kutte dargestellte Wesen auch oder wir schlüpfen gar selbst in die leblose Gestalt des Todes.

Tödliche bis witzige Auftritte

Die Darstellung des Todes in Videospielen ist genauso vielfältig wie die Spiele selbst. Von schaurigen Horror-Titeln über knuffige Cartoon-Optik bis hin zu mythologischen Gottheiten, wird fast alles geboten. Dabei ist nicht immer eine ernste oder düstere Ausrichtung erforderlich. Oftmals präsentiert sich der Tod auch humorvoll oder gar als einer von Vielen Sensenmännern. Von Action-Adventure über Jump ’n’ Run, Fighting Game, Hack ’n’ Slash bis hin zu Rollenspielen und Lebenssimulationen sind auch den Genres keine Grenzen gesetzt. Daran zeigt sich, wie vielfältig der personifizierte Tod eingesetzt werden kann. Zwar erhält er auch mal andere Namen oder tritt in Form einer Todesgottheit auf, dennoch bleibt die Rolle oder das Aussehen identisch. In den PlayStation-Spielen God of War: Ghost of Sparta und God of War: Chains of Olympus treffen wir etwa auf den griechischen Todesgott Thanatos. Dieser hat auch einen Auftritt im beliebten Rogue-like Hades.

Haben wir in der Castlevania-Reihe vor allem gegen den Tod gekämpft, stellt sich uns der Sensenmann auch in Spielen wie Diablo III: Reaper of Souls, Dragon’s Dogma: Dark Arisen oder The Legend of Zelda: Majora’s Mask entgegen. Die Kämpfe gegen den Grim Reaper gehören dabei häufig zu den schwersten, schaurigsten, besten und erinnerungswürdigsten Bossen ihrer jeweiligen Titel. Das gilt für Castlevania genauso wie für die drei oben genannten Spiele. Düster, herausfordernd und atmosphärisch inszeniert weiß der Tod selbst als klein geratene Cartoon-Figur wie in Conker’s Bad Fur Day trotz des schwarzen Humors auf ganz eigene Weise als schaurige Gestalt zu überzeugen – nur eben mit einer ordentlichen Portion Witz.

Auf ein ähnliches Rezept setzt das Kult-Adventure Grim Fandango von Lucasarts, das in der Remaster-Version auch für die Nintendo Switch erschienen ist. Hier schlüpfen wir in die Rolle von Manny Calavera, der als Reiseagent im Department of Death Luxusaufenthalte an frisch verstorbene Seelen verkauft. Dafür trägt er als Arbeitskleidung die klassische Kutte inklusive Sense, tritt sonst aber eher im Anzug auf. Ein perfektes Beispiel dafür wie lustig und gleichzeitig genial der Tod in einem Videospiel in der Totenwelt verwendet werden kann. Ähnliches gelingt den Indie-Spielen Flipping Death oder Have A Nice Death. In Letzterem müssen wir als geschwächter und geschrumpfter Tod für Ordnung in der von uns zur Arbeitserleichterung gegründeten Death Inc. sorgen. Makaber, schwarzhumorig und angenehm knackige Rogue-like-Kost wird dabei geboten.

Kreative Darstellung

Etwas anders tritt der Tod in vielen japanischen Spielen auf. So erinnert das Design des Grim Reaper in Kingdom Hearts 2 eher an ein mechanisches Geisterwesen. Die schwarze Kutte oder die Sense fehlen hier komplett. Ähnliches gilt für Nyx beziehungsweise den Tod in der Shin-Megami-Tensei- und Persona-Reihe. Vor allem in Persona 3 gilt Nyx nicht nur als einer der besten und herausfordendsten Bosse, sondern auch als eine der am besten ausgearbeiteten Darstellung eines Todes-Wesens in Videospielen überhaupt. Die finstere, erhabene Gestalt mit vier riesigen Schwingen und mächtigen Schwertern ist alleine in Sachen Erscheinung bereits faszinierend und überzeugt durch Inszenierung und Kampf nur noch mehr. An diesen beiden Beispielen zeigt sich sehr gut, wie kreativ die Darstellung des Todes in Videospielen sein kann.

Das gilt auch für Death’s Door in dem wir als Krähe dem Beruf des Schnitters nachgehen, um für unseren sehr bürokratisch vorgehenden Arbeitgeber Seelen zu sammeln. Zu vergessen ist hier natürlich nicht der Tod aus Terry Pratchetts Scheibenwelt-Romanen, der im simpel Discworld genannten Point-and-Click-Adventure, das Mitte der 1990er-Jahre für PC, PlayStation und Sega Saturn erschienen ist, einen nicht weniger genialen Auftritt absolviert hat. Dem gegenüber steht eine der vielleicht gruseligsten Darstellungen des Todes in Dragon’s Dogma: Dark Arisen. Zwar bleibt das Rollenspiel von Capcom dem klassischen Design mit Kutte und Sense treu, setzt dieses aber auf eine der schrecklichsten Arten um, die wir bis heute in einem Videospiel gesehen haben. Alleine die wabernde finstere, riesige Gestalt des Grim Reapers sorgt bereits für Alpträume, der Kampf lässt uns den Tod aus Dragon’s Dogma: Dark Arisen allerdings erst recht nicht mehr vergessen.

Schaurig-kriegerischer Tod

Ähnliches ist auch dem für Nintendo-Systeme leider nie erschienenen Hack-’n’-Slash-Action-Adventure Dante’s Inferno gelungen. Auch hier überzeugen Design, Inszenierung und Kampf derart, dass wir mit alptraumhaftem Schrecken gerne an die Begegnung zurück denken. Auf ganz eigene Weise erschreckend ist die Auseinandersetzung mit dem Tod in Scribblenauts. Wer würde bei der bunten Action-Puzzle-Reihe schon einen derart gefährlichen, ja wortwörtlich tödlichen Charakter erwarten? Jedes lebende Wesen besiegt der Tod in Scribblenauts mit nur einer Berührung. Zudem verfügt er über derart viele Lebenspunkte, dass selbst eine Bazooka nicht ausreicht, um den Kampf leicht zu gewinnen. Hier zeigt sich wie schaurig selbst der Cartoon-Tod sein kann.

Ebenfalls sehr tödlich ist Death in Darksiders 2. Allerdings schlüpfen wir in dem Action-Rollenspiel selbst in die Haut – ja, Death ist kein Skelett – des apokalyptischen Reiters. Dieser sucht nach seinem verschollenen Bruder Krieg, dem Protagonisten des Vorgängers. Als Death durchstreifen wir die verschiedenen Welten, bekämpfen Engel wie Dämonen und schnetzeln uns mit Sense und anderen Waffen durch Zelda-artige Dungeons. Trotz Skelettmaske weicht Death aus Darksiders 2 in vielen Punkten vom klassischen Sensenmann ab und ist diesem dennoch überaus nah. Eine hervorragende Interpretation des klassischen Charakters, der als apokalyptischer Reiter und schweigsamer Krieger eine ganz andere Rolle einnimmt als in vielen anderen Videospielen. Hier zeigt sich noch einmal wie vielschichtig und abwechslungsreich die Darstellung des Todes in Videospielen sein kann. Angefangen vom klassischen Sensenmann über humorvolle Cartoon-Interpretationen, skurrile Abwandlungen, kreative Designs bis hin zur Kriegervariante fällt die Vielfalt enorm aus. In Zukunft erwarten wir noch weitere einfallsreiche Umsetzungen des Todes. Sei es durch Persönlichkeit, Design oder Nutzung. Welche technischen Aspekte hier völlig neue Kreativität zulassen, können wir noch gar nicht absehen.

Geschrieben von Alexander Geisler