Alvastia Chronicles – TEST

Kemcos Entwicklerstudio Exe Create hat schon mehrere Rollenspiele für Nintendo-Konsolen veröffentlicht, wie zum Beispiel den Überraschungshit Dragon Lapis für den 3DS. Alvastia Chronicles für die Nintendo Switch fällt optisch und spielerisch in eine ähnliche Kategorie.

 


In Alvastia Chronicles schlüpfen wir in die Rolle des jungen Kriegers Alan. Dieser wurde nach einem Angriff von durchtriebenen Monstern, bei dem auch seine Eltern umkamen, zusammen mit seiner jüngeren Schwester Elmia aus seiner Heimat vertrieben. Schutz finden sie in einem elfischen Dorf, in dem sie zehn Jahre verbringen. Bei einem Auftrag des Dorfvorstehers im nahe gelegenen Wald treffen Alan und Elmia zufälligerweise auf den Mörder ihrer Eltern. Allerdings sind die beiden zu diesem Zeitpunkt zu schwach und können dem Kampf nur knapp entkommen. Bei der Rückkehr ins Dorf verliert Alan zu allem Überdruss auch noch seine Stimme, sodass es Exe Create auf lustige Art und Weise gelingt, den stummen Protagonisten des Rollenspieldurchschnitts zu karikieren.

Da sich die Monsterangriffe in der Nähe häufen, beschließen die beiden, um die Welt zu reisen, die Häuptlinge aller Stämme zu vereinen und den Feinden ein für alle mal den Garaus zu machen. Mit dieser nicht sonderlich tiefgründigen Story kann Alvastia Chronicles natürlich keinen Blumentopf gewinnen. Das heißt aber nicht, dass die Handlung langweilig ist. An manchen Stellen wird sie tatsächlich spannend geschildert und gelegentlich auch mit nettem Humor aufgelockert, sodass sie durchweg motiviert, von einem Dorf ins nächste zu ziehen und sich zahlreichen Gegnern zu stellen.

Gruppendynamik abseits der Norm

Verknüpft sind die Örtlichkeiten des Spiels mit einer typischen Oberwelt. Sowohl auf der Weltkarte als auch in den Dungeons treffen wir innerhalb von Zufallsbegegnungen auf Feinde, die wir in rundenbasierten Kämpfen erledigen müssen. Allerdings unterscheiden sich die Auseinandersetzungen von der Norm des Genres. Beispielsweise gibt es für Spezialtechniken keine Magiepunkte oder ähnliches, stattdessen ist jeder Angriff während eines Kampfes unterschiedlich oft einsetzbar. Ist der Kampf gewonnen, was durch den gemächlichen Schwierigkeitsgrad auf der normalen Stufe mehr oder weniger schnell passiert, werden alle diese Aktionspunkte für die einzelnen Fähigkeiten genauso wie die Lebensenergie der Helden wieder aufgefüllt.

Ein weiterer Unterschied zu anderen Rollenspielen liegt in der Anzahl der am Kampf teilnehmenden Charaktere vor. Unsere Gruppe besteht aus maximal 16 Spielfiguren. Im ersten Moment klingt das sehr viel, doch sei gesagt, dass diese Zahl bei der Aufteilung auf vier Kommandanten auf ein humanes Niveau heruntergeschraubt wird. Außerhalb der Kämpfe dürfen wir entscheiden, welche Charaktere wir den vier Befehlshabern unserer Truppe zuteilen wollen, wodurch sich hunderte Kombinationsmöglichkeiten ergeben. Ist ein Kommandant an der Reihe, darf er entscheiden, welche Spezialfähigkeit als nächstes eingesetzt wird.

Über einhundert Charaktere

Welche der insgesamt einhundert Charaktere für die Kämpfe bereitstehen, hängt davon ab, wie gründlich wir Dörfer, Städte und Dungeons abgesucht haben. Bei vielen Dialogen schließen sich die illustren Kämpfer für das Gute automatisch an. Manchmal müssen wir jedoch auch verschiedene Bedingungen erfüllen, um sie für unsere Sache zu begeistern. Beim Charakterdesign ist im Übrigen alles dabei, was sich ein Rollenspielerhirn nur vorstellen kann. Neben Kriegern, Priestern, Magiern, Elfen und Ogern sind auch Exoten wie Stubentiger, Kisten, Fässer oder ein legendärer Knüppel mit von der Partie. Negans Baseballschläger Lucille aus der Fernsehserie The Walking Dead wäre neidisch.

Neben den Aufträgen zum Rekrutieren zumeist optionaler Charaktere haben es auch ein paar Nebenquests ins Spiel geschafft, die jedoch alles andere als spannend oder abwechslungsreich inszeniert sind. Es geht immer nur darum, eine bestimmte Anzahl an Monstern zu töten oder ein Item zu suchen, das nicht weiter als eine bis zwei Minuten Spielzeit entfernt ist. Hier hätten wir uns, vor allem aufgrund der überschaubaren Menge der Nebentätigkeiten, deutlich mehr Abwechslung gewünscht. In Zusammenhang mit den flotten Kämpfen lockern sie zumindest etwas den drögen Alltag auf, zumal sie ohne Aufsuchen des Questgebers über das Menü abgeschlossen werden können.

Angenehmes Retro-Rollenspiel

In allen anderen Belangen funktioniert Alvastia Chronicles grundsätzlich wie jedes andere Rollenspiel auch. Es wollen durch Kämpfe Erfahrungspunkte zum Stufenaufstieg der Helden und Goldmünzen für den nächsten Einkauf im Dorfladen gesammelt werden. Hinzu kommen zwei Spezialwährungen, die für die Verbesserung von Unterstützungscharakteren oder zusätzliche Items ausgegeben werden dürfen. So lassen sich beispielsweise Schlüssel für Schatztruhen erwerben, die sonst noch eine Weile lang verschlossen bleiben. Wie es für ein Kemco-Rollenspiel mittlerweile üblich ist, haben es auch Mikrotransaktionen ins Spiel geschafft.

Überraschenderweise sind diese im Gegensatz zum wenig empfehlenswerten Chronus Arc aber absolut nicht notwendig, denn der Spielfortschritt wird in Alvastia Chronicles auch ohne Erfahrungspunkte-Booster sehr schnell und angenehm vorangetrieben. In technischer Hinsicht weiß Alvastia Chronicles ebenso zum größten Teil zu überzeugen. Optisch erinnert das Spiel mit seinem Pixel-Look an eine bunte Mischung aus Final Fantasy IV, Lufia: The Legend Returns und Mystic Quest Legend. Der eingespielte Soundtrack passt zur charmanten Grafik, reißt aber leider keine Bäume aus. In puncto Steuerung gibt es nur seltene Aussetzer, über die wir uns beschweren könnten. Wer Lust auf ein gutes Retro-Rollenspiel bekommen hat, wird mit Alvastia Chronicles gut und gerne ein paar kurzweilige Stunden beschäftigt sein.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

So manches Rollenspiel aus dem Hause Kemco weiß optisch zu gefallen, kann jedoch aufgrund seiner Spielmechanik, einer mauen Programmierung oder Mikrotransaktionen schnell zu einer Tortur werden. Alvastia Chronicles ist das genaue Gegenbeispiel der Stangenware, die Kemco gerne nachgesagt wird. Die Story motiviert bis zum Schluss, das Kampfsystem überzeugt mit tollen Ideen und auch das Erkunden der Spielwelt macht durchaus Spaß. Es gibt nur wenig, was am Spiel kritisiert werden kann. Beispielsweise sind die Nebenaufträge allesamt sehr lahm präsentiert, hin und wieder hakt die Steuerung ein wenig und der Soundtrack könnte hier und da etwas mehr Abwechslung vertragen. Dennoch macht das Spiel mit seinem Retro-Charme und Pixel-Look vieles richtig und kann einige Stunden lang überzeugen. Wer Kemco-Rollenspielen noch keine Chance gegeben hat, sollte dies jetzt mit Alvastia Chronicles unbedingt ändern.