Haunted Dungeons: Hyakki Castle – TEST

Dungeon Crawler reduzieren die Spielwelt eines Rollenspiels meist auf das Nötigste und das schmeckt nicht unbedingt jedem Fan des Genres. Haunted Dungeons: Hyakki Castle konzentriert sich auf Jahrzehnte alte Tugenden und verbindet diese mit neuen Ideen und Optionen.


In Japan gibt es das folkloristische Konzept des Hyakki Yagyō, was ins Deutsche übersetzt unter anderem Pandämonium oder Höllenspektakel bedeuten kann. Gemeint ist damit die Nacht, in der hunderte Yōkai ein großes Fest veranstalten, Schabernack treiben. Sie verwünschen Menschen, die dennoch ihr Haus verlassen, sollten sie nicht von Spiritisten, so genannten Onmyōji, zuvor geschützt worden sein. Haunted Dungeons: Hyakki Castle basiert lose auf diesem Aberglauben: Im 17. Jahrhundert, nur wenige Jahre, nachdem der erste Tokugawa-Shōgun Ieyasu das zuvor zerstrittene Japan nach der Schlacht von Sekigahara geeint hat, wird sein fiktiver Nachfahre Iemune von einem Feind der Regierung bedroht.

Eines Tages werden an der Burg Edo, dem Regierungssitz des Shōguns, drei abgeschlagene Menschenköpfe abgeliefert. Dabei handelt es sich um die Häupter dreier Gefangener des fiktiven Schlosses Hyakki. Iemune ist sich sicher, dass sein Feind Kigata Dōman hinter dieser Gräueltat steckt, und entsendet eine vierköpfige Truppe auf die Insel Hyakki, damit diese ins dortige Schloss vordringen und Kigata töten kann. Bevor die Gruppe allerdings das „sichere“ Ufer erreicht, werden sie von den dort ansässigen Yōkai aufgespürt, mit einem sich auf die Spielmechanik auswirkenden Fluch belegt und in den Kerker des Schlosses geworfen. All dies klingt zwar nach dem Auftakt einer spannenden Geschichte, doch spielt der Titel sein Potenzial niemals aus.

Illustre Truppe

Den Anfang des Abenteuers macht die Charaktererstellung. Wir dürfen unseren vier Recken jeweils einen Namen geben, eine Gattung und einen Beruf zuteilen und schließlich auch noch das Geschlecht bestimmen. Bei den Gattungen stehen neben den Menschen, die über durchschnittliche Fähigkeiten verfügen, auch Oni, Tengu und Nekomata zur Verfügung. Entscheiden wir uns für eine dieser drei Yōkai-Gattungen, erhalten die jeweiligen Figuren Boni und Mali auf Lebensenergie, Magiewert, Angriff, Verteidigung oder Sättigungsgrad. Der Beruf bestimmt schließlich unsere Fähigkeiten: Zur Auswahl stehen Samurai, Ninja beziehungsweise dessen weibliches Pendant Kunoichi, Sōhei oder Miko respektive dessen männliches Gegenstück Shinkan.

Als priesterähnliche Shinkan oder Miko können wir beispielsweise Regenerations- und Wiederbelebungsmagie sprechen und als Kampfmönch Schutzmagie über unsere Gruppe legen. Mit den Ninja oder Kunoichi schwächen wir hingegen die Feinde und als Samurai teilen wir ordentlich Schaden aus. Grundsätzlich ist diese Mischung den Entwicklern gut gelungen, da im Verlauf des Spiels immer wieder neue Fähigkeiten nach Level-ups erworben werden können, die die Diversität der Figuren erhöhen. Schade bei der auch so schön überschaubaren Erstellung unserer Gruppe ist, dass kaum weibliche Charakterporträts und pro Gattung lediglich zwei Stimmen beziehungsweise Angriffsschreie zur Auswahl stehen.

Zweigeteilte Gruppendynamik

Alleiniger Schauplatz des Spiels ist das titelgebende Schloss Hyakki, das wir vom Kerker bis ins oberste Stockwerk relativ frei erforschen. Wie für die meisten Titel des Genres üblich, erkunden wir das Schloss aus der Ego-Perspektive und bewegen uns rasterförmig durch das verwunschene Gemäuer. Automatisch wird bei diesem Unterfangen eine Karte mitgezeichnet, sodass uns der Titel das Mitzeichnen erspart. Unterwegs stoßen wir sehr häufig auf Yōkai, die uns das Leben entziehen wollen. In solchen Momenten heißt es zur Waffe zu greifen und in Echtzeitkämpfen auf Knopfdruck der Reihe nach die Feinde zu attackieren oder ihnen auszuweichen. Sowohl die Erkundung als auch die Kämpfe funktionieren gut und werden erst dann knifflig, wenn mehr als ein Gegner auf uns losstürmt.

Im Menü dürfen wir die vierköpfige Gruppe jedoch in zwei Teams einteilen, sodass wir den Spieß auf Wunsch auch umdrehen können. Teilen wir die Gruppe in zwei Teams auf, teilt sich auch der Bildschirm auf dem Fernseher. Da es steuerungstechnisch nicht möglich ist, beide Teams gleichzeitig zu steuern, haben sich die Entwickler einen besonderen Trick einfallen lassen: Dadurch, dass die Charaktere von den Yōkai verflucht worden sind, müssen sie stets eine Einheit bilden. Trennen sich die Wege der vier Protagonisten, bleibt eines der beiden Teams bewegungslos und kann sich erst dann wieder bewegen, wenn wir beide Teile der Gruppe zusammenführen oder auf Knopfdruck das Team wechseln, woraufhin der andere Gruppenteil sofort zu Stein erstarrt.

Kehrseite des Dungeon Crawlers

An bestimmten Stellen ist das Aufteilen der Gruppe sogar nötig, da sich manche Monster so schnell umdrehen, dass wir sie nur von der Seite oder von hinten überhaupt erst erfolgreich angreifen können. Ebenso findet diese Idee beim Lösen von Schalterrätseln Anklang, wodurch der taktische Anspruch allerdings kaum ansteigt, da die Rätsel in der Regel schnell durchschaubar sind. Obwohl dieses Feature für das Genre einzigartig ist, ist es vor allem in den ersten Spielstunden aufgrund der zweigeteilten Bildschirmoberfläche sehr knifflig, sich in der Spielwelt zurechtzufinden. Schuld daran ist jedoch auch der Aufbau des Schlosses, da es aus repetitiven Räumen und Gängen besteht, denen jegliche Individualität fehlt. Nicht selten ist das Verlaufen vorprogrammiert, was im TV-Modus vor allem an der viel zu kleinen Minimap liegt. Im Handheld-Modus ist der Titel wesentlich besser spielbar, da hier die meisten Elemente gut sichtbar sind.

Obwohl der Dungeon Crawler an vielen Stellen punktet, gibt es mindestens genauso viele Bestandteile, die nerven können. Beispielsweise gibt es in der deutschen Übersetzung haufenweise Zeichensetzungs- und Rechtschreibfehler und auf eine einheitliche Umschrift japanischer Begriffe konnte sich bei der Übersetzung auch nicht geeinigt werden. Hinzu kommt eine Grafik, die als WiiWare-Titel begeistert hätte, auf der Switch aber ebenso ermüdet wie die viel zu spärlich eingesetzte Musik. Selbst auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad ist der Titel nicht für Anfänger gedacht und verzeiht Fehler kaum, sodass sich Haunted Dungeons: Hyakki Castle in erster Linie an Dungeon-Crawler-Kenner richtet.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Dungeon Crawler sind nicht jedermanns Sache, zumindest wenn sie nach veralteten Maßstäben wie in Haunted Dungeons: Hyakki Castle funktionieren. Das rasterförmige Bewegen aus der Ego-Perspektive gehört zwar zum Standardrepertoire von Dungeon Crawlern, wird aufgrund der gelegentlichen Teilung des Bildschirms jedoch arg verkompliziert. Für Anfänger ist der Titel nicht geeignet, da beispielsweise auch das Verhungern der Charaktere möglich ist, sofern diese nicht regelmäßig etwas zu essen bekommen. Der Tod aller Figuren ist übrigens mit dem Game-Over-Bildschirm gleichzusetzen. Da freies Speichern nicht möglich ist, ärgert es in jenen Momenten, die von plötzlich überstarken Gegnern gezeichnet werden, umso mehr, wenn der letzte Spielstand vom Hauptmenü aus geladen werden muss. Dass das Spiel technisch veraltet ist, muss an dieser Stelle nicht in epischer Breite erwähnt werden – das hätte auch die Wii zu ihren Glanzzeiten geschafft. Selbst wer sich in Videospielform mit der japanischen Folklore auseinandersetzen möchte, sollte sich aufgrund so manches Stolperstein zweimal überlegen, ob er bei Haunted Dungeons: Hyakki Castle zugreifen möchte.