Legend of Mana – TEST

Im Jahr 1999 veröffentlichte der damals noch alleinig unter Square bekannte Publisher Legend of Mana für die PlayStation in Japan. Ein Jahr später erschien der Titel ebenso in Nordamerika. Den Europäern blieb Square Enix das Rollenspiel 21 weitere Jahre lang schuldig.


Legend of Mana spielt im Fantasy-Reich Fa’Diel. Dieses Land ist eintausend Jahre nach dem Sterben des titelgebenden Mana-Baums zerfallen und in den so genannten Artefakten versiegelt worden. Wir schlüpfen in die Rolle eines nicht näher definierten Helden respektive einer nicht näher beschriebenen Heldin. Wir sollen uns um die Erweckung der Welt kümmern. Das heißt, dass wir immer dann, wenn wir eines dieser ominösen Artefakte finden, sie auf einer zu Beginn recht leeren Weltkarte platzieren. Bei den Artefakten handelt es sich im Übrigen um profane Dinge wie Bauklötze, ein Medaillon oder einen Anker. Mit der Zeit entsteht eine stimmige Welt, die bei jedem Spieldurchgang eine andere Form annimmt. Das liegt auch daran, dass wir nur einen vorab selektierten Ausschnitt von Fa’Diel im Spiel erwecken können.

Aus welchen Gründen wir diesen Auftrag in die Wiege gelegt bekommen, verrät uns das Spiel nicht wirklich. Ganz allgemein hält sich Legend of Mana mit einer Handlung zurück. Viel mehr konzentriert sich die Erzählung auf einzelne Geschichten, die teils miteinander verwoben sind. Hierbei lernen wir viele facettenreiche Charaktere kennen. Zum Beispiel den grimmigen Elazul, der ständig seine orientierungslose Freundin Perle aus den Augen verliert, oder den Schmied Watts, der in seinem berlinerischen Dialekt genauso zum Schmunzeln anregt wie eine fleischgewordene Teekanne. Ja, auch mit Humor geizt Legend of Mana nicht.

Verloren in Fa’Diel

Dargestellt wird das Geschehen durchweg aus der zweidimensionalen Seitenperspektive. Im Gegensatz zu den beiden Super-Nintendo-Vorgängern Secret of Mana und Trials of Mana ist die Spielwelt jedoch wesentlich verschachtelter. Das heißt, dass jedes auf der Weltkarte von uns erweckte Gebiet aus mehreren kleinen Arealen besteht. Ein Grund dafür dürfte mitunter der kunterbunte Grafikstil sein, der auf vorgerenderte Hintergründe setzt. Während dieser Stil vor allem in den Dörfern und Städten von Fa’Diel sehr gut funktioniert, sorgt er in den zahlreichen Dungeons eher für Verwirrung. Es fällt uns schwer Höhlen, Wälder und Ruinen von Anfang bis Ende vollständig abzusuchen.

Verlassen wir beispielsweise ein Gebiet nach unten aus dem Bildschirm heraus, kommt es häufig vor, dass wir auf einmal von links oder rechts in den nächsten Bildschirm hineinstolpern. Räumliches Denken hilft hier nur bedingt weiter. Mit ein bisschen Ausdauer, ein wenig überschüssiger Zeit und etwas Sitzfleisch kann zwar jeder einzelne Dungeon bezwungen werden, doch Legend of Mana hat hier im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern genauso wie bei der grundlegenden Story ganz klar das Nachsehen. Unserer Meinung nach hätte Legend of Mana in dieser Disziplin eine automatische Kartenerstellung gutgetan. Manuell ist dies ohnehin kaum möglich, da zu viele Spielabschnitte eher gleich aussehen. Mit einer Automap würden wir uns definitiv seltener in den Dungeons verlieren.

Quality-of-Life-Funktionen

Square Enix verschenkt aber nicht nur Potenzial beim Remaster, denn es haben auch ein paar Quality-of-Life-Funktionen ihren Weg ins Spiel geschafft. Beispielsweise können wir im Remaster für die Switch, die PlayStation 4 und den PC so gut wie jederzeit das Spiel speichern. Hinzu kommt, dass Legend of Mana bei jedem Wechsel des Areals zusätzlich einen automatischen Spielstand anlegt. Sollten wir also plötzlich und unerwartet von zu starken Monstern überfallen werden, verlieren wir so gut wie gar keinen Fortschritt. Derlei Features würden wir nur zu gerne häufiger in japanischen Rollenspielen sehen – und das nicht nur in Remaster-Fassungen.

Legend of Mana geht sogar noch einen Schritt weiter und lässt uns fast alle Kämpfe ausstellen. Das ist jedoch nicht immer sinnvoll, denn für die knackigen und nicht überspringbaren Bosskämpfe sollten wir schon jede Menge Erfahrungspunkte sammeln und unseren Helden aufstufen. Nichtsdestotrotz ist es so sehr leicht möglich, die verschachtelten Dungeons sehr viel schneller zu verlassen. Eine Funktion, aus dem Gebiet auf Knopfdruck zu entkommen, wäre unserer Meinung nach aber sehr viel sinnvoller gewesen. Legend of Mana macht nicht nur anhand solcher Spielspaßergänzungen keinen Hehl daraus, anders zu sein als die Konkurrenz. Dies liegt vermutlich auch an Produzent Akitoshi Kawazu, der für seine Rollenspielexperimente durch Final Fantasy II und der SaGa-Reihe bestens bekannt ist.

Akitoshi Kawazus Rollenspieleinflüsse

Grundsätzlich funktionieren die Kämpfe in Legend of Mana noch genauso wie wir es aus der vorgegangenen Entwicklung der Reihe kennen. Mit Schwertern, Stäben, Bögen und Co attackieren wir die zumeist aus den Vorgängern bekannten Gegnern mit ihrem markanten Design. Allerdings können wir uns bei Feindkontakt nur noch im Bildschirmausschnitt bewegen. Eine Flucht vor den Feinden ist nicht mehr möglich. Besiegen wir einen Gegner, lässt dieser einen Beutel mit einem Material, die als Lucre bezeichneten Goldmünzen oder Juwelen fallen. Die Klunker dienen in Legend of Mana als Ersatz für Erfahrungspunkte. Sammeln wir die Juwelen also nicht rechtzeitig ein, da diese nach nur wenigen Sekunden auf dem Bildschirm verschwinden, gehen uns also wertvolle Erfahrungspunkte verloren.

Selbiges gilt auch für Lucre und Materialien. Auch dann, wenn wir eine mächtige Spezialattacke aufladen oder die Objekte auf einem nicht beweglichen Objekt und nicht zur Seite manövrierbaren Monster landen, läuft die Zeit bis zum Verschwinden weiter. Das ist nicht nur unnötig, sondern auch lästig und manchmal sogar frustrierend. Während Materialien und Lucre sofort im gemeinsamen Inventar landen, erhalten Erfahrungspunkte wirklich nur die Charaktere, die die Juwelen auch einsammeln. Ist also ein Nicht-Spieler-Begleiter oder ein gezähmtes Monster schneller, gehen uns die Erfahrungspunkte durch die Lappen. Mit Eile und Geschick ist das jedoch machbar.

Gemeinsam nicht viel mehr erreichen

Richtig gelesen! Unser Held oder unsere Heldin ist nicht durchweg alleine in Fa’Diel unterwegs. Je nach erzählter Story schließt sich uns automatisch ein weiterer Charakter an, um sich mit uns in die actionreichen Kämpfe zu stürzen. Ebenso ist es möglich, besondere Monster-Eier zu fangen und auszubrüten. Heraus kommt ein Monster, das im Kampf ebenfalls ordentlich austeilen kann. Nun ja, zumindest versucht die künstliche Intelligenz ihr Bestes. Zu oft passiert es unserer Meinung nach, dass die Figuren ausgeknockt werden. Sie regenerieren sich mit der Zeit zwar und stehen auch wieder auf, doch grundsätzlich empfiehlt es sich eher, einen Freund auf die Couch zu berufen und das Abenteuer gemeinsam zu erleben.

Das funktioniert auf der einen Seite definitiv besser. Auf der anderen Seite dürfte dem Mitspieler auf lange Sicht jedoch die Identifikationsbasis fehlen. Zumindest den jeweils anderen Helden von Legend of Mana spielen zu können, wäre eine gute Möglichkeit gewesen, den Zwei-Spieler-Modus interessanter zu gestalten. Immerhin kehrt neben dem Schmieden von Waffen und Rüstungen und dem Anbauen von Obst und Gemüse auch das LCD-Minispiel Ring Ring Land zurück. Dieses war nur im japanischen PlayStation-Original integriert und Besitzern der PocketStation genannten Peripherie vorenthalten. Brettspielartig sammeln wir mit einem Monster Items und tragen mit Auswürfeln Kämpfe aus. Kurzweilig und nett, aber nicht mehr.

Audiovisueller Genuss

Stilistisch betrachtet ist Legend of Mana eine wahre Augenweide. Uns begeistert der im Anime-Stil gehaltene Look durchweg. Sowohl saftige Wiesen, verschnörkelte Fachwerkhäuser, dunkle Höhlen, sonnige Strände, staubtrockene Wüsten und in den Himmel ragende Türme beweisen mit ihrer schier zeitlosen Gestaltung, dass das Spiel aus dem Jahr 1999 auch noch im Jahr 2021 begeistern kann. Ein wenig anders sieht das bei den Charaktermodellen aus. Diese heben sich mit ihrem verpixelten Aussehen ähnlich von den Umgebungen ab, wie wir es beispielsweise aus Romancing SaGa 3 kennen. Allerdings wirken die Animationen etwas zu abgehakt, was sich ulkigerweise auch in der Steuerung des Spiels bemerkbar macht.

Hin und wieder ist es wirklich ein Graus, sich vor einem sich in Bewegung befindenden Charakter zu stellen und ihn anzusprechen. Auch in den Kämpfen lassen sich die Charaktere nicht ganz so flott steuern, wie wir es noch aus den beiden Super-Nintendo-Vorgängern Secret of Mana und Trials of Mana kennen. Dennoch gewöhnen wir uns schnell an diesen Umstand und mit der Zeit fallen diese Defizite gar nicht mehr so schwer ins Gewicht. Mitunter liegt das auch am fantastischen Soundtrack von Komponistin Yōko Shimomura, die sämtliche Situationen vortrefflicht unterlegt. Auch während einer Spielpause bleiben uns die Melodien im Gehör – und das ist bei einem japanischen Rollenspiel immer ein großes Kompliment, wie wir finden.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Zwischen den Jahren 2016 und 2020 legte Square Enix die ersten drei Teile der Mana-Reihe mit Remakes neu auf. Für die vierte Episode, sprich Legend of Mana, muss lediglich ein Remaster herhalten. Das ist in erster Linie nichts schlimmes, denn das Spiel begeistert vor allem optisch und akustisch auch zwei Jahrzehnte nach der Erstveröffentlichung. So gefallen mir die malerischen Landschaften mitsamt dem liebevollen Charakter- und Monsterdesign. Auch die fantastischen Melodien von Komponistin Yōko Shimomura gehen mir ins Ohr. Leider kann das Spiel in sämtlichen anderen Belangen nicht mit den Vorgängern mithalten. So fallen die Dungeons umständlich verschachtelt aus. Auch durch seltsame Perspektivenwechsel wird eine Orientierung unnötig erschwert. Bei den Kämpfen ärgere ich mich hingegen darüber, dass von Monstern verlorene Materialien, Geld und Juwelen so schnell verschwinden. Auch die künstliche Intelligenz der Mitstreiter, wenn sie denn mal vorhanden sind, war schon vor zwanzig Jahren ausbaufähig. Square Enix verschenkt mit dem Remaster unglaublich viel Potenzial, weshalb in mir die Frage aufkommt, ob ein Remake nicht die elegantere Lösung gewesen wäre, um solche Defizite auszumerzen. Auch die wenigen Quality-of-Life-Funktionen wie das automatische Speichern beim Gebietswechsel oder das Abschalten aller normalen Kämpfe täuschen nicht darüber hinweg. Fans der Mana-Reihe, die den Titel noch nicht kennen, dürfen mit diesem Wissen im Hinterkopf aber ruhig einen Blick riskieren. Wer aber noch keinen Serienteil gespielt hat, sollte lieber die Remakes oder Originale von Secret of Mana und Trials of Mana probieren.