Romancing SaGa 3 – TEST

Ursprünglich wurde Romancing SaGa 3 am 11. November 1995 für das Super Nintendo in Japan veröffentlicht. Bis das Spiel seinen Weg nach Europa und Nordamerika fand, sollten sage und schreibe 24 Jahre vergehen. Die lange Wartezeit hat sich dafür aber absolut gelohnt!


Auf den ersten Blick wirkt die aufpolierte und inhaltlich erweiterte Version von Romancing SaGa 3 wie eines dieser urtypischen Rollenspiele, die es für das Super Nintendo in Hülle und Fülle gibt. In einigen Punkten wird das Klischee definitiv erfüllt, doch braut das Franchise seit The Final Fantasy Legend aus dem Jahr 1989, der ersten Episode der SaGa-Reihe, weitgehend sein eigenes Ding. Das auf dutzende Spielstunden angelegte Abenteuer um ein schicksalhaftes Kind beginnt damit, dass wir uns für eine von vier männlichen oder vier weiblichen Spielfiguren entscheiden müssen, aus deren Blickwinkel wir die Geschichte des Spiels erleben.

Entscheiden wir uns beispielsweise dafür, in die Haut des Kämpfers Julian Nord zu schlüpfen, der gerade mit ein paar anderen Charakteren in einem Gasthaus absteigt, lernen wir am Ort des Geschehens Monika Ausbach kennen. Unsere erste Amtshandlung besteht darin, die Adlige zu ihrem ebenso blaublütigen Bruder zu geleiten, der gerade eine Schlacht nach der anderen schlägt, um seine Heimat zu retten. Sofern wir aber die Rolle von Mikhail Ausbach, dem Marquis von Loanne, übernehmen wollen, dann begegnen wir der Heldengruppe um Julian und Co auch erst bei ihrem Eintreffen im Zeltlager. Anstatt uns dann weiter um den Schutz von Monika zu kümmern, müssen wir mit Mikhail im Verlauf der Handlung tatsächlich Truppen befehligen. Romancing SaGa 3 ist an allen Ecken und Enden ungewöhnlich vielfältig.

Acht Blickwinkel

Daraus lässt sich schlussfolgern, dass es sich bei diesem Rollenspiel keinesfalls um eine linear erzählte Geschichte handelt. Überall müssen wir Entscheidungen treffen, die uns zu verschiedenen Orten aus unterschiedlichen Gründen führen. Unter anderem soll Monika verheiratet werden – als Julian eskortieren wir sie entweder im Auftrag ihres Bruders oder brennen lieber selbst mit ihr durch. Wohin uns unsere Füße tragen, entscheiden in vielen Fällen die zahlreichen Dialoge mit den Nicht-Spieler-Charakteren. So werden der leider etwas unübersichtlich in Regionen aufgeteilten Weltkarte von Romancing SaGa 3 lediglich die Orte hinzugefügt, von denen uns beispielsweise der Wirt im Pub oder ein besorgter Dorfbewohner auf offener Straße erzählt hat.

Hinzu kommt, dass sich auch jede Menge weiterer Helden in der Welt herumtreiben, die sich unserer Sache anschließen wollen. So lernen wir mit Julian den namenlosen Minnesänger in einer Höhle kennen, während wir ihn mit Mikhail in einer Kneipe aufgabeln. Zudem sind diverse Figuren unterschiedlich gut auf unsere Spielfigur zu sprechen. Ein herumstreunendes Mädchen am Hafen schließt mit Julian schnell Freundschaft, während Mikhail sie mit einem kühlen Spruch abblitzen lässt. Da sich viele der in der Regel überschaubaren Dialoge teilweise stark unterscheiden, erhöht sich der Wiederspielwert enorm. Im Umkehrschluss heißt das aber, dass Romancing SaGa 3 sowohl in der japanischen Originalversion als auch in der englischsprachigen Lokalisation keine vollständige Story erzählen kann.

Fehlende Tutorials

In unseren Augen ist diese für japanische Rollenspiele ungewohnte Spielstruktur aber nicht sonderlich schlimm, denn es macht unglaublich viel Spaß, den Titel mehrfach aus den Augen verschiedener Charaktere durchzuspielen und dabei immer wieder neue Details festzustellen, die uns mit einem anderen Helden verwehrt bleiben. Nichtsdestotrotz ist Romancing SaGa 3 ein Spiel, das uns so gut wie überhaupt nichts erklärt. Sämtliche Gameplay-Mechaniken müssen wir selbst erlernen. Das mag bei den Grundlagen noch selbsterklärend sein, doch wer zum Beispiel den Vorgänger nicht gespielt hat, wird schon bei der Aufteilung von Trefferpunkten und Lebenspunkten zumindest irritiert sein.

Während Trefferpunkte die Lebensenergie unserer Helden darstellen, steht die Anzahl der Lebenspunkte wiederum für die maximale Anzahl an Wiederbelebungen, die der jeweiligen Figur noch zur Verfügung stehen. Auf den aus Romancing SaGa 2 bekannten – und dort tatsächlich der Atmosphäre beitragenden – Permadeath haben die Entwickler hier verzichtet, denn mit einer Übernachtung im Gasthaus werden jetzt auch die Lebenspunkte aufgefüllt. Sollte ein Held aber dennoch mal im Kampf fallen, scheidet er aus der Story nur so lange aus, bis wir ihn in der Welt wiedergefunden haben. Das ist fair und erspart viel Frust. Wer darauf keine Lust hat, lädt einfach einen früheren Spielstand.

Lernen und lehren

Eine weitere Abweichung von japanischen Rollenspielen ist, dass unsere Helden im herkömmlichen Sinne keinerlei Erfahrungspunkte sammeln. Stattdessen verbessern sie sich so, wie wir sie auch spielen. Die Inspiration für dieses Konzept stammt aus Final Fantasy II. So kann ein Magier seinen Intellekt schulen und seine Magiepunkte erhöhen, indem er oft zaubert. Ein Schwertkämpfer wird hingegen immer stärkere Angriffe mit seiner Klinge ausführen können, wenn er diese nur oft genug schwingt. Das bedeutet, dass wir sehr viel Zeit in die rundenbasierten Kämpfe investieren müssen. Je öfter wir jedoch kämpfen, desto härtere Gegner erwarten uns selbst in bereits besuchten Arealen.

Romancing SaGa 3 schenkt einem nichts, der Fortschritt muss hart erkauft werden. Die zahlreichen Kämpfe fallen jedoch kaum störend auf, denn in den flotten Auseinandersetzungen müssen wir taktieren und Fähigkeiten gekonnt einsetzen. Ein Schleimmonster ist zum Beispiel immun gegen Angriffe mit einer Keule, während Skelette schon beim puren Anblick der Hiebwaffe in sich zusammenbrechen. Des Weiteren erlernen unsere Helden im Kampf regelmäßig neue Spezialtechniken. Außerhalb der Kämpfe kann ein Charakter die erlernte Fähigkeit jemand anderem beibringen. Ist der Lernende aber ungeübt im Umgang mit der jeweiligen Waffe, nützt auch die beste Technik nichts.

Aufpolierte HD-Neuauflage

Romancing SaGa 3 braucht Einarbeitungszeit, die wir jedoch gerne in Kauf nehmen. Sollten wir nach ein paar Spielstunden feststellen, dass uns der Weg unseres gewählten Haupthelden nicht gefällt, starten wir das spannende Abenteuer mit der jederzeit zur Verfügung stehenden New-Game-Plus-Funktion einfach neu. Dann entfällt für alle Charaktere, mit denen wir bereits Seite an Seite gekämpft haben, vor allem das zeitintensive Training in den Kämpfen, da Statuswerte und Fähigkeiten übernommen werden. Dies ist eine genauso gute Idee, wie ArtePiazza die HD-Neuauflage entwerfen zu lassen – schließlich hat das Entwicklerstudio bereits mit zahlreichen Remakes der Dragon-Quest-Reihe und auch der Überarbeitung von Romancing SaGa 2 gezeigt, wozu es im Stande ist.

So gefallen uns die hochauflösenden Hintergründe, die verschiedene Szenerien wie das geschäftige Treiben in Städten, dem Kaminprasseln in Schlössern oder auch verschneite Bergpfade hervorragend wiedergeben. Dazu gesellt sich das wunderbare Charakterdesign von Tomomi Kobayashi: Sämtliche Charaktere stechen mit ihren harten Pixeln heraus und sorgen mit liebevollen Animationen vor allem bei älteren Spielern für ein Schmunzeln. Unvergleichlich ist zudem die tolle Musik von Komponist Kenji Itō, der dem Spiel eine fantastische Akustik verliehen hat – und vielleicht spielen wir Romancing SaGa 3 gerade deshalb so gerne, immer und immer wieder, aus verschiedenen Blickwinkeln.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

In der Retrospektive ist es wirklich bedauerlich, dass es ganze 24 Jahre gedauert hat, bis Square respektive Square Enix Romancing SaGa 3 außerhalb Japans veröffentlicht hat. Dabei gehört das Rollenspiel definitiv zu den besten Titeln des Genres, die zur Hochzeit der 16-Bit-Ära erschienen sind. Mit acht spielbaren Hauptfiguren übertrifft das auf mehrfach dutzende Stunden ausgelegte Abenteuer nicht nur das kurz zuvor veröffentlichte Trials of Mana, es spielt auch an verschiedenen Punkten innerhalb der Geschichte mit Entscheidungen, die den nicht linearen Handlungsverlauf maßgeblich beeinflussen. Sollte ich irgendwann einmal an dem Punkt ankommen, dass ich die Story nicht mehr aus der Sicht meines zu Beginn gewählten Helden erleben will, starte ich das Spiel dank New-Game-Plus-Funktion einfach mit einer anderen Figur neu und übernehme den Entwicklungsfortschritt sämtlicher Charaktere, die ich schon kennengelernt habe. Das Meistern von neuen Fähigkeiten während der rundenbasierten Kämpfe, das ständige Verbessern und Vererben meiner Skills an andere Helden und das vielseitige Erkunden der Spielwelt machen Romancing SaGa 3 zu einem Meisterwerk, das jeder Fan von japanischen Rollenspielen unbedingt selbst erlebt haben sollte.