
Phantom Brave: The Lost Hero – TEST
Am 30. Januar 2025 erschien mit Phantom Brave: The Lost Hero die Fortsetzung des ursprünglich 2004 für die PlayStation 2 erschienenen Strategie-Rollenspiels Phantom Brave von Nippon Ichi Software. Erneut schlüpfen wir dabei in die Rolle der kleinen Marona und suchen diesmal nach ihrem verschollenen Beschützer Ash. Dabei nehmen wir es unter anderem mit einer ganzen Flotte von Geisterschiffen auf und führen eine versprengte Piratenmannschaft zusammen.
Das japanische Entwicklerstudio Nippon Ichi Software ist bekannt für ausgefallene Spielideen, komplexe Systeme und einen ganz eigenen Humor. Aushängeschild des Studios ist die langlebige Disgaea-Reihe, deren siebter Teil Disgaea 7: Vows of the Virtueless im Jahr 2023 auch für die Nintendo Switch erschien. Daneben gab es aber auch immer wieder verschiedene andere Strategie-Rollenspiele, die aber nur in den seltensten Fällen mit Fortsetzungen bedacht wurden. Eines davon ist das im Jahr 2004 für die PlayStation 2 erschienene Phantom Brave. Die Hauptrolle spielt das dreizehnjährige Mädchen Marona, welches die Gabe hat, mit Phantomen, also den Geistern Verstorbener zu kommunizieren und auf einer kleinen Insel auf der Ozeanwelt Ivoire lebt, dem Schauplatz des Abenteuers. Aus diesem Grund wird sie von allen gemieden und hat als einzigen Begleiter ein Phantom mit dem Namen Ash, der zu Lebzeiten für die mittlerweile ebenfalls verstorbenen Eltern von Marona als Chroma, eine Art Bodyguard und Abenteurer arbeitete. Marona und Ash kamen dabei besonders beim amerikanischen Publikum gut an und belegten in Umfragen nach den beliebtesten Nippon-Ichi-Charakteren stets die ersten Plätze, ganz zur Verwunderung der Designer, die eher mit Charakteren aus der Disgaea-Reihe als Favoriten gerechnet hatten. Dies ist laut Director Yuya Hosono einer der Hauptgründe, Phantom Brave nunmehr einundzwanzig Jahre nach dem Release des ersten Teils in Japan eine lange verdiente Fortsetzung zu spendieren. Diese setzt neben den beiden beliebten Hauptfiguren auch auf bekannte Gameplay-Mechaniken aus dem ersten Teil, verfeinert sie jedoch und ergänzt sie sinnvoll.
Von Phantomen und Piraten

Die Geschichte von Phantom Brave: The Lost Hero beginnt sechs Monate nach den Ereignissen des ersten Teils. Marona und Ash kehren auf einem Passagierschiff von einem Abenteuer auf einer weit entfernten Insel zurück. Als dieses jedoch von einer Flotte von Geisterschiffen, der Shipwreck Fleet angegriffen wird, nimmt das Drama seinen Lauf. Der maskierte Anführer der Geisterflotte ist hinter der Kraft von Marona her, und um sie zu beschützen, stellt sich Ash dem Bösewicht alleine entgegen und drängt unsere kleine Heldin zur Flucht.
Einige Zeit später erwacht Marona alleine am Strand einer kleinen Insel, auf der sich eine recht unfreundliche Piratenbande niedergelassen hat, die sie kurzum dazu drängen, sich ihnen anzuschließen. Da die Piraten beabsichtigen, die umliegenden Inseln zu plündern und Marona damit überhaupt nicht einverstanden ist, möchte sie den Fieslingen eine Lektion erteilen und erhält dabei Hilfe durch Apricot, ein Phantom und (verstorbene) Tochter eines legendären Piraten-Kapitäns, der es einst mit der Shipwreck Fleet aufnahm. Die beiden schließen Freundschaft und wollen es nun gemeinsam mit den Piraten mit der Bedrohung durch die spektrale Flotte aufnehmen und nebenbei auch noch den verschollenen Ash wiederfinden.
Phantom-Taktik
Das Hauptaugenmerk von Phantom Brave: The Lost Hero liegt natürlich auf den zahlreichen rundenbasierten taktischen Kämpfen, wobei sich das Gameplay wie bereits erwähnt stark am Vorgänger auf der PlayStation 2 orientiert. Die einzelnen Schlachtfelder sind dabei nicht wie in anderen Strategie-Rollenspielen wie Triangle Strategy oder Tactics Ogre aus einzelnen Feldern zusammengesetzt, sondern wir können unsere Charaktere frei auf der Karte bewegen, so weit der Bewegungsradius es zulässt. Die Besonderheit sind auch hier natürlich die Phantome, die von Marona zunächst beschworen werden müssen, damit sie einsetzbar sind. Um Phantome in der realen Welt zu manifestieren benötigt es allerdings unterschiedliche Gegenstände, die überall auf den Schlachtfeldern herumliegen. Diese Gegenstände können dabei alles Mögliche sein, von verrosteten Schwertern, über Blumen, Kokosnüsse, Kakteen, Spritzen oder Steine und Bäume. Je nachdem in welchen Gegenstand wir ein Phantom binden, ergeben sich unterschiedliche Effekte, so dass wir uns gut überlegen müssen, welches Phantom wir auf der Basis welchen Gegenstands beschwören möchten. Einmal materialisierte Phantome können zudem nur eine ganz bestimmte Anzahl an Runden auf dem Schlachtfeld verbleiben, bevor sie verschwinden und im gleichen Kampf nicht mehr beschworen werden können. Während dies am Anfang des Spiels relativ unwichtig ist, müssen wir mit fortdauernder Spieldauer gut überlegen, welches Phantom wir wann und in welchen Gegenstand beschwören.
Wie es sich für ein Spiel von Nippon Ichi Software gehört, wird es noch komplexer. Ein weiterer wichtiger Aspekt, den es zu beachten gilt, ist die Klasse des jeweiligen Phantoms. Unsere spektralen Helferlein gibt es in den unterschiedlichsten Klassen, wobei es dabei neben den üblichen Klassen wie Kämpfer, Heiler, Bogenschützen oder Zauberern Nippon-Ichi-typisch auch eine ganze Reihe ausgefallene wie beispielsweise Matrose, Koch oder Angler gibt. Aufgrund der begrenzten Anzahl von Phantomen und Ausrüstungsgegenständen will wohl überlegt sein, wen und was wir in unseren nächsten Kampf mitnehmen. Erwähnenswert sind dabei auch zwei neue Spielmechaniken, die in Phantom Brave: The Lost Hero dazugekommen sind. Als Erstes wäre da „Confire“, mit dem Marona die Phantome an besondere Maschinen wie Kanonen oder Artillerie bindet, durch die sie sich nicht nur schneller über das Schlachtfeld bewegen können, sondern auch besondere Fähigkeiten des jeweiligen Gegenstands übernehmen. Das Zweite ist „Confriend“, bei denen Marona mit dem Phantom, mit dem sie eine besondere Bindung aufgenommen hat, fusioniert. Diese völlig neue kombinierte Einheit erhält einige sehr nützliche Buffs wie beispielsweise eine erhöhte Chance auf kritische Treffer oder die Möglichkeit, sich mehrere Züge am Stück zu bewegen. Dabei ist es recht einfach, die Freundschaft mit den Phantomen zu erhöhen. Das einzige was wir dafür machen müssen, ist es, die Phantome oft im Kampf zu beschwören und sich zwischen den einzelnen Auseinandersetzungen mit ihnen zu unterhalten. Wenn sie das maximale Level erreicht haben, können sich solche kombinierten Einheiten bis zu fünf Mal am Stück hintereinander bewegen, was einige Kämpfe durchaus leichter macht.
Insel-Hopping
Wie bei vielen Spielen von Nippon Ichi macht das Aufleveln und Entwickeln der einzelnen Charaktere und Phantome in Phantom Brave: The Lost Hero genauso viel Spaß wie die Taktik-Kämpfe selbst. Auch hier haben wir sehr viele Freiheiten bei der Charakterentwicklung. Diese findet hauptsächlich auf unserer Insel-Basis statt. Hier werden verschiedene Einrichtungen freigeschaltet, sobald Phantome bestimmter Klassen das erste Mal erstellt wurden. Wenn wir ein Händler-Phantom erstellen, wird kurzerhand ein Laden eröffnet, in dem wir einkaufen können, während der Koch eine Juice-Bar freischaltet, in der wir die in den Kämpfen gesammelten Erfahrungspunkte beliebig verteilen können. Dadurch ist es uns dann auch möglich, Phantome mit Erfahrungspunkten zu versorgen, die wir nicht an Kämpfen haben teilnehmen lassen, was wiederum nützlich ist, wenn wir eine neue Klasse schnell aufleveln möchten.
Da die Welt von Phantom Brave: The Lost Hero eine Ozeanwelt ist, bereisen wir die einzelnen Inseln mit unserem Schiff. Bereits absolvierte Kämpfe können wir dabei beliebig wiederholen, was praktisch ist, wenn wir Erfahrungspunkte benötigen. Die Wiederholung von bereits absolvierten Kämpfen lohnt sich aber auch dann, wenn wir bestimmte Aufgaben beim ersten Mal nicht geschafft und damit die Bonus-Belohnungen nicht erhalten haben. Einige der Schlachtfelder enthalten zudem auch besondere Schatztruhen, die jedoch nur unter besonderen Bedingungen zu finden sind. Diese können dann zum Beispiel besonders seltene Waffen enthalten, die oftmals mit besonderen Fähigkeiten ausgestattet sind.
Niedliche Präsentation, aber durchwachsene Synchronisation
Die Grafik von Phantom Brave: The Lost Hero begeistert durch einen charmanten, bunten und niedlichen Stil. Waren die Charaktere im Vorgänger noch 2D-Sprites, sind sie hier nun 3D-Modelle in einem ansprechenden Cel-Shading-Chibi-Anime-Look. Dabei heben sie sich auch deutlich von der Umgebungsgrafik ab, was aber definitiv so gewollt ist. Der Soundtrack ist beschwingt und passt zum Spiel, wobei besonders die gesungenen Stücke hervorzuheben sind. Insgesamt ergibt sich in Verbindung mit der Grafik eine runde audiovisuelle Präsentation.
Leider gibt es aber auch ein paar Negativ-Punkte. So ist die Synchronisation, die sowohl auf Japanisch als auch auf Englisch verfügbar ist, mitunter etwas hölzern und gestelzt. Auf eine deutsche Übersetzung wurde leider komplett verzichtet, das Spiel ist aber wahlweise auf Englisch oder Französisch spielbar. Technisch läuft das Spiel auf der Switch leider auch etwas holprig, und es tut sich manchmal etwas schwer, die 30-Frames-Marke zu halten. Spieler, die darauf viel Wert legen und eine sehr saubere technische Umsetzung bevorzugen, sollten gegebenenfalls zu einer der anderen Versionen greifen.
Geschrieben von Markus Schoenenborn
Fazit:
Das Original Phantom Brave habe ich damals tatsächlich auf der PlayStation 2 gespielt und auch sehr gemocht. Mit einer Fortsetzung hätte ich aber nach all den Jahren wirklich nicht mehr gerechnet, aber Nippon Ichi Software ist auch immer für eine Überraschung gut, und so halte ich nach über zwanzig Jahren ein neues Phantom Brave in den Händen. Enttäuscht wurde ich dabei definitiv nicht. Das Wiedersehen mit Marona und Ash macht dank der sinnvollen Neuerungen im Spielsystem wieder sehr viel Spaß und sprüht nur so vor dem typischen Nippon-Ichi-Charme. Das Abenteuer beginnt zwar recht langsam, und braucht ein wenig, um in Fahrt zu kommen, zieht aber besonders in der zweiten Spielhälfte an. Besonders gut gefällt mir, dass es neben Marona und Ash nun auch eine ganze Reihe von einzigartigen Charakteren gibt, die uns begleiten. Der 3D-Cel-Shading-Look des Spiels ist schick, auch wenn die Switch leider nicht immer die dreißig Frames halten kann und im technischen Aspekt ein wenig abfällt. Hier hätte ich mir schon eine etwas bessere technische Umsetzung gewünscht. Phantom Brave: The Lost Hero kann ich jedoch definitiv jedem Fan von Strategie-Rollenspielen nur ans Herz legen, auch wenn sich diese darauf einstellen müssen, dass die Spielsysteme wie typisch für einen Titel von Nippon Ichi Software etwas komplex sind und vielleicht am Anfang etwas überfordern können.