Sword of the Vagrant – TEST
Über sechs Jahre nach der Erstveröffentlichung für PC ist das 2D-Action-Rollenspiel The Vagrant unter dem Titel Sword of the Vagrant für Nintendo Switch erschienen. Das Fantasy-Abenteuer von Söldnerin Vivian erinnert nicht nur optisch an Odin Sphere und Muramasa: The Demon Blade von Vanillaware.
Ein aufwendiger, detailreicher Zeichenstil und 2D-Action-Rollenspiel-Gameplay treffen auf eine interessante Fantasy-Story und rasante Kämpfe. Diese Beschreibung trifft eindeutig auf Vanillawares ursprünglich 2007 für PlayStation 2 veröffentlichtes Odin Sphere zu. Aber genauso lässt sich Sword of the Vagrant zusammenfassen. Es ist mehr als offensichtlich, an welchem Titel sich Entwicklerstudio O.T.K. Games beim ursprünglich als The Vagrant für PC veröffentlichten Action-Rollenspiel orientiert hat. Optisch und spielerisch geht Sword of the Vagrant genau in dieselbe Richtung wie Odin Sphere, ohne die Qualität des Vorbilds zu erreichen. Notwendig ist das aber auch gar nicht, da Sword of the Vagrant eigenständig genug ist, um für sich zu stehen und zugleich ein wirklich gelungener Genre-Vertreter.
Schicksalhaftes Abenteuer
In Sword of the Vagrant schlüpfen wir in die Rolle der Söldnerin Vivian. Als Runewarden sind wir eine besonders Kriegerin, die ihre Waffen und Ausrüstung mit Runen verstärkt. Gleichzeitig werden wir aber von der mächtigen Akademie der Magier als Kriminelle behandelt. Deshalb verbirgt Vivian ihre wahre Identität, als sie auf ihrer Reise plötzlich Schiffbruch erleidet. Im Anschluss überschlagen sich die Ereignisse und wir sind gezwungen, mit der zwielichtigen Akademie-Magierin Holborn zusammenzuarbeiten. Gleichzeitig versuchen wir mehr über unser eigenes Schicksal zu erfahren.
Die linear erzählte Geschichte versteht es, mit einigen gelungenen Wendungen ausreichend Spannung aufzubauen, um uns immer wieder aufs Neue zum Weiterspielen zu motivieren. Schon nach kurzer Zeit wollen wir wissen, was Vivian erwartet und wie ihr Abenteuer endet. Daran kann auch die manchmal etwas wirre Erzählweise wenig ändern. Zumal die Geschichte regelmäßig mit schön gezeichneten Zwischensequenzen angereichert ist. Die meisten der lediglich mit kleinen Soundschnipseln vertonten Gespräche sind jedoch direkt in der nicht weniger schicken und detailreich gezeichneten Spielgrafik gehalten. Ordentlich geschriebene, englische Texte vermitteln uns die Dialoge und verleihen den Charakteren ausreichend Tiefe.
Kampfstarke Söldnerin
Beim Gameplay setzt Sword of the Vagrant vorwiegend auf reichlich Kämpfe. Als Vivian durchstreifen wir in der 2D-Seitenansicht die wunderschön gezeichneten, abwechslungsreichen Umgebungen. Dabei sind stets unterschiedlich große Abschnitte miteinander verbunden und ergeben gemeinsam mehrere große Gebiete. Oftmals lohnt es sich, genau zu erkunden, da wir Truhen oder sogar versteckte Wege entdecken können. Auf diese Weise finden wir neue Ausrüstung oder sogar besondere Gegenstände, die es uns ermöglichen unseren Fähigkeitenbaum weiter auszubauen oder uns neue Skills bescheren. Doch wie erwähnt, muss sich Vivian stets gegen vielseitige Feinde zur Wehr setzen. Von Wölfen und Wildschweinen über Skelette und Geister bis zu riesigen Dämonen wird reichlich Abwechslung bei den Gegnern geboten. Besonders die Bosskämpfe stechen hier designtechnisch hervor.
Die Kämpfe an sich fallen relativ simpel aus. Wir können schnelle und schwere Angriffe zu einfachen Combos verbinden. Zusätzlich dürfen wir bis zu vier Skills ausrüsten. Solange unsere Wutleiste voll genug ist, dürfen wir diese besonderen Angriffe jederzeit einsetzen. Meist bedeuten die hohen Wutkosten jedoch, dass nur ein Skill verwendet werden kann, bevor wir unsere Wut wieder steigern müssen, in dem wir mit normalen Attacken auf Gegner eindreschen. Zusätzlich dürfen wir ausweichen und heilen uns mittels Tränken. Viel mehr gibt das Kampfsystem nicht her. Aber das ist auch gar nicht erforderlich, da die Auseinandersetzungen angenehm kurzweilig, rasant und actionreich sind. Lediglich manchmal hatten wir das Gefühl, zu eingeschränkt zu sein, um Schaden zu vermeiden. Gerade bei Bossen kann das zu Frust führen. Daran ändert auch die Schwierigkeitsgradeinstellung wenig, da Sword of the Vagrant bereits auf Normal teilweise recht knackig ausfallen kann. Am grundlegenden Spielspaß ändert das aber nichts, im Gegenteil. Trotz manchmal fordernder Momente waren wir immer motiviert, weiterzuspielen und uns Gegnern wie Bossen zu stellen.
Wertvolles Mana und Gold
Auf ein klassisches Levelsystem mit Erfahrungspunkten verzichtet Sword of the Vagrant allerdings. Stattdessen erhalten wir für jeden besiegten Gegner Mana, das in Form von Kristallen, die Gegner hinterlassen, dargestellt wird. Mana benötigen wir, um im recht verzweigten Fähigkeitenbaum neue Fähigkeiten zu erlernen. Hier erhöhen wir unsere Lebenspunkte, steigern unseren Attackenwert oder verbessern unsere Verteidigung. Zudem können wir die Wutkosten von Skills senken, neue Combos lernen oder nützliche Fähigkeiten wie einen Doppelsprung freischalten. Da die Kosten recht hoch ausfallen können, will gut überlegt sein, worin wir unser Mana investieren. Wollen wir wirklich alle Fähigkeiten freischalten, werden wir aber nicht um reichlich Gegner bekämpfen und Grinden herumkommen.
Gefördert wird das noch davon, dass wir Mana auch dafür benötigen, um unsere Schwerter und Rüstungen zu verbessern. Da Sword of the Vagrant auf Levelaufstiege verzichtet, sind die beiden Ausrüstungsgegenstände sowie das anlegbare Accessoire essenziell, um abseits des Fähigkeitenbaums unsere Attribute zu verbessern und Vivian anzupassen. Schwerter erhöhen unsere Attacke, Rüstung gewährt uns mehr Verteidigung und Accessoires haben besondere Effekte. Schwerter und Rüstungen haben fünf Ränge. Je höher der Rang, desto höher der jeweilige Attributwert. Im Menü dürfen wir Schwerter und Rüstungen jederzeit verbessern, das kostet allerdings Mana, das uns anschließend natürlich im Fähigkeitenbaum fehlt. Erneut müssen wir gut überlegen, welches Ausrüstungsstück wir aufwerten oder ob wir unser Mana lieber für neue Fähigkeitsverbesserungen aufheben. Das ist wirklich reizvoll, zeigt aber auch, wie wichtig es ist, Gegner zu besiegen und Manakristalle aus Truhen und zerstörbaren Objekten wie Krügen oder Kisten einzusammeln.
Mächtige Runen
Zusätzlich dürfen wir jedes Schwert und jede Rüstung mit bis zu vier Runen versehen. Die Fassungen dafür schalten wir mit Verbesserung der Ränge frei. Welche Boni Runen gewähren, ist recht unterschiedlich. Von höherem kritischen Schaden über mehr Lebenspunkte bis zu Immunitäten ist vieles vertreten. Allerdings sind Runen relativ selten, weshalb wir uns gut überlegen müssen, welcher Ausrüstungsgegenstand welche Rune erhält. Manche Schwerter und Rüstungen haben auch bereits Runen integriert. Neue Ausrüstung können wir im Übrigen nicht nur finden, sondern auch bei Händlern kaufen. Selbiges gilt für Tränke und Zutaten. Letztere benötigen wir, um bereits erlernte Rezepte an Lagerfeuern zu kochen. Außerdem dürfen wir genauso wie an Steinplatten, die auch als Schnellreisepunkte dienen, speichern.
Wie bereits erwähnt, überzeugt Sword of the Vagrant mit einem schönen 2D-Grafikstil. Die gezeichneten Umgebungen und Charaktere sind detailreich und wissen auch bei den Animationen zu überzeugen. Ob die Figurendesigns durchgängig zu gefallen wissen, ist sicherlich Geschmacksache, doch für Vivian gibt es neben ihrem sehr leicht bekleideten Bikini-Standard-Outfit noch eine alternative Kleidung. Diese kann über das Optionsmenü aktiviert werden. Eine schöne Ergänzung für all jene, die nichts mit einer knapp bekleideten Söldnerin anfangen können. Kleinere Performance-Probleme trüben leider den sonst guten grafischen Eindruck von Sword of the Vagrant. Besonders am Fernseher, aber gelegentlich auch im Handheld-Modus, kann die Bildwiederholungsrate spürbar schwanken. Allerdings tritt das nicht so häufig oder in einem Maße auf, dass es uns gestört hätte. Zumal das Action-Rollenspiel nicht nur optisch überzeugt, sondern der Spielspaß auch von einer schön düsteren Dark-Fantasy-Atmosphäre sowie dem abwechslungsreichen Soundtrack unterstützt wird. Die Musikuntermalung hat uns immer wieder überrascht. Mal wird auf schaurige Klänge, mal auf knalligen Rock und mal auf elektronische Töne gesetzt. Stets passen die Lieder zum jeweiligen Ort und unterstreichen die gelungene Atmosphäre. Eine tolle Abrundung für ein mit etwa sechs bis zehn Stunden Spielzeit etwas kleines und sicherlich nicht perfektes, aber unterhaltsames 2D-Action-Rollenspiel.
Geschrieben von Alexander Geisler
Fazit:
Odin Sphere habe ich in der Leifthrasir-Neuauflage auf der PlayStation 4 vor einigen Jahren wieder mit großer Begeisterung gespielt. Auch Muramasa: The Demon Blade oder das zwar etwas andere, aber trotzdem ähnliche Dragon’s Crown sind großartige 2D-Action-Rollenspiele. Sword of the Vagrant hat mich sofort an die genannten Titel von Vanillaware erinnert. Zwar erreicht O.T.K. Games nie ganz die Qualität der offensichtlichen Vorbilder, schafft es aber, mit ausreichend eigener Identität, interessanter Geschichte, gelungener Hauptfigur und spaßigem Gameplay zu überzeugen. Tatsächlich hat mich Sword of the Vagrant schon nach kurzer Zeit nicht mehr losgelassen und ich habe mich dabei erwischt, wesentlich mehr Zeit am Stück zu spielen als ursprünglich geplant. Das simple, aber gelungene Kampfsystem ist angenehm actionreich, die Rollenspielmechaniken ohne Erfahrungspunkte funktionieren und selbst die Limitierung meiner Manakristalle hat mich nie gestört. Allerdings sollte jedem bewusst sein, dass Sword of the Vagrant mit etwa sieben bis acht Stunden, beziehungsweise bis zu knapp zehn Stunden, wenn ihr wirklich alles sehen wollte, für das Genre eher kurz ist. Gerade das hat mir aber auch gefallen, da sich das Gameplay so nie abnutzt. Deshalb kann ich Sword of the Vagrant auch jedem Genre-Fan, der etwas Kleineres für zwischendurch sucht, bedenkenlos empfehlen.