Tchia – TEST

Nachdem Tchia bereits 2023 für PC und die PlayStation-Konsolen erschienen ist, haben Kepler Interactive und das kleine Indie-Studio Awaceb das Action-Adventure Ende Juni auch für die Nintendo Switch veröffentlicht. Die titelgebende Protagonistin begibt sich in Tchia in einer von Neukaledonien inspirierten Spielwelt auf die Suche nach ihrem entführten Vater und versucht den fiesen Meavora aufzuhalten.


Wie erwähnt, ist Tchia von Neukaledonien inspiriert. Sowohl Mythen, Legenden, Historie als auch Landschaft der Inselgruppe östlich von Australien, hatten Einfluss auf das Action-Adventure. Entsprechend ist die Sprachausgabe in den Sprachen Neukaledoniens gehalten. Eine direkte Umsetzung der Heimat der Gründer von Entwicklerstudio Awaceb will Tchia aber nicht sein. Vielmehr erzählt das Action-Adventure eine Geschichte in einer fiktiven, von Neukaledonien inspirierten Welt. Dabei erinnert das Abenteuer der titelgebenden Protagonistin an die The-Legend-of-Zelda-Spiele. Insbesondere The Legend of Zelda: The Wind Waker und The Legend of Zelda: Breath of the Wild waren Vorbilder für das Open-World-Action-Adventure. Zugleich verströmt Tchia viel eigenständigen Charme und fasziniert mit der wunderschönen Spielwelt. Beim Gameplay und Spielablauf zeigen sich allerdings ein paar Schwächen.

Ernste Idylle

In den ersten Minuten wirkt Tchia wie ein entspanntes, fröhliches Wohlfühl–Spiel. Die zwölfjährige Protagonistin verbringt gemeinsam mit ihrem Vater ihren Geburtstag. Kurz darauf erhalten sie auf ihrer Insel, auf der sie nur zu zweit leben, Besuch vom Händler Tre. Doch schon am nächsten Tag ist es vorbei mit dem Frieden. Ein Hubschrauber landet und Tchias Vater wird von Pwi Dua, einem Handlanger des tyrannischen Meavora, entführt. Bei dem Versuch, ihren Vater zu retten, leuchten Tchias Augen grün und sie verwandelt sich in Pwi Duas Machete und verletzt ihn damit. Befreien kann sie ihren Vater nicht, sondern stürzt aus dem Hubschrauber ins Meer und wird von Tre gerettet. Es ist nun an Tchia, die Inseln zu bereisen, um ihren entführten Vater zu finden und Meavora aufzuhalten.

Obwohl die Geschichte nicht unbedingt frisch wirkt, versteht es die Handlung mit einigen überraschenden Wendungen und Ereignissen für Spannung zu sorgen. So schwankt Tchia immer wieder zwischen Idylle, Humor und erschreckend harten Szenen. Nicht selten setzt das Action-Adventure auf unerwartet schwarzen Humor, bringt uns zum Lachen nur um uns kurz darauf mit einer unerwartet heftigen Entwicklung zu schockieren. Hier zeigt sich wunderbar die Vielschichtigkeit und Abwechslung des Action-Adventures, das eindeutig von der malerischen offenen Spielwelt, der Geschichte und der Protagonistin Tchia lebt.

Malerische Inseln

Spätestens nachdem wir unsere Hauptaufgabe erhalten haben und mit unserem Floss frei über das Meer segeln dürfen, präsentiert sich die Inselwelt als wunderschön. Eine detailreiche Unterwasserwelt, zauberhafte Meeresdarstellung, zahlreiche Tiere, Pflanzen, Berge und mehr laden zum Erkunden und Verweilen ein. Oft fühlt sich Tchia regelrecht wie ein Abenteuerurlaub an. Zumal wir genauso wie in The Legend of Zelda: Breath of the Wild überall klettern dürfen. Solange unsere Ausdauer reicht, gelangen wir so an die unterschiedlichsten Orte. Auch tauchen können wir, um Perlen zu sammeln oder einfach nur die wunderschöne Unterwasserwelt zu bewundern.

Natürlich sind die Inseln auch bewohnt und wir begegnen überall verschiedenen Menschen. Das sorgt für noch mehr Leben in der Spielwelt, zumal sich die Dörfer und Städte teilweise spürbar unterscheiden und zwischen traditionell und modern schwanken. Ein schönes Detail, das viel zur Abwechslung von Tchia beiträgt. Getragen wird das Ganze von der stilvollen Comic-Grafik, die trotz den Einschränkungen der Switch im Vergleich mit anderen Systemen, mit malerischer Optik unser Abenteuer darstellt und zugleich weitaus aufwendigere Effekte bietet als es vielleicht anfangs scheint. Besonders Wasser und Licht können überzeugen. So wirkt ein Sonnenuntergang auf dem Meer magisch. Nur nachts wird es manchmal zu dunkel, so dass selbst die jederzeit verfügbare Taschenlampe kaum hilfreich ist. Das ist zwar Absicht, kann aber trotzdem etwas störend sein.

Magische Kontrolle

Allerdings ist Tchia keineswegs perfekt. Gerade bei den Quests verliert sich das Open-World-Action-Adventure in typischen Sammelaufgaben. So müssen wir auch um die Geschichte fortzusetzen bestimmte Gegenstände sammeln, um eine Audienz bei Meavora zu erhalten. Dazu gesellen sich zahlreiche Nebenbeschäftigungen wie Rennen oder Zielübungen mit unserer Schleuder. Haben wir einen der Aussichtspunkte aktiviert, füllt sich unsere Karte regelrecht mit Objekten. Das kann mitunter erschlagend sein und erinnert an einige Open-World-Spiele von Ubisoft. Hier zeigen sich eindeutig die größten Schwächen von Tchia. Zum Glück werden diese von einigen weiteren Stärken ausgeglichen. So überzeugt das Action-Adventure etwa mit einigen kreativen Bewegungsmöglichkeiten. Ist der Gleitschirm noch Genre-Standard, wird es schon spannender, wenn wir einen Baum hochklettern und uns mit Schwung katapultartig von der Spitze wegschleudern. Das ist derart spaßig, dass wir es immer wieder nutzen.

Zusätzlich kann Tchia ihre magischen Fähigkeiten einsetzen, um sich in so gut wie alles zu verwandeln. Dabei ist der Begriff „Verwandeln“ eigentlich nicht korrekt. Vielmehr schlüpft Tchia mit ihrer Seelenwanderung in andere Objekte und Lebewesen. Auf diese Weise können wir etwa die Kontrolle über eine Kokosnuss, einen Stein, einen Benzinkanister und andere Gegenstände übernehmen. Auch schlüpfen wir in die Gestalt von Vögeln, um höher gelegene Orte zu erreichen und schwimmen geschwind als Delfin durchs Meer. Auch dürfen wir Gegenstände mittels Seelenwurf von uns schleudern. Das ist besonders hilfreich, wenn wir feindliche Lager mit Handlangern von Meavora entdecken und zerstören müssen, kann die eher langweiligen und etwas zähen Kämpfe aber nur minimal aufwerten. Die Möglichkeiten der Seelenwanderung sind riesig, aber auch begrenzt. Nur solange Tchias magische Energie anhält, können wir in einer anderen Gestalt bleiben. Sind unsere Kräfte anfangs noch gering, wachsen sie mit der Zeit. Ähnliches gilt auch für Tchias Ausdauer oder ihren Atem fürs Tauchen.

Melodische Veränderungen

Zusätzlich lassen sich Tchias Werte bei Kletterausdauer, Atemdauer, Sturzresistenz und Gesamtausdauer auch über die Kleidung der Protagonistin beeinflussen. Regelmäßig erhalten wir neue Kleider, T-Shirts, Hosen, Schuhe, Kopfbedeckungen, Accessoires, Frisuren, Gesichtsbemalungen und mehr, die jeweils eines der Attribute beeinflussen. Doch keine Sorge. Auch wenn es manchmal sinnvoll ist bestimmte Kleidung zu tragen, können wir auch aus rein optischen Blickwinkeln entscheiden, da die Kombination aus verschiedenen Teilen oft ausreichend Vorteile in allen Kategorien bietet. Allgemein möchte Tchia uns das Action-Adventure nach unseren Wünschen erleben lassen. Deshalb ist der Schwierigkeitsgrad auch eher gering, aber nicht anspruchslos. Zudem finden sich einige Hilfsfunktionen. So dürfen wir ganze Spielabschnitte auf Wunsch überspringen oder aber beim Spielen von Musikinstrumenten auf einen automatischen Modus wechseln. Nur wenn wir unsere Ukulele wie Link in The Legend of Zelda: The Wind Waker seinen magischen Dirigentenstab nutzen, um Seelenmelodien zu spielen, müssen wir die vier Noten selbst eingeben. Das ist allerdings simpel. Mit den Seelenmelodien dürfen wir unter anderem die Tageszeit verändern.

Spielerisch mag Tchia manchmal etwas unrund oder zu anspruchslos wirken, das wird aber von der zauberhaften Präsentation und der durchaus spannenden und überraschenden Geschichte ausgeglichen. Zudem trumpft das Action-Adventure mit viel Charme auf. Tchia ist eine wirklich liebenswerte Protagonistin und die Spielwelt verzaubert mit ihren idyllischen Inseln und Meeren. Umso besser ist es, dass die stilvolle Comic-Grafik auf der Switch trotz systembedingter Abstriche noch immer überzeugen kann. Begleitet wird das Abenteuer von einem stimmungsvollen, wunderschönen Soundtrack, der sehr gut zum Setting passt und maßgeblich zur Atmosphäre beiträgt. Abgerundet wird Tchia von der sehr guten Synchronisation und den gelungenen deutschen Texten.

Geschrieben von Alexander Geisler

Fazit:

Tchia lebt vor allem von der faszinierenden und malerischen Spielwelt. Die Inseln sind lebendig und wunderschön gestaltet und laden zum Erkunden und verweilen ein. Außerdem hat mich das Action-Adventure trotz der altbekannten Ausgangslage immer wieder mit der Geschichte überrascht. Gerade den schwarzen Humor und die teils schockierenden Ereignisse habe ich nicht erwartet. Hier zeigt Tchia, dass in dem Action-Adventure mehr steckt als nur ein Wohlfühl-Spiel. Allerdings kann das Gameplay nicht vollends überzeugen. Gerade die Kämpfe sind etwas zu unspektakulär und leicht. Auch die Sammelwut der offenen Spielwelt zerren spürbar am Spielspaß. Zudem lässt das Abenteuer zum Ende etwas nach. Dafür weiß besonders der Seelensprung mit all seinen Möglichkeiten zu überzeugen. Die Schwächen gleicht das zwar nicht komplett aus, trotzdem ist Tchia ein gelungenes Action-Adventure und versteht für die rund zwölf bis fünfzehn Stunden lange Geschichte zu unterhalten. Genre-Fans, die das Szenario anspricht, sollten Tchia unbedingt eine Chance geben.