Tombi! – Special Edition – TEST

Manchen Entwicklerstudios ist es nicht vergönnt, lange Zeit in der Branche zu bestehen. Nach nur drei Jahren und zwei Spielen war Whoopee Camp Geschichte. Das Erstlingswerk Tombi! von 1997 lässt uns die Aufbruchstimmung auf der Switch in der Special Edition nacherleben.


Erinnern wir uns an die späten 1990er-Jahre, so denken wir gleich an den Konsolenkrieg zwischen Nintendo, Sony und Sega. Während Sega zumindest auf dem Konsolenmarkt mehr und mehr im Begriff war, in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden, musste Nintendo um jeden Dritthersteller kämpfen. Die PlayStation bot alleine aufgrund der Tatsache, dass alle Titel auf Disc und nicht wie bei Nintendo auf speicherplatzarmen Cartridges erschienen, einen wesentlichen Vorteil. Durch die kostengünstigere Produktion von Videospielen gewann die PlayStation rasch an Beliebtheit bei Drittherstellern. Kunden freute es, dass die Auswahl an Spielen deutlich diverser ausfiel als auf dem Nintendo 64.

Auch wenn wir es uns in Anblick des wöchentlich anwachsenden Datenmülls im Switch eShop schon ein wenig verkneifen müssen, den Begriff „Schrott“ auf einen großen Teil des Angebots auf der ersten PlayStation in den Mund zu nehmen, trifft diese Bezeichnung definitiv nicht auf Tombi! zu. Es ist ein Spiel, das in einer Ära entstand, in der sich Entwickler kreativ austoben und unverbrauchte Szenarien auf die Mattscheibe zaubern konnten. Heutzutage würde wohl kaum jemand auf die Idee kommen, ein Wolfskind auf geldgierige Schweine loszulassen, nur weil diese offenbar das Armband des Großvaters gestohlen haben. Tombi! ist anders, aber doch sehr bodenständig.

Fairness trotz fieser Spielpassagen

Wie angedeutet schlüpfen wir in die Haut des titelgebenden Wolfskindes und machen uns in zweidimensionalen Ebenen, die sich mit dreidimensionalen Arealen mischen, auf die Suche nach dem Armband. Hierbei laufen und springen wir durch Wälder sowie Höhlen und legen uns mit Schweinen, Vögeln, Riesenraupen und anderem Getier an. Unachtsame Tiere können wir packen, indem wir uns per Sprung auf sie stürzen. Angriffslustige Gegner lassen sich aber nicht so einfach aus dem Verkehr ziehen. Hierfür packen wir unsern Totschläger aus und greifen im Nahkampf an. Später kommen weitere Waffen wie ein Bumerang hinzu, wodurch sich die Auseinandersetzungen zumindest leicht abwechslungsreich spielen.

Gehen wir ruhig an die Sache heran, gibt es in den Kämpfen kaum Probleme. Diese treten erst in Situationen auf, in denen die Levelarchitektur verwinkelter ausfällt. Hier kann es schnell passieren, dass wir von einem Feind in eine mit Stacheln übersäte Grube gestoßen werden und beim Herausklettern direkt den nächsten Schadenspunkt von einem Gegner in der Nähe kassieren. Da die Lebensenergie arg begrenzt ist, führt das häufig zum Verlust eines Versuchs. Tombi! ist jedoch trotz seines Alters fair, denn jedes Mal werden wir nur an den Anfang des jeweiligen Teilbereichs zurückgesetzt. Darüber hinaus verlieren wir niemals Fortschritt wie gesammelte Items.

Früher Metroidvania-Vertreter

Neben den brachialen Kämpfen gehört die motivierende Erkundung zur essentiellen Spielerfahrung. Die meisten Spielabschnitte fallen nach heutigen Maßstäben zwar überschaubar aus, bieten aber dennoch genügend Geheimnisse, die wir lüften können. Hierzu ist es jedoch oft nötig, im Spiel erst einmal voranzukommen. Bestimmte Truhen lassen sich beispielsweise nur öffnen, wenn wir einen bestimmten Schlüssel gefunden haben. An anderen Stellen ist es zum Teil sogar nötig, besondere Items wie einen Regenschirm einzusetzen, damit wir die andere Seite eines Abgrunds erreichen können. Tombi! lässt sich damit durchaus als einer der ersten Vertreter des Metroidvania-Subgenres bezeichnen, auch wenn die Anleihen verhältnismäßig in geringer Intensität auftreten.

Definitiv macht die Erkundung Spaß, was vor allem auch an der Kletterfähigkeit des Protagonisten liegt. Steile Wände lassen sich problemlos erklimmen. Dennoch ist das Spiel in dieser Disziplin nicht makellos. Das liegt vor allem daran, dass die Wegführung zum nächsten Ziel quasi nicht existiert. Obwohl die Levels recht linear ausfallen, können wir hier und da kleine Bereiche übersehen, die aber elementar zum Vorankommen sind. Beispielsweise müssen wir zu Beginn des Spiels sieben erwachsene Zwerge und ein Zwergenkind aufspüren. Questmarker gibt es nicht – und das Kind ist durchaus gut versteckt.

Angenehmer Komfort als Gegenmaßnahme

Viel gravierender fällt in Tombi! die gewöhnungsbedürftige und nicht programmierbare Steuerung aus. Hüpfen wir mit Tombi, fühlt sich der Sprung unfassbar empfindlich an. Oft genug kommt es vor, dass wir gerade Stangen zum Festhalten nicht greifen können, da die Spielfigur knapp daneben springt. Seltsam mutet es auch an, dass wir im Menü den A-Knopf zum Abbrechen und den B-Knopf zum Bestätigen drücken müssen, beim Speichern die Funktion aber genau umgekehrt ist. Hier hätten wir bei der Neuauflage, die sich Special Edition schimpft, ein wenig mehr Liebe gewünscht. Dafür können wir in der Sonderausgabe jederzeit speichern oder einen Spielstand laden.

Ebenfalls ist es möglich, das Geschehen ein paar Sekunden zurückzuspulen und einen Filter über die Grafik zu legen, die eine Kathodenstrahlröhre simulieren soll. Über das Hauptmenü haben wir zudem die Option, zwischen dem originalen Soundtrack und dessen Überarbeitung zu wechseln. Als besonderes Schmankerl können wir im Museum genannten Bereich des Hauptmenüs hochauflösende Artworks zum Spiel bewundern – inklusive Zoom-Funktion. Am besten gefallen uns aber die Video-Interviews, in denen mit Tokurō Fujiwara und Co die originalen Spieldesigner zu Wort kommen. Schade, dass die Untertitel hierbei nur auf Englisch vorliegen. Der Rest des Spiels ist aber komplett auf Deutsch enthalten – inklusive der alten deutschen Rechtschreibung, die den Nostalgietrip komplettiert.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Tombi! ist eines der Videospiele, die ich über die Jahre immer mal wieder als Geheimtipp gehört, mich aber nie intensiv genug damit auseinandergesetzt habe. Ein schwerer Fehler, wie mir scheint, denn das Abenteuer ist wirklich einen Blick wert. Eine absurde Story, ein abgedrehtes Setting und alberne Moves in den Kämpfen machen den Titel zu einer einzigartigen Mischung, die in puncto Gameplay trotzdem bodenständig bleibt. Ich erfülle Aufträge für die illustren Bewohner der Spielwelt, lege mich mit allerhand Gegnern an und erkunde immer mehr die Spielwelt, die sich mit neuen Items peu à peu öffnet. Überwiegend macht mir das Spiel mit seinem actionreichen Ansatz und der motivierenden Erkundung Spaß, doch hätte ich mir für die Neuauflage gewünscht, dass ein wenig die Stellschrauben an der überempfindlichen Steuerung angelegt worden wären. Ebenso ärgert es mich, dass ich manchmal ein verstecktes Areal nicht finde und dutzende Male daran vorbeilaufe, obwohl dies für den Handlungsverlauf unumgänglich ist. Nachträglich eingefügte Questmarker hätten Wunder bewirkt, doch hätte dies der ganzen Notalgie einen herben Dämpfer verpasst. Das Problem tangiert damit aber sicherlich nicht jeden Spieler. Wollt ihr ein kreatives Abenteuer reich an liebevollen Ideen aus den späten 1990er-Jahren nachholen, solltet ihr der Special Edition von Tombi! eine Chance geben.