
Citizen Sleeper 2: Starward Vector – TEST
Ein fremder Körper, ein gestohlenes Leben und ein Raumschiff, das kaum zusammenhält – Citizen Sleeper 2: Starward Vector wirft uns in eine kaputte Zukunft, in der Entscheidungen überleben oder untergehen bedeuten. Dieses düstere Science-Fiction-Abenteuer setzt auf starke Texte, eine clevere Würfelmechanik mit spannenden Push-your-luck-Momenten und spannende Wendungen.
Im Zentrum unserer Reise steht ein sogenannter Sleeper, ein künstlicher Körper mit digitalem Bewusstsein, der sich aus der Kontrolle eines Konzerns befreien konnte. Wir fliehen an Bord eines maroden Schiffs in den Starward-Gürtel, ein chaotisches Asteroidenfeld voller Gefahren, Fraktionen und Möglichkeiten. Jeder neue Ort bringt eigene Charaktere, Geschichten und Chancen. Alles ist in klarem, poetischem Text erzählt – mit so viel Gefühl und Tiefe, dass wir uns oft dabei erwischen, laut mitzulesen. Keine Sprachausgabe, keine Animationen, nur Worte und Musik – und trotzdem entsteht eine dichte Welt, in der jede Entscheidung Gewicht hat.
Citizen Sleeper 2 ist vollständig auf Englisch verfasst – Sprachausgabe gibt es keine, nur Text. Der ist zwar hervorragend geschrieben und transportiert viel Atmosphäre, doch wer nicht sicher im Englischen ist, wird hier kaum Freude haben. Die Entscheidungen, die wir treffen, hängen manchmal an Nuancen im Ausdruck. Auch Tutorials und Beschreibungen sind praktisch rein textbasiert. Eine fehlende Lokalisierung ist bedauerlich, gerade weil die erzählerische Dichte einen zentralen Reiz des Spiels ausmacht. Ohne Sprachkenntnisse bleibt dieses Erlebnis verschlossen – was schade ist, denn das Spiel hätte mehr Zugänglichkeit verdient.
Risiko und Ressourcen
Jeder Tag beginnt mit einem Blick auf unsere zufällig geworfenen Würfel. Diese repräsentieren die Energie und Stabilität unseres Körpers. Hohe Werte ermöglichen sichere Aktionen, niedrige dagegen bergen Risiken. Wir entscheiden, ob wir Vorräte sammeln, neue Freunde suchen oder einen Auftrag annehmen. Alles kostet Würfel – und jede Aktion hat Konsequenzen. Manche Aufgaben gelingen nur bei bestimmten Werten, andere lassen sich mehrfach wiederholen. Je mehr Stress wir ansammeln, desto eher erscheinen defekte Würfel. Das System zwingt uns, klug zu planen, Risiken einzugehen und im Zweifel loszulassen. Genau daraus entstehen oft die spannendsten Geschichten, weil Scheitern genauso Teil des Spiels ist wie Erfolg.
Mit jedem Zyklus wachsen wir in die Welt hinein. Wir lernen, mit der Steuerung und der Kartenstruktur umzugehen, wählen gezielter unsere Routen und achten auf Zähler, Fristen und Ressourcen. Aufträge laufen über mehrere Tage, Crewmitglieder helfen uns dabei, bestimmte Schritte zu erfüllen. Oft entscheiden wir unterwegs, ob wir hart durchgreifen, diplomatisch bleiben oder unsere eigenen Werte verraten. Die Konsequenzen lassen nicht lange auf sich warten. Besonders stark ist, wie die Geschichten verzweigen – wir glauben tatsächlich, Einfluss auf Verlauf und Ende zu haben. Die Texte überraschen immer wieder, sowohl in der Sprache als auch in den Themen.
Stil statt Spektakel
Optisch bleibt Citizen Sleeper 2 minimalistisch, aber stimmungsvoll. Klare Linien, kontrastreiche Farben und stilisierte Porträts reichen aus, um eine Welt voller Brüche und Sehnsucht zu zeichnen. Der Soundtrack tut sein Übriges: Sanfte Ambient-Stücke, synthetische Klänge und dezente Beats tragen jede Szene. Ob Hoffnung, Anspannung oder Isolation – alles wird durch Musik und Text getragen. Technisch läuft das Spiel auf der Switch stabil. Nur wenn zu viele Elemente gleichzeitig sichtbar sind, merkt man kleine Ruckler. Insgesamt wirkt alles durchdacht, wenn auch zurückhaltend. Wer visuelle Reize sucht, wird enttäuscht. Wer lesen, denken und atmosphärisch eintauchen will, kommt hier voll auf seine Kosten.
Geschrieben von Arne Ruddat
Fazit:
Ich habe selten ein Spiel erlebt, das so konsequent mit Sprache arbeitet wie Citizen Sleeper 2. Die Texte sind kunstvoll, die Struktur durchdacht, die Entscheidungen schwerwiegend. Die Würfelmechanik ist mehr als ein Gimmick – sie bringt echte Spannung ins Geschehen. Wessen Würfel wir wo einsetzen, kann über Gewinn und Verlust entscheiden. Jeder Zyklus fühlt sich wie ein neues Kapitel an, in dem vieles auf dem Spiel stehen kann. Begleitend passen Soundeffekte und Musik super zu einem Spiel wie diesem. Ätherische Klänge und Action-Sounds: alles sehr stimmig. Wer sich auf Text, Taktik und eine düstere Zukunft einlassen kann, wird hier etwas wirklich Besonderes erleben.