Die Trails-Serie: Ein Überblick über die ambitionierteste japanische Rollenspiel-Reihe – SPECIAL

Am 24. Juni feiert Nihon Falcoms langlebige Trails-Serie ihren nunmehr zwanzigsten Geburtstag. Die Rollenspielserie, welche damals mit The Legend of Heroes: Trails in the Sky begann, ist über die Jahre zu einer sehr umfangreichen Serie von mittlerweile zwölf größtenteils ins Englische übersetzte Spiele angewachsen. Noch dieses Jahr erscheint mit Kai no Kiseki der dreizehnte Teil der Reihe in Japan. Wir nehmen uns das Jubiläum der Reihe nun zum Anlass, diese besondere Rollenspiel-Serie in einem Special einmal genauer vorzustellen und auch Neulingen einen Einstieg in diese einzigartige Serie zu ermöglichen.


Ambitionierte Spielserien mit übergreifenden Handlungssträngen und detailliert gestalteten Welten gibt es im Rollenspielgenre viele. Auch wenn hauptsächlich westliche Serien wie The Witcher, Elder Scrolls oder Baldur’s Gate für komplexes Worldbuilding und hunderte Seiten Text bekannt sind, gibt es auch eine ganze Reihe japanischer Rollenspielserien, die sich daran versuchen. Man denke nur an Konamis Suikoden-Reihe oder die mehr oder weniger eng zusammenhängende Xeno-Reihe, darunter ganz besonders Xenosaga und Xenogears. Eine Serie hat es allerdings geschafft, seit nunmehr 20 Jahren langsam eine dermaßen komplexe und detaillierte Welt zu erschaffen, dass sie durchaus in einem Atemzug mit den großen Serien aus der westlichen Welt genannt werden kann. Die Rede ist von der Trails-Reihe des japanischen Spieleentwicklers Nihon Falcom. Nihon Falcom war westlichen Spielern hauptsächlich durch die Action-Rollenspiel-Serie Ys bekannt, die Trails-Serie schaffte es allerdings über die Jahre, von der Beliebtheit her mit den Abenteuern des rothaarigen Schwertkämpfers Adol Christin gleichauf zu ziehen.

Während die einzelnen Ys-Spiele jedoch in sich abgeschlossene Geschichten sind, ist ein Einstieg trotz wiederkehrender Charaktere ohne Probleme möglich. Dadurch können auch Neueinsteiger beispielsweise bei Ys VIII: Lacrimosa of Dana einsteigen, ohne auch nur einen einzigen anderen Teil der Reihe vorher gespielt zu haben. Bei der Trails-Reihe sieht dies hingegen anders aus. Das Besondere an dieser Serie ist, dass alle Spiele an verschiedenen Orten in ein und derselben, sehr detailliert ausgearbeiteten Welt spielen, wobei die Charaktere aus den unterschiedlichen Spielen auch immer wieder in anderen Teilen auftauchen oder zumindest erwähnt werden. Aus diesem Grund lässt sich das Ganze aufgrund der vielen Gastauftritte sowie zahlreicher Verweise untereinander am ehesten mit Marvels Kinofilm-Universum vergleichen. Verwirrend für Neulinge dürfte dabei zudem der Umstand sein, dass sich die Trails-Reihe wiederum in verschiedene Unter-Serien aufteilt, welche wiederum größere Handlungsbögen innerhalb der ganzen Geschichte bilden. Ein weiterer Grund der angenommenen Unzugänglichkeit der Trails-Serie dürfte auch die zwar nachvollziehbare, aber auch etwas verwirrende Veröffentlichungspolitik im Westen sein. Wurden einige Teile der Serie aufgrund des wahnsinnig hohen Textanteils der Spiele zunächst gar nicht übersetzt, trudeln die Spiele nun gefühlt im Halbjahreszyklus ein, und das auch noch in der falschen Reihenfolge. Bevor wir uns aber den Spielen im Einzelnen widmen, müssen wir uns zuerst einmal der zugegebenermaßen etwas verwirrenden Geschichte und Einordnung der Reihe in die Spiele von Falcom widmen.

Verwirrende Ursprünge: Dragon Slayer, The Legend of Heroes und die Trails-Reihe

Die Trails-Reihe (oder auf japanisch „Kiseki-Reihe“) ist eigentlich ein Teil einer Serie mit dem für ein Rollenspiel-Epos recht generisch anmutenden Titel The Legend of Heroes, die, um die Verwirrung nun komplett zu machen, in den späten 1980er Jahren wiederum als ein Teil der Dragon-Slayer-Serie begann. Die Spiele in der Dragon-Slayer-Serie sind recht lose miteinander verbunden und umfassen neben Rollenspielen auch zahlreiche Action-Adventures. Historisch wertvoll ist Dragon Slayer vor allem aus dem Aspekt, dass sie das Rollenspiel-Genre in Japan etablierte, noch bevor es dann durch die Dragon-Quest- und Final-Fantasy-Serien zu einem Rollenspiel-Boom kam. Außer Legend of Heroes sind andere mehr oder weniger bekannte Reihen, die als Teil der Dragon-Slayer-Reihe angesehen werden Xanadu (vor allem bekannt durch sein Spin-Off Faxanadu auf dem NES) und Sorcerian. Die The-Legend-of-Heroes-Reihe begann wie erwähnt auch als ein Teil von Dragon Slayer und etablierte sich dann über die Jahre als eigenständige Serie. Seit dem Erscheinen von The Legend of Heroes: Trails in the Sky im Jahr 2004 gehören alle danach veröffentlichten Teile zur Trails-Serie.

Heute umfasst die Serie insgesamt zwölf Spiele, von denen bis zum heutigen Datum zehn ins Englische übersetzt wurden. Der elfte Teil, Trails through Daybreak, erscheint am 5. Juli in übersetzter englischer Fassung unter anderem auch für die Nintendo Switch. Diese schiere Menge an Spielen, welche das Epos nun umfasst, ist auch mit Sicherheit einer der Gründe, warum neue Spieler die Serie als unzugänglich wahrnehmen. Immerhin reden wir hier von sehr langen japanischen Rollenspielen mit einer Spielzeit von jeweils um die 60 Stunden. Kein Wunder, dass sich manche Interessenten hier erst einmal verschreckt abwenden. Ein anderer Punkt ist auch, dass für die Switch nicht die komplette Reihe erschienen ist. Die drei Teile von Trails in the Sky sind noch auf keine moderne Konsole umgesetzt worden und können bis heute lediglich auf dem PC in vollständig übersetzter Version gespielt werden.

Ein komplexer Rollenspiel-Epos mit über einem Dutzend Spielen

Nachdem wir uns der zugegebenermaßen etwas verwirrenden Familiengeschichte und Veröffentlichungspolitik der Trails-Reihe gewidmet haben, können wir uns nun endlich den Spielen selbst zuwenden. Sämtliche Teile der Trails-Serie spielen dabei auf dem Fantasy-Kontinent Zemuria und dessen verschiedenen Reiche wie dem Königreich von Liberl, dem Stadtstaat von Crossbell, dem Imperium von Erebonia, der Republik von Calvard und anderen. Zemuria befindet sich in mitten einer technischen Revolution, bedingt durch die so genannte Orbal Energy, einer Art magischer Elektrizität, welche circa fünfzig Jahre vor Beginn von Trails in the Sky entdeckt wurde und das Leben der Menschen in vieler Hinsicht erleichtert. Aus diesem Grund finden sich in der Trails-Reihe auch viele moderne und fantastische Maschinen wie Mechas, Autos oder sogar Computer. Die Geschichte der Serie handelt oftmals von politischen Intrigen, dunklen Machenschaften und sozialer Ungleichheit innerhalb der Reiche. Spielerisch sind alle Teile der Reihe typisch japanische Rollenspiele mit unterschiedlichen, stark ausgeprägten Charakteren, rundenbasierten Kämpfen und einem Magie-System welches auf den Orbments basiert. Dies sind mit Orbal Energy gefüllte Kugeln, welche in Ausrüstungsgegenstände gesteckt werden und die Werte der Protagonisten verändern oder Magie und Spezialattacken beinhalten, nicht unähnlich dem Materia-System von Final Fantasy VII. Zudem führen die Spiele immer wieder neue Spielmechaniken ein. So gibt es in der Trails-of-Cold-Steel-Reihe beispielsweise Social-Events, wie sie in der Persona-Serie zu finden sind, oder die Möglichkeit, in ein Action-Kampfsystem umzuschalten, wie es die neue Trails-through-Daybreak-Reihe macht.

Die Einordnung der Spiele in die Serie ist eigentlich recht einfach und gar nicht so komplex wie erst einmal vermutet. Aufgeteilt ist die Serie nämlich in verschiedene Unter-Serien, welche unterschiedliche Handlungsbögen bilden, aber auch einen bestimmten Platz in der Zeitlinie der Reihe haben. Den Anfang bilden dabei die drei Teile von Trails in the Sky, danach folgen die zwei erst kürzlich unter anderem auf der Switch erschienen beiden Teile der Crossbell-Saga, nämlich Trails from Zero und Trails to Azure. Dann folgen schließlich die vier Teile der Trails-of-Cold-Steel-Reihe, innerhalb der Story Erebonia-Saga genannt. Das nun vorliegende Trails into Reverie spielt nach den Ereignissen von Trails of Cold Steel IV und bildet dabei sozusagen den Epilog der gesamten vorangegangenen Spiele. Wollt Ihr also die komplette Saga vom Anfang bis zum Ende spielen, ist die folgende Reihenfolge einzuhalten:

1. Trails in the Sky
2. Trails in the Sky SC
3. Trails in the Sky the 3rd
4. Trails from Zero
5. Trails to Azure
6. Trails of Cold Steel
7. Trails of Cold Steel II
8. Trails of Cold Steel III
9. Trails of Cold Steel IV
10. Trails into Reverie
11. Trails through Daybreak (erscheint am 05. Juli in englischer Übersetzung)
12. Trails through Daybreak II (bisher nur in Japan erschienen)
13. Kai no Kiseki (noch nicht erschienen)

Wie gesagt lassen sich diese Spiele in mehrere Handlungsbögen einteilen, die im Folgenden einmal kurz vorgestellt werden sollen.

Der Liberl-Handlungsbogen (Trails in the Sky, Trails in the Sky SC und Trails in the Sky 3rd)

Auf Englisch erhältlich für: PC (Steam und GOG), PlayStation Portable (nur Trails in the Sky)

Mit Trails in the Sky beginnt die komplette Serie. Hier nehmen ein paar Handlungsstränge ihren Anfang, welche auch in den neueren Spielen noch von Bedeutung sind und weitergesponnen werden. Wie der Name dieses Handlungsbogens andeutet, spielt der Hauptteil der drei Spiele in dem Königreich von Liberl, auch wenn die Protagonisten in andere Gebiete reisen. In den drei Trails-in-the-Sky-Spielen übernehmen wir die Rolle der jungen und recht ungestümen Estelle Bright, die gemeinsam mit ihrem Adoptivbruder Joshua der so genannten „Bracer-Guild“ beitritt, welche für Frieden im Land eintritt und Monster bekämpft. Auf ihrer Reise kommen die beiden Protagonisten nach und nach einer dunklen Verschwörung auf die Spur, welche das gesamte Königreich bedroht.

Der Crossbell-Handlungsbogen (Trails from Zero und Trails to Azure)

Auf Englisch erhältlich für: PC (Steam, GOG und Epic Game Store), PlayStation 4 und Nintendo Switch

Der Crossbell-Handlungsbogen besteht lediglich aus zwei Spielen: Trails from Zero und die direkte Fortsetzung Trails to Azure und beginnt nach den Ereignissen aus Trails in the Sky the 3rd. Die beiden Spiele entführen uns in den kleinen Stadtstaat Crossbell, der sich genau in der Mitte von mehreren mächtigen Reichen befindet und deshalb zum politischen Spielball zu werden droht. Die Geschichte ist dabei für ein japanisches Rollenspiel sehr lokal konzentriert und bietet im Vergleich zu anderen Teilen der Trails-Reihe eine kleinere Spielwelt. Als junger und ehrgeiziger Polizist Lloyd Bannings treten wir der sogenannten Special Support Section bei und erfahren mit unseren treuen Gefährten nach und nach von der düsteren Seite der Stadt, die von Korruption und dunklen Machenschaften zerfressen wird. Interessanterweise sind die Switch-Versionen der beiden Spiele grafisch der PlayStation-4-Version überlegen, da die Versionen auf Sonys Konsole auf älteren Versionen basieren.

Der Erebonia-Handlungsbogen (Trails of Cold Steel I-IV)

Auf Englisch erhältlich für: PC (Steam, GOG und Epic Game Store), PlayStation 4 und Nintendo Switch (nur Teil 3 und 4)

Die Trails-of-Cold-Steel-Reihe bildet mit vier Spielen den umfangreichsten Handlungsbogen innerhalb der Trails-Serie und entführt uns in das Imperium von Erebonia. Wir übernehmen die Rolle von Rean Schwarzer, einem neuen Kadetten auf der Thors Militärakademie, der prompt der neu gegründeten Class VII zugewiesen wird. Die Schüler in Class VII kommen aus den unterschiedlichsten sozialen Schichten und wurden bunt zusammengewürfelt, da versucht wird, große Spannungen zwischen Arm und Reich im Imperium zu überbrücken. Gemeinsam mit seinen Gefährten navigiert die Class VII die fragile politische Landschaft von Erebonia und sieht sich mit einem nahenden Bürgerkrieg konfrontiert, der von dunklen Akteuren im Schatten gesteuert wird.

The Legend of Heroes: Trails into Reverie

Auf Englisch erhältlich für: PC (Steam, GOG und Epic Game Store), PlayStation 4, PlayStation 5 und Nintendo Switch

Trails into Reverie spielt nach den Ereignissen von Trails of Cold Steel IV und bildet dabei sozusagen den Epilog der gesamten vorangegangenen Spiele. Dabei werden sowohl die Crossbell- als auch die Erebonia-Saga zu einem Ende gebracht und gleichzeitig die Weichen für den kommenden Trails through Daybreak Story-Arc gestellt. In Trails into Reverie übernehmen wir abwechselnd die Rollen von Lloyd Bannings und Rean Schwarzer sowie dem geheimnisvollen dritten Protagonisten, dem maskierten „C“, dessen Identität, Motivation und Auftrag dann doch zu sehr in heftiges Spoiler-Territorium geht und auch eine Kenntnis der vorherigen Teile der Reihe voraussetzt. Aus all diesen Gründen sollte Trails into Reverie wirklich nur mit Vorwissen aus den vorangegangenen Spielen gespielt werden und eignet sich definitiv nicht für Neueinsteiger.

Einen Test von The Legend of Heroes: Trails into Reverie findet Ihr hier.

The Legend of Heroes: Trails Through Daybreak

Auf Englisch ab dem 05. Juli erhältlich für: PC (Steam, GOG und Epic Game Store), PlayStation 4, PlayStation 5 und Nintendo Switch

The Legend of Heroes: Trails Through Daybreak schlägt ein neues Kapitel in der Trails-Reihe auf. Nachdem The Legend of Heroes: Trails into Reverie den Epilog der bisherigen neun Spiele der umfangreichen Fantasy-Saga darstellte, ist Trails Through Daybreak der Auftakt zu eines völlig neuen Handlungsbogens. Das Spiel versetzt uns in die Republik von Calvard und lässt uns in der Rolle von Kopfgeldjäger und Detektiv Van Arkride eine wie in der Serie übliche Geschichte voller Intrigen und überraschender Wendungen erleben. Hinzu kommen die Begegnungen mit vielen neuen Charakteren, allerdings dürfen wir uns auch auf ein Wiedersehen mit einigen bekannten und lieb gewonnenen Charakteren freuen.

Einstiegsmöglichkeiten für Neulinge

Neben der Möglichkeit, alle Spiele in ihrer oben genannten chronologischen Reihenfolge zu spielen, gibt es aber auch noch ein paar Einstiegsmöglichkeiten für solche Spieler, die sich nicht durch mehr als ein Dutzend japanischer Rollenspiele kämpfen wollen. Die erste Einstiegsmöglichkeit für interessierte Rollenspieler mit begrenzter Zeit ist definitiv der Crossbell-Handlungsbogen und damit Trails from Zero. Zwar tauchen auch einige Charaktere aus dem Liberl-Handlungsbogen hier auf, aber durch die neuen Releases auf der Switch ist hier der Einstieg sehr einfach. Ein weiterer Einstiegspunkt ist die Trails-of-Cold-Steel-Reihe, da wir hier in ein komplett neues Reich wechseln und erst einmal losgelöst von den vorherigen Ereignissen die Charaktere kennenlernen können. Zwar sind die ersten beiden Teile leider nicht auf der Switch verfügbar, aber als weitere Einstiegsmöglichkeit ist tatsächlich Trails of Cold Steel III, da dieses anderthalb Jahre nach dem zweiten Teil spielt und Rean Schwarzer nun ein Lehrer an der Thors-Militärakademie ist. Neuester Einstiegspunkt ist zudem sicher das am 5. Juli erscheinende Trails through Daybreak, welches uns in die Republik von Calvard und damit in eine neue Gegend von Zemuria führen wird. Zudem eröffnet das Spiel einen neuen Handlungsbogen und dürfte damit für Neueinsteiger hoffentlich zugänglich werden.

Laut Falcom wurde die Trails-Reihe mit dem Ziel erschaffen, die ambitionierteste, umfangreichste Geschichte überhaupt in einem Videospiel zu erschaffen. Der Präsident von Falcom und Produzent der Serie, Toshihiro Kondo bezeichnet sie sogar als sein Lebenswerk. Mit der Veröffentlichung von Kai no Kiseki, dem nunmehr dreizehnten Teils der Reihe, welcher in Japan im September erscheinen soll, ist laut Kondo auch gerade einmal die Hälfte der Erzählung erreicht. Ein wirklich unglaubliches Vorhaben. Wir können uns aber somit auf jeden Fall noch auf viele Abenteuer auf dem Kontinent von Zemuria freuen.

Geschrieben von Markus Schoenenborn