Trails into Reverie – TEST

Ursprünglich bereits 2020 in Japan erschienen, erreichte uns im Westen die nun zehnte Episode von Nihon Falcoms langlebiger Serie japanischer Rollenspiele schließlich am 7. Juli 2023. In der epischen Geschichte, welche dabei den Epilog zu den vorangegangenen Teilen der Reihe und gleichzeitig den Prolog zu den nachfolgenden Spielen bildet, verfolgen wir drei Handlungsstränge und begegnen vielen aus der Serie bekannten Charakteren.


Die Trails-Serie gehört zu Falcoms langlebiger The-Legend-of-Heroes-Reihe und umfasst in Japan mittlerweile zwölf Spiele, die langsam aber sicher nun alle auch westliche Gefilde erreichen. Das Besondere an der Reihe ist, dass alle Spiele an verschiedenen Orten in ein und derselben, sehr detailliert ausgearbeiteten Welt spielen, wobei die Charaktere aus den unterschiedlichen Spielen auch immer wieder in anderen Teilen auftauchen oder zumindest erwähnt werden. Am ehesten lässt sich das Ganze aufgrund der vielen Verweise untereinander und Gastauftritte mit Marvels Kinofilm-Universum vergleichen. Verwirrend für Neulinge dürfte dabei der Umstand sein, dass sich die Trails-Reihe wiederum in verschiedene Unter-Serien aufteilt, welche wiederum größere Story-Arcs innerhalb der ganzen Geschichte bilden. Ein weiterer Grund der angenommenen Unzugänglichkeit der Serie dürfte auch die etwas verwirrende Veröffentlichungspolitik im Westen sein. Wurden einige Teile der Serie aufgrund des wahnsinnig hohen Textanteils der Spiele zunächst gar nicht übersetzt, trudeln die Spiele nun gefühlt im Halbjahreszyklus ein, und das auch noch in der falschen Reihenfolge. Dabei ist die Einordnung der Spiele in die Serie eigentlich recht einfach. Aufgeteilt ist die Serie dabei in verschiedene Unter-Serien, welche unterschied-liche Story-Arcs bilden, aber auch einen bestimmten Platz in der Zeitlinie der Reihe haben. Den Anfang bilden dabei die drei Teile von Trails in the Sky, danach folgen die zwei erst kürzlich unter anderem auf der Switch erschienen beiden Teile der Crossbell-Saga, nämlich Trails from Zero und Trails to Azure. Dann folgen schließlich die vier Teile der Trails-of-Cold-Steel-Reihe, innerhalb der Story Erebonia-Saga genannt. Das nun vorliegende Trails into Reverie spielt nach den Ereignissen von Trails of Cold Steel IV und bildet dabei sozusagen den Epilog der gesamten vorangegangenen Spiele. Dabei werden sowohl die Crossbell- als auch die Erebonia-Saga zu einem Ende gebracht und gleichzeitig die Weichen für den kommenden Trails through Daybreak Story-Arc gestellt.

Drei Protagonisten, drei Storystränge und viele Charaktere

Wie alle Spiele der Trails-Reihe spielt auch Trails into Reverie auf dem Fantasy-Kontinent Zemuria. Einige Monate nach dem Finale der Erebonia-Saga, auf das aus spoilertechnischen Gründen hier nicht näher eingegangen werden soll, beginnt Trails into Reverie mit einem Prolog in dem nach Unabhängigkeit und Freiheit strebenden Stadtstaat Crossbell, der aufgrund seiner strategisch zentralen Lage zu einem Spielball verschiedener Mächte wurde. Hier begleiten wir Lloyd Bannings, seines Zeichens Hauptcharakter aus Trails from Zero und Trails to Azure, wie er mit seinen Mitstreitern der Special Support Section Crossbell von einer faschistischen Besatzungsmacht befreit und kurz darauf in ein neues Abenteuer geworfen wird. Danach wechselt die Geschichte zu Cold-Steel-Protagonist Rean Schwazer und seinen Gefährten aus der Class VII, die nach ihren Abenteuern in Trails of Cold Steel IV einen wohlverdienten Erholungsurlaub in Reans Heimatdorf Ymir verbringen. Der Urlaub währt jedoch leider nicht allzu lange, werden doch Rean und seine Mitstreiter kurzum dazu rekrutiert einen verschwundenen Prinzen und seine Ehefrau aufzuspüren. Als dritter Protagonist im Bunde ist da noch der geheimnisvolle, maskierte „C“, dessen Identität, Motivation und Auftrag dann doch zu sehr in heftiges Spoiler-Territorium geht und auch eine Grundkenntnis der vorherigen Teile der Reihe voraussetzt.

Alle drei Storystränge beleuchten dabei unterschiedliche Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven in und um Crossbell, weshalb es oftmals nötig ist, zwischen den drei Protagonisten zu wechseln. Hier kommt das neue „Trails to Walk“-System zum Tragen, mit dem wir zwischen Lloyd, Rean und „C“ hin und her wechseln können. Hierbei muss allerdings auch noch einmal deutlich gesagt werden, dass Neueinsteiger der Serie wirklich die Finger von Trails into Reverie lassen sollten, da sich das Spiel definitiv an langjährige Serienkenner richtet. Im Spiel begegnen wir insgesamt fast fünfzig Charakteren aus den vorangegangenen Teilen und es gibt sehr viele Querverweise auf ältere Ereignisse, wodurch teilweise so viel Vorwissen abverlangt wird, dass Einsteiger bei der Story kaum durchblicken werden. Neueinsteigern sei hiermit ans Herz gelegt, zunächst mit einem anderen Serienteil anzufangen. Ein guter Ausgangspunkt wäre da Trails from Zero, der erste Teil der Crossbell-Saga zu nennen, der 2022 nach Europa gelangte und dessen Switch-Version tatsächlich zur technisch besten Version gehört.

Bekanntes Gameplay mit interessanten Neuerungen

Vom Gameplay her hat sich gegenüber den Vorgänger-Teilen nicht allzu viel getan. Trails into Reverie spielt sich ganz ähnlich wie die Trails-of-Cold-Steel-Teile, wer also das flotte, rundenbasierte Kampfsystem der Vorgänger zu Schätzen gelernt hat, wird auch hier seinen Spaß haben. Gewohnt nutzen wir strategisch unsere Arts, Crafts und Gruppenangriffe, um den zahlreichen Gegnern Herr zu werden. Neu ist das sogenannte „United Fronts“-System, durch das wir die Kräfte aller unserer verfügbaren Charaktere, sowohl im aktiven Kampf als auch in der Reserve, entfesseln können und diese vereint zum Angriff oder zur Heilung nutzen. Ansonsten erkunden wir rollenspieltypisch diverse Dörfer und Städte, plaudern mit den Bewohnern oder erkunden Dungeons.

Neu ist auch der sogenannte True Reverie Corridor, ein zufallsgeneriertes Dungeon, in dem wir unsere Charaktere aufleveln, neue Ausrüstungsgegenstände und sogar Charaktere und Story-Szenen finden können. Zudem können wir dort auch eine ganze Reihe ungewöhnlicher Minispiele wie beispielsweise ein Magical-Girl-Shoot-‚em-up oder das bereits aus den Trails-of-Cold-Steel-Teilen bekannte Kartenspiel Vantage Masters freispielen, was wiederum eine Hommage an das gleichnamige Spiel von Nihon Falcom ist. Diese Minispiele sind allesamt eine nette Abwechslung und teilweise schon so umfangreich, dass wir uns schon einmal mehrere Stunden in diesen verlieren können.

Angestaubte Technik trifft auf fantastische Story

Optisch ähnelt Trails into Reverie der Trails-of-Cold-Steel-Reihe, da es ebenfalls die mittlerweile schon ein wenig angestaubt wirkende PhyreEngine nutzt. Die Welt und die Figuren setzen sich aus Polygonen zusammen, mit einer frei drehbaren Kamera können wir das Geschehen immer sofort aus dem richtigen Winkel betrachten. Mit den ein wenig steif animierten Charakteren ist die Grafik eher zweckmäßig, aber wer die Serie kennt, der weiß das hier auch eher die inneren Werte wie Story, Worldbuilding und Charakterzeichnung stimmen.

Leider ist die Umsetzung auf Nintendos Hybrid-Konsole nicht hundertprozentig gelungen. Gerade in den zahlreichen Cutscenes geht die Bildrate immer wieder in den Keller, wodurch einige Szenen oftmals die Dramatik genommen werden. Auch besonders belebte, große Städte mit komplexer Architektur wie Crossbell oder Heimdallr, die Hauptstadt des Imperiums von Erebonia, zwingt die Switch-Hardware immer wieder in die Knie. Schade, denn hier wäre mit Sicherheit mehr drin gewesen.

Geschrieben von Markus Schoenenborn

Fazit:

 

Als langjähriger Fan der Trails-Serie war ich sofort hellauf begeistert, Trails into Reverie endlich in den Händen zu halten. Das spiel schafft das, was nur sehr wenige Genre-Vertreter schaffen. Es räumt sämtlichen Charakteren viel Zeit ein und erzählt deren Geschichte nach dem eigentlichen Ende der Geschichte weiter. Woran viele Fernsehserien oftmals scheitern, nämlich eine absolute Punktlandung mit dem Serienfinale hinzulegen, gelingt Nihon Falcom mit Trails into Reverie. Wer schon lange bei der Serie dabei ist, erlebt hier ein höchst emotionales und episches Finale, trifft lieb gewonnene Charaktere wieder. Was die Trails-Serie hauptsächlich auszeichnet und von anderen Rollenspiel-Serien abhebt, ist nämlich das famose World-Building, das auch hier wieder hervorragend greift und mich viele Stunden in den von politischen Intrigen und gezeichneten Kontinent von Zemuria eintauchen lässt. Was hier geboten wird, ist eine sich entwickelnde, lebendige, atmende Welt, die es in dieser Art und Weise nur sehr selten in Spielen gibt. An der Technik nagt zwar schon etwas der Zahn der Zeit, aber dies sollte Fans nicht abschrecken. Lediglich die technisch nicht ganz saubere Switch-Umsetzung ist etwas enttäuschend, gerade weil die beiden Crossbell-Teile ja bekanntlich am Besten auf der Switch laufen. Neueinsteigern der Serie sei jedoch noch einmal vom Kauf des Spiels abgeraten. Zu komplex sind die einzelnen Storystränge und zu viel Vorwissen ist erforderlich, um bei dem epischen Abschluss durchzublicken. Diese steigen wie bereits erwähnt am besten mit Trails from Zero oder dem ersten Trails of Cold Steel in die Serie ein. Langjährige Fans, die eigentliche Zielgruppe von Trails into Reverie, können sich das Spiel ohne mit der Wimper zu zucken zulegen und ein letztes Abenteuer mit den lieb gewonnenen Charakteren um Lloyd Bannings und Rean Schwarzer erleben. Ich bin auf jeden Fall schon wahnsinnig auf Trails through Daybreak gespannt, welches im Sommer diesen Jahres erscheint und eine neue Story-Arc beginnen wird, auf welche in Trails into Reverie bereits hingearbeitet wurde.