Light Fairytale Episode 1 – TEST

Das an klassische japanische Rollenspiele der späten 1990er und frühen 2000er angelehnte Light Fairytale Episode 1 ist der erste Teil eines ambitionierten Projekts des französischen Ein-Mann-Indie-Entwicklers neko.works. Ursprünglich bereits im Jahr 2019 für den PC erschienen, können seit Ende April auch Rollenspiel-Fans auf der Switch dem Teenager Haru dabei helfen, aus einer dystopischen unterirdischen Stadt zu entkommen.


Bei Light Fairytale Episode 1 handelte es sich ursprünglich um ein Kickstarter-Projekt des französischen Ein-Mann-Studios neko.works aus dem Jahr 2017. Als Hommage an die Ära der klassischen japanischen Rollenspiele auf der PlayStation 1 und PlayStation 2 gedacht, schaffte es das Projekt aber leider nicht, die anvisierten 30000 Euro an Spenden zu sammeln. Dies entmutigte den Entwickler aber keineswegs, sein Traum-Projekt zu verwirklichen, und so versucht es neko.works nun mit einem Episoden-Format. Bis zum jetzigen Zeitpunkt sind nach der Aussage des Entwicklers vier Episoden geplant. Während Episode 2 auf dem PC bereits seit August 2021 verfügbar ist, hat es die erste Episode des ambitionierten Retro-Rollenspiel-Projekts nun auch auf die Switch geschafft und bietet einen ersten Einblick in eine dystopische Welt unter der Erdoberfläche.

Eine Stadt tief unter der Erde

Starten wir Light Fairytale Episode 1, werden wir sofort an zwei Rollenspiel-Klassiker erinnert: nämlich Final Fantasy VII und Breath of Fire: Dragon Quarter. An Ersteres durch die Grafik und die allgemeine Atmosphäre, an das zweite aufgrund des Settings. Genau wie der fünfte Teil von Capcoms Breath-of-Fire-Reihe spielt Light Fairytale Episode 1 nämlich in einer Stadt tief unter der Erdoberfläche, in die sich die Menschheit nach einer nicht näher beschriebenen Katastrophe vor langer Zeit zurückziehen musste. Diese lichtlose Stadt besteht aus mehreren Ebenen, wobei die wohlhabenden Bewohner in den oberen Etagen leben und die ärmeren in den unteren inmitten von Schrott und Unrat dahinvegetieren. Beherrscht wird diese dystopische Klassengesellschaft von einem mächtigen und augenscheinlich recht fiesen Imperium, das den Bewohnern die Gesetze diktiert und sie für die kleinsten Vergehen an einen unbekannten Ort verschleppt.

Wir schlüpfen in die Rolle von Haru, einem recht faulen und naiven Teenager, der in den Tag hinein lebt. Haru träumt immer wieder von einer blauen Kuppel, „Himmel“ genannt. Als er eines Tages gemeinsam mit seiner Kindheitsfreundin Kuroko eine Wahrsagerin besucht und diese ihm auch von dem sagenumwobenen „Himmel“ erzählt, fühlt sich der Jungspund dazu berufen, diesen zu finden. Als er dann am selben Tag noch erleben muss, wie ein Mädchen aus seinem Bekanntenkreis von den Truppen des Imperiums aufgrund eines angeblichen Diebstahls verhaftet und verschleppt wird, macht sich Haru gemeinsam mit Kuroko auf, aus der unterirdischen Stadt zu entkommen.

Sehr kurze Spieldauer, hübsche Präsentation

Der größte Kritikpunkt sei hier auch direkt zuerst genannt: Das Spiel ist kurz. Sehr kurz. Die Story kommt erst nach einer knappen Stunde richtig in Gang, und ist dann auch schon fast wieder vorbei. Dazu endet die erste Episode von Light Fairytale mit einem recht großen Cliffhanger, der zwar Lust auf mehr macht, uns aber dennoch recht enttäuscht zurücklässt. Schauen wir uns die Spielzeit an, so stehen dort am Ende des Spiels gerade einmal drei Stunden auf dem Zähler. Zwar gibt es eine Handvoll Minispiele und versteckte Gegenstände zu finden, aber wirklich viel länger wird das kurze Vergnügen dadurch auch nicht. Einen Anreiz für ein zweites Durchspielen gibt es aber durch die Möglichkeit, das kurze Abenteuer nach dem Abspann noch einmal in der Rolle von Kuroko durchzuspielen und die Geschichte aus ihrem Blickwinkel zu betrachten. Dies bietet zwar eine Reihe von neuen Story-Sequenzen, führt aber letztlich durch die gleichen Szenarien wie das eigentliche Spiel, da die beiden Charaktere den Großteil des Abenteuers zusammen verbringen. Ist das Spiel durchgespielt, wartet noch ein sehr schön inszenierter Anime-Abspann auf uns, der jedoch augenscheinlich schon einige interessante Aspekte der Story vorweg nimmt, die vielleicht besser noch verborgen geblieben wären.

Grafisch zaubert neko.works mithilfe der Unity-Engine einige sehr stimmige Szenarien auf den Bildschirm. Die unterirdische Stadt mit ihren einzelnen Distrikten wirkt durch die atmosphärischen Lichteffekte sehr überzeugend und erinnert sicher nicht nur zufällig an die Slums der Industriemetropole Midgar aus Final Fantasy VII. Die einzelnen Bildschirme werden dabei genauso wie bei den Final-Fanatsy-Teilen auf der PlayStation 1 immer aus festen, aber unterschiedlichen Perspektiven dargestellt, sind allerdings nicht gerendert sondern in Echtzeit berechnet. Die Charaktere werden alle in einem knuffigen Chibi-Stil dargestellt, der zwar sicher Geschmackssache ist, aber definitiv zu dem Spiel passt. Einziges Manko ist, dass wir manchmal beim Umschalten in einen neuen Bildschirm durch den plötzlichen Wechsel der Perspektive unseren Charakter nicht finden können, da dieser oftmals recht klein dargestellt ist. Dies macht sich vor allem im Handheld-Modus bemerkbar. Abhilfe schafft hier allerdings ein praktischer Visor, den sich Haru mit Druck auf die linke Schultertaste anzieht. Dieser macht sämtliche Ausgänge in einem Bildschirm sichtbar und zeigt zudem unser nächstes Ziel an.

Auch musikalisch wird in Light Fairytale Episode 1 einiges geboten. Die Klänge orientieren sich vom Stil her an den großen Vorbildern und passen gut zu der jeweiligen Situation. Besonders die treibende Kampf-Musik geht gut ins Ohr. Neben den Musikstücken weiß das Spiel aber auch durch die atmosphärische Soundkulisse wie dem Rattern der Eisenbahn oder dem Summen der Maschinen zu gefallen, welche die Stimmung in der dystopischen Stadt sehr gut transportiert.

Das Grundgerüst eines soliden Rollenspiels

Kämpfe finden in Light Fairytale Episode 1 erst ungefähr ab der zweiten Spielhälfte statt. Die Scharmützel präsentieren sich dabei traditionell rundenbasiert. Neben den üblichen Optionen wie Angriff, Magie und dem Benutzen von Gegenständen gibt es hier zudem den sogenannten Fury-Modus. Dieser ist an die Limit-Angriffe von Final Fantasy VII angelehnt und wird aktiviert, wenn eine Leiste unter den Namen der Charaktere durch Angriffe der Gegner gefüllt wurde. Ist der Fury-Modus aktiviert, färben sich die Haare des Charakters weiß und er kann eine besondere Aktion ausführen. Haru kann einen Zauberspruch nutzen, welcher dann die Party heilt und Haruko lässt eine stärkere Combo-Attacke vom Stapel. Die Kämpfe finden zudem ausschließlich in fest vorgegebenen Arealen statt, welche mit Harus bereits erwähntem Visor sichtbar gemacht werden können. Dazu wird auch eine Prozentzahl angezeigt, welche die Anzahl der Kämpfe wiedergibt. Sinkt diese auf Null, ist die Gegend von Monstern gesäubert und es kommt nicht mehr zu Feindkontakt. Dies bedeutet, dass die Anzahl der Kämpfe in Light Fairytale Episode 1 tatsächlich begrenzt ist. Grinding ist nicht möglich, was aber nicht tragisch ist, da die meisten Kämpfe recht einfach gehalten sind.

Insgesamt besitzt Light Fairytale Episode 1 das Grundgerüst eines sehr soliden Rollenspiels, aber aufgrund der Kürze des Spiels können sich die einzelnen interessant wirkenden Spielsysteme nicht genügend entfalten. Dazu gehört auch das Magiesystem. Dieses basiert auf sogenannten Orbs, welche an verschiedenen Körperteilen wie Armen, Beinen und den Körper ausgerüstet werden können, was im ersten Moment an das Materia-System von Final Fantasy VII erinnert. Genaueres lässt sich leider nicht sagen, da beide spielbaren Charaktere von Beginn an mit je einem Orb ausgerüstet sind und im Verlauf des Abenteuers lediglich ein weiterer gefunden werden kann. Das Gleiche gilt auch für die Ausrüstungsgegenstände und Items, von denen nur eine sehr überschaubare Auswahl im einzigen Shop des Spiels gekauft werden kann. Wir hoffen, dass dies alles in den kommenden Episoden noch erweitert wird und das Potential, welches Light Fairytale Episode 1 durchaus hat, noch genutzt wird. Unseren Spielstand können wir am Ende auf jeden Fall in die kommende Episode 2 mitnehmen, so dass unsere Fortschritte aus dem ersten Teil nicht umsonst waren.

Geschrieben von Markus Schoenenborn

Fazit:

Light Fairytale Episode 1 macht einen äußerst positiven ersten Eindruck. Es sieht grafisch wirklich sehr hübsch aus und hebt sich durch seinen Grafikstil deutlich von anderen Indie-Retro-Rollenspielen ab, welche meistens auf eine altbewährte Pixel-Grafik setzen. Die Charaktere sind recht sympathisch, wenn auch in ihrem Verhalten etwas klischeehaft und eindimensional dargestellt. Es ist wirklich schade, dass das Spiel so kurz ausgefallen ist, denn wenn es gerade richtig losgeht, ist das Abenteuer auch schon wieder vorbei. Die meiste Zeit des Spiels renne ich zwischen den einzelnen Distrikten der unterirdischen Stadt hin und her, die Kämpfe und Dungeons sind auf die zweite Hälfe konzentriert. Die Spielsysteme wie das Kampf- und Magiesystem sind allesamt im Ansatz sehr interessant, allerdings können sie sich aufgrund der Kürze des Spiels gar nicht richtig entfalten. Sie bräuchten ein längeres Spiel, um ihr ganzes Potential zu zeigen. Es ist klar, dass der Entwickler neko.works dieses Episoden-Modell aus Kostengründen gewählt hat, und man erkennt auch ohne Zweifel das Herzblut, welches in dem Spiel steckt. Insgesamt sind aber Story und Spielsystem noch zu rudimentär und die Entwicklung der Charaktere nicht vorhanden. Aus diesem Grund kann ich Light Fairytale Episode 1 nicht uneingeschränkt empfehlen. Interessierte Rollenspiel-Fans können zwar einmal einen Blick riskieren, müssen sich aber im Klaren sein, dass es sich bei Light Fairytale Episode 1 lediglich um eine Art kurzen Prolog handelt. Ich hoffe jedoch, dass Episode 2 bald auch auf der Switch verfügbar ist, denn Potential ist definitiv vorhanden.