Blue Reflection: Second Light – TEST

Das Rollenspiel Blue Reflection des japanischen Entwicklers Gust erschien ursprünglich im Jahr 2017 für die PlayStation 4, PlayStation Vita und den PC. Im Oktober 2021 bekam das Spiel die Fortsetzung Blue Reflection: Second Light spendiert, welche bereits einen Monat später westliche Gefilde erreichte, und nun auch Switch-Besitzern die Möglichkeit gibt, eine Gruppe von magisch begabten Schulmädchen zu helfen, ihre verlorenen Erinnerungen zurückzuerlangen.


Das japanische Spielestudio Gust, seit 2014 eine interne Entwicklungsabteilung des Publishers Koei Tecmo, blickt auf eine lange Rollenspiel-Geschichte zurück. Im Jahr 1997 brachte Gust mit Atelier Marie: The Alchemist of Salburg den ersten Teil der langlebigen Atelier-Rollenspiel-Serie auf den Markt, dessen neuester Teil Atelier Sophie 2: The Alchemist of the Mysterious Dream im Februar 2022 unter anderem auf der Switch erschienen ist. Außerhalb der immer noch sehr beliebten Atelier-Serie versuchten sich die Entwickler von Gust immer wieder an anderen Konzepten und Szenarien. Dazu zählt auch das im Jahr 2017 für die PlayStaion 4, die PlayStation Vita und den PC erschienene Blue Reflection. Ein Rollenspiel, bei dem nicht junge Alchemistinnen die Hauptrolle spielten, sondern japanische Schulmädchen mit magischen Fähigkeiten, angelehnt an Magical-Girl Manga- oder Anime-Serien wie Sailor Moon. Blue Reflection war schon von Anfang an als Multimedia-Franchise konzipiert, und so folgte auf das Spiel zunächst eine Spin-Off Anime-Serie, Blue Reflection Ray, die von April bis September 2021 im japanischen Fernsehen lief. Ein Mobile-Game mit dem Namen Blue Reflection Sun befindet sich derzeit noch in der Entwicklung. Im Oktober 2021 erschien dann mit Blue Reflection: Second Light der richtige zweite Teil der Serie für sämtliche gängige Systeme, der knapp einen Monat später, am 9. November, dann auch außerhalb Japans erschien. Obwohl sämtliche Medien-Releases von Blue Reflection miteinander verknüpft sind und sich gegenseitig ergänzen, steht Second Light relativ eigenständig da und kann ohne große Vorkenntnisse gespielt werden. So fällt es auch neuen Spielern recht einfach, in die faszinierend geheimnisvolle Welt der Magical Girls einzutauchen.

Verlorene Erinnerungen und ewiger Sommer

Die Geschichte von Blue Reflection: Second Light beginnt somit auch mysteriös: Eines Tages erwacht die Oberschülerin Ao Hoshizaki in einem verlassenen Schulgebäude. Sie weiß weder, wer sie ist, noch wie sie hergekommen ist. Mit ihr zusammen sind drei weitere junge Mädchen, Kokoro Utsubo, Yuki Kinjou und Rena Miyauchi an diesem geheimnisvollen Ort. Wie Ao haben auch sie ihr Gedächtnis verloren. Das Einzige, an das sie sich erinnern können, sind ihre Namen. Jenseits der Grenzen der Schule erstreckt sich ein endloser, blauer Ozean. Diese Schule scheint im Nichts zu existieren. Wer sind sie? Warum sind sie hier? Wer hat sie hergebracht? Wie können sie wieder in ihre Welt zurückkehren? Um dem Geheimnis dieser seltsamen anderen Welt, die sich in einem Zustand des ewigen Sommers zu befinden scheint, auf den Grund zu gehen, beschließen die Mädchen, auf Erkundungstour zu gehen und dabei auch ihre Erinnerungen zurückzuerlangen. Es dauert auch nicht lange, da tauchen so genannte „Heartscapes“ in der Nähe der Schule auf. Diese von Dämonen bevölkerten, mysteriösen Bereiche, scheinen mit den einzelnen Mädchen und deren Vergangenheit verbunden zu sein. Indem sie diese Heartscapes erforschen, können die Mädchen Fragmente ihrer Erinnerungen, wie für sie wichtige Orte, Personen oder Ereignisse, zurückerlangen. Im Laufe der Geschichte erscheinen weitere Mädchen in der Schule und mit ihnen weitere Heartscapes, die es zu erforschen gilt. Obwohl sich diese Prämisse zunächst recht simpel anhört, offenbart sich im späteren Verlauf, dass deutlich mehr dahinter steckt. Auch die einzelnen Ereignisse aus den vergessenen Erinnerungen der Mädchen sorgen immer wieder für emotionale Momente.

Wie beim Vorgänger auch stammen die hübschen Charakterdesigns aus der Feder des Illustrators Mel Kishida, der auch schon die Charaktere der Arland-Trilogie aus der Atelier-Serie entworfen hat. Die in Pastelltönen gehaltenen Designs des Künstlers wirken hier wie mit einem Blaufliter unterlegt. Zusammen mit der insgesamt sehr hübschen Grafik mit ihren mitunter starken Blau- und übersteuerten Weißtönen sowie gleißenden Lichteffekten wird die traumähnliche, sommerliche Atmosphäre des Spiels zusätzlich verstärkt.

Heartscapes, garstige Dämonen und Erinnerungs-Fragmente

Das Ziel der Mädchen ist es also, ihr Überleben in dieser seltsamen Parallelwelt zu sichern und letztlich aus ihr zu entkommen. Um ihre Erinnerungen zurückzuerlangen erforschen die Mädchen wie bereits erwähnt die sogenannten Heartscapes, die mit der Vergangenheit der jeweiligen Protagonistinnen zusammenhängen. So bekommt jedes der Mädchen eine eigene Episode spendiert, in der wir mehr über sie erfahren. Dabei werden vielfältige Themen aus den Leben der Mädchen thematisiert, wie Mobbing, Sport, Liebe und Freundschaft. Haben wir eines der Erinnerungsfragmente gefunden, führt dies zu einem Erinnerungsschub und, sobald wir alle Fragmente gefunden haben, zur vollständigen Wiederherstellung der Erinnerungen an ihr vorheriges Leben. Die Heartscapes stellen gleichzeitig auch die Dungeons des Spiels dar, denn dort schlummern nicht nur verlorene Erinnerungen, sondern sie werden auch von Dämonen bewohnt, die wir besiegen müssen. Treffen wir auf eine dieser garstigen Kreaturen, die in Echtzeit durch die Gegenden streifen, schaltet das Spiel in die Kampfansicht um. Besonders starke Gegner, die hin und wieder die Gegend unsicher machen, können wir mit einem Stealth-System umgehen, bei dem der Bildschirm in eine Schwarz-Weiß Ansicht umschaltet und die Sichtkegel der Dämonen in roter Farbe dargestellt werden. Dies erlaubt auch Überraschungsangriffe, wenn wir die Kreaturen zum Beispiel von hinten angreifen. Insgesamt ist der Stealth-Modus mitunter aber auch sehr nervig. Nicht nur das wir ihn nach jedem Kampf erneut aktivieren müssen, auch der angesprochene Grafikfilter sorgt an einigen Stellen für Unübersichtlichkeit. So fällt es teilweise recht schwer, die richtigen Pfade um die Gegner herum zu finden und einige besonders enge Stellen sorgen für Frustration. Wenn wir von den Gegnern erwischt werden, setzt uns das Spiel wieder an den Anfang der Sequenz zurück und wir müssen den ganzen Weg erneut gehen, was auch für Unmut sorgt.

Das Kampfsystem selbst ist relativ komplex und präsentiert sich als ein halb Echtzeit, halb rundenbasiertes System, bei der wir nach und nach unsere Combo-Anzeige aufbauen, um Attacken aneinanderzureihen, stärkere Angriffsfähigkeiten ausführen oder eine Magical-Girl-Verwandlung durchführen können. Mit dieser können wir den Gegnern dann noch stärker einheizen. Unten am Bildschirmrand sehen wir eine Leiste, auf der sich unsere Protagonistinnen und die Dämonen entgegengesetzt als Symbole gekennzeichnet fortbewegen. Überschreiten wir einen bestimmten Marker auf dieser Leiste, können wir entweder angreifen oder weiter Combo-Punkte ansammeln, welche dann beispielsweise die erwähnten stärkeren Attacken oder die Verwandlungen zulassen. Auf viele dieser Fähigkeiten können wir aber teilweise erst zugreifen, wenn wir mit den entsprechenden Charakteren stärkere persönliche Bindungen eingehen, worauf wir später noch einmal zu sprechen kommen. Insgesamt gehen die Kämpfe aber recht flott von der Hand und machen Laune. Die zahlreichen Bosskämpfe fordern dann mitunter auch einiges an taktischem Geschick.

Alltag in einer fremden Welt: Emotionale Bindungen und Crafting

Allerdings machen die Erkundungstouren durch die Dungeons der Heartscapes nur circa die Hälfte des Spiels aus. Neben dem Kampf gegen Dämonen und dem Wiederfinden von verlorenen Erinnerungen möchte es sich die Gruppe um Ao in der verlassenen Schule häuslich einrichten. Wenn es schon keinen Weg von der Insel herunter gibt und die Mädels auf nicht absehbare Zeit in der Schule gefangen sind, dann möchten sie sich den Aufenthalt natürlich so angenehm wie möglich gestalten. Somit ist die Schule der Dreh- und Angelpunkt sämtlicher Aktivitäten. Hier treffen sich die Mädels, reden miteinander, verabreden Dates, und schicken uns in vielen Nebenquests auf die Suche nach wichtigen Ressourcen. Diese Aktivitäten sind neben dem Rollenspiel-typischen Stufenaufstieg die einzige Möglichkeit, die Fähigkeiten der einzelnen Mädchen zu verbessern, denn je stärker die Bindung der Charaktere untereinander ist, desto mehr passive Skills und Spezialfähigkeiten lernen sie. Nach einem Date mit einer der Protagonistinnen erhalten wir somit Punkte, mit denen wir dann die jeweiligen Fähigkeiten und später sogar Szenen oder geheime Dungeons freischalten können. Dies nimmt mitunter recht viel Zeit in Anspruch und wenn wir wirklich alles vom Spiel sehen wollen sind wir viele Stunden beschäftigt. Zum Glück sind die Interaktionen zwischen den Charakteren wirklich schön geschrieben und sehr amüsant bis emotional, so dass uns die Mädchen allesamt ans Herz gewachsen sind.

Die bereits kurz erwähnten Nebenquests sind ein weiterer essentieller Aspekt des Spiels. Manchmal bitten uns die Mädels um Hilfe und schicken uns los, um bestimmte Gegner zu besiegen oder Gegenstände zu sammeln. Neben den Erinnerungsfragmenten finden wir nämlich in den Heartscapes auch Ressourcen, die für das Crafting-System des Spiels benötigt werden. Mit diesen können wir diverse Gegenstände herstellen, die je nach verwendeter Ressource unterschiedliche Werte bekommen. Das Herstellen dieser Gegenstände ist sehr wichtig, denn sie helfen uns beim Überleben in den Heartscapes und in den Kämpfen gegen die Dämonen. Hier erkennt man unschwer die Handschrift von Gust, denn dieses ist ähnlich komplex wie das der Atelier-Serie. Neben den für Rollenspielen üblichen Gegenständen wie Heiltränken können wir uns auch als Handwerkerin betätigen und Einrichtungsgegenstände herstellen. Mit diesen können wir nicht nur die Schule verschönern, sondern auch neue Orte für Dates freischalten, die wie bereits erwähnt essentiell für die Entwicklung der Charaktere sind.

Geschrieben von Markus Schoenenborn

Fazit:

Ich muss zugeben das ich anfangs etwas skeptisch war und ein wenig Anlaufzeit brauchte um mit den Magical Girls um Ao Hoshizaki richtig warm zu werden. Den ersten Teil hatte ich nie gespielt und auch mit der Atelier-Serie bis jetzt nicht allzu viele Berührungspunkte. Dies wird sich aber vermutlich jetzt ändern, denn Gusts zweiter Ausflug in die geheimnisvolle Welt von Blue Reflection ist für mich ein echter Überraschungs-Hit. Die Charaktere wuchsen mir mit der Zeit richtig ans Herz, was auch an den vielen unterhaltsamen Interaktionen zwischen den Mädchen liegt, die allesamt sehr sympathisch und niedlich geschrieben sind. Insgesamt gefällt mir auch die ruhige, entspannte, sommerliche Atmosphäre und die melancholischen Klänge des Soundtracks. Die Dungeons sind thematisch und optisch interessant, das Gleiche gilt auch für die zum großen Teil toll designte Gegner-Schar. Auch das innovative Kampfsystem geht gut von der Hand und macht Spaß. Die vielen, teilweise komplexen und ineinander verzahnten Systeme des Spiels werden allesamt langsam und nacheinander eingeführt und überfordern mich nicht direkt am Anfang. Negativ sind mir die manchmal etwas konfuse Kamera, die insbesondere in den Kämpfen ab und zu seltsame Eskapaden schlägt. Auch das im Spiel implementierte Stealth-System ist nicht optimal und nervt an einigen Stellen durch enge Passagen und durch den Grafikfilter hervorgerufene Unübersichtlichkeit. Insgesamt ist Blue Reflection: Second Light für mich aber eine klare Empfehlung für Rollenspiel-Fans. Lediglich die Magical-Girl-Thematik ist recht speziell und wird nicht unbedingt jeden ansprechen. Alle, die aber mit magisch begabten japanischen Schulmädchen keine Berührungsängste haben sollten sich das Spiel jedoch einmal ansehen. Ich werde bei Gelegenheit sicher auch den ersten Teil der Serie noch einmal nachholen.