Fehlendes Balancing in Sportspielen – SPECIAL

Seit Jahren rücken Onlinekomponenten in Sportspielen immer mehr in den Vordergrund. Je nachdem, welches Sub-Genre bedient wird, gelingt das Balancing allerdings mal mehr und mal weniger gut. Es stellt sich hierbei die Frage warum gewisse Sportspiele diesem Problem unterliegen und wie es sich lösen lässt.

Wer einmal einen Teil der FIFA- oder NBA-2k-Reihe online im eins gegen eins gespielt hat, dem wird vor allem folgendes Problem aufgefallen sein: die Gegner verwenden zu einem Großteil dieselben Mannschaften mit der immer gleichen Taktik. Bei FIFA trifft man demnach hauptsächlich auf Bayern und Barcelona, während der Gegner in den NBA-2k-Spielen ständig mit den Golden State Warriors von der Dreierlinie schmeißt oder mit LeBrons Cavaliers zum Korb zieht. Die mangelnde Diversität hat zwei entscheidende Nachteile. Zum einen bekommt man das Gefühl gegen den immer gleichen Gegner zu spielen und zum anderen sieht man sich gezwungen seine eigene Spielweise anzupassen. Denn, wer ein signifikant schlechteres Team wählt, hat bei ähnlicher Spielstärke eine wesentlich geringere Chance auf den Sieg.

Die Gnade der Arcade-Spiele
Hierbei lässt sich den Entwickler nicht mal mangelndes Polishing vorwerfen. Schließlich versuchen sie nur die Realität abzubilden. In dieser existieren nun mal Teams, die beispielsweise aufgrund eines höheren Etats oder eines außergewöhnlichen Trainers einen hochwertigeren und tieferen Kader aufweisen. Eine wesentlich einfachere Ausgangssituation haben Entwickler von Arcade-Sportspielen. Hierbei können die Fähigkeiten der Sportler überspitzt dargestellt und somit ein gewisser Ausgleich zwischen den Spielern gefunden werden.
Nehmen wir als Beispiel das hochgelobte und oft portierte NBA Jam. In einem Spiel, das die Beastie Boys als spielbare Charakter erlaubt ist es nicht so relevant, dass ein Stephen Curry statistisch gesehen mehr Dreier schmeißt, als ein Paul Pierce. Pauschalisierte, gerundete Werte geben demnach mehr oder weniger die Realität an, sorgen aber auch dafür, dass eine große Bandbreite an Spielern, ohne einen spürbaren Nachteil, genutzt werden kann. Des Weiteren ist man hier nicht auf ein Team, sondern auf ein paar aus zwei Spielern beschränkt, was dazu führt, dass man zwangshalber immer neuen Matchups gegenübersteht. Zugegebenermaßen existiert auch hier noch kein ideal ausbalanciertes Spielprinzip, aber die Diversität in der Teambildung übersteigt die einer Sportsimulation bei Weitem und das trotz des Wegfallens zahlreicher taktischer Komponenten, die ein reales Fußball- oder Basketballspiel mit sich bringt.


Noch einfacher haben es auf fiktivem Fundament aufgebaute Arcade-Sportspiele, wie die Mario-Spin-Offs. Hier können die Entwickler die Fähigkeiten der Sportler komplett individuell gestalten und so im besten Fall viele gleichwertige und abwechslungsreiche Taktiken aufbauen. Grobe Schemata helfen natürlich einen Bezug zu dem jeweiligen Universum herzustellen. Es macht beispielsweise Sinn einem Luigi die Werte eines Allrounders zu geben, während ein Bowser schwer, aber langsam ist. Dies stellt allerdings nur sehr grobe Charakterisierungen dar, die dem Balancing kaum Restriktionen auferlegt.

Der Kompromiss zwischen Realität und Fairness
Werfen wir erneut einen Blick auf die realitätsgetreuen Simulationen, so wird klar, dass dort die Randbedingungen weit von denen eines Arcade-Spieles divergieren. Dementsprechend müssen wir uns hier im Klaren werden was wir wollen. Ist Realitätstreue der Abwechslung in Online-Matches vorzuziehen? Wäre es sinnvoller im Online-Modus ein „angepasstes“ Erlebnis zu konstruieren, bei dem mehr oder weniger jedes Team die gleichen Siegeschancen hat? Letzteres würde im besten Fall die Vorzüge jeder einzelnen Mannschaft in den Vordergrund rücken und beispielsweise dominante Spieler in ihren Fähigkeiten drosseln. So hätten man bei FIFA nach wie vor gute Chancen mit Real Madrid, sofern man dessen Spielstruktur verstanden und verinnerlicht hat. Es würde also lediglich eine Verzerrung der Machtverhältnisse, nicht aber der Teamdynamik stattfinden.
Dieser Schritt würde außerdem unerfahrenen Spielern die Möglichkeit nehmen mit einfachen Taktiken schnellen Erfolg zu erlangen. Vorbei wären die Zeiten, in denen jeder zweite Neuling mit LeBron James Coast to Coast zieht. Stattdessen wäre jeder gezwungen sich mit den Mannschaften auseinanderzusetzen und ein Team zu finden, das den eigenen Vorlieben am nähesten kommt. Es wäre also eine stärkere Beleuchtung des Sportes im Generellen von Nöten um in Online-Matches zu bestehen. Die Kehrseite der Medaille wäre eine noch höhere Einstiegshürde in das Thema Sportsimulation. Diesen Kompromiss wäre ich persönlich dennoch jederzeit bereit einzugehen.

Geschrieben von Amin Kharboutli