Fit werden durch Videospielen – ein Kommentar zu Ring Fit Adventure – SPECIAL

Videospieler und Videospielerinnen sitzen nur auf der Couch, glotzen in den Fernseher und werden täglich etwas dicker und träger? Weit gefehlt, wie uns nicht erst durch Wii Sports im Jahr 2006 klar wurde. Ein Vertreter der Reihe Fitness-Spiele hat sich erneut durchgesetzt: Ring Fit Adventure. Warum ist das Spiel eine gute Idee?


Als Nintendo 2019 das Fitness-Spiel Ring Fit Adventure vorstellte, wussten viele Leute nicht, was sie davon halten sollten. Wie können denn Workouts abwechslungsreich sein und den ganzen Körper betreffen, wenn es nichts gibt als einen leicht elastischen Plastikring und eine Beinschlaufe? In den Ring kommt oben der rechte Joy-Con und in die Beinschlaufe der linke. Kann das funktionieren? Was wird überhaupt gemessen und wie kann das Feedback des Spiels zu meinen Bewegungen aussehen?

Sensoren in Controllern

Nintendos Joy-Cons sind ein fantastisches kleines Stück Hardware. Mit ihren Sensoren können sie erkennen, welche Ausrichtung der Ring hat, ob er nach oben zeigt oder unten, vorn, hinten, links, rechts. Außerdem werden die Bewegungen in jede Richtung registriert. Das beeindruckendste, und für viele der Workouts auch notwendige, ist allerdings, dass der Joy-Con auch bemerkt, ob der Ring auseinandergezogen oder zusammengedrückt wird.

Im Zusammenspiel mit der Beinschlaufe, die die Position des linken Beines misst, weiß Ring Fit Adventure dadurch ziemlich genau, wo unsere Arme, unser Körper im Ganzen und unsere Beine sind und kann das zur Erkenntnis über unsere Bewegungen einsetzen. Bauch, Beine, Arme und Balance sind die Bereiche, in welche die Übungen eingeteilt sind, von denen die allermeisten adäquat erkannt werden.

Wii Fit hat uns 2007 gezeigt, dass Spiele mit einem dedizierten Fitness-Konzept Fans finden können und hat 2009 sogar einen Nachfolger bekommen. Was macht Ring Fit Adventure anders? Es ist neben der Fitness ein echtes Spiel. Dieses Spiel hat eine Geschichte, einen Protagonisten, zu erfüllende Aufträge und – das ist der wichtigste Aspekt – Belohnungen für alles, was wir tun.

Zugegeben ist die Story von Ring Fit Adventure wirklich ziemlich linear und bietet höchstens seichte Überraschungen. Es kommt keine Spannung auf, die über einen Samstag-Morgen-Cartoon hinausgehen würde. Doch genau das ist auch ein Plus, denn die Geschichte wird einfach immer weiter erzählt. Auch nach mehreren Dutzend Stunden Spielzeit ist sie noch lange nicht am Ende angelangt. Und Spielzeit bei Ring Fit Adventure heißt teils schweißtreibende Bewegung, davon wollen vierzig Stunden erst mal erreicht werden.

Motivation durch Fortschritt

Motivation ist das entscheidende Element. Neben der Geschichte gibt es auch ein paar stationäre Fitnessaufgaben, doch der Clou sind die Parcours-Strecken. Wir laufen und springen durch die Level, ständig versucht, alles einzusammeln, was uns begegnet. Münzen können wir einsaugen durch Auseinanderliegen und Ausrichten des Rings. Mit dem Zusammendrücken können wir einen Luftstoß losschicken, der uns ebenso manchen Weg öffnet. Manchmal begegnen uns auf der Strecke Gegner, und hier wird es spannend.

Indem wir Fitnessübungen erfolgreich durchführen, können wir den Gegnern Schaden zufügen. Hierbei gibt es verschiedene Stärken der Übungen, sodass uns das Spiel immer wieder neue Übungen ausprobieren lässt. Unsere Motivation, die zu nehmen, ist schlicht, dass sie die Gegner schneller besiegen. In Wirklichkeit haben wir damit aber eine andere Muskelgruppe trainiert. Das ist einfach genial.

Mit eingesammelten Zutaten können wir uns Tränke mixen, die uns etliche Vorteile bringen. Hergestellt werden sie selbstverständlich durch körperliche Betätigung. Sie stärken etwa die gelben Bauchübungen, manche Gegner sind dagegen besonders anfällig. Was aber das Schöne daran ist: Es ist letztlich egal, ob wir die Gegner schneller besiegen. Da wir anschließend zur nächsten Gegnergruppe oder in ein neues Level oder einen Bosskampf gehen: All das sorgt dafür, dass wir vor dem Fernseher – oder im Notfall auch der Switch selbst – stehen und alles geben, was unser Körper uns erlaubt, um möglichst erfolgreich zu sein.

Unser Ring, der als Figur Ringo im Spiel lebendig wird und mit uns und den anderen Personen spricht, motiviert uns nach jedem Level. Die sehr befriedigende Abschlusspose müssen wir selbstverständlich selbst einnehmen. Auf uns zufliegende Münzen machen uns glücklich, können wir doch damit höhere Zahlenwerte mitsamt neuer Kleidung erwerben. Tränke zu benutzen und Gegner schneller zu erlegen, ist großartig.

Vorspiegelung falscher Tatsachen

All das ist jedoch Gaukelei, denn der Schwierigkeitsgrad des Spiels hängt von einer Stärkeeinstellung ab, die wir außerhalb vornehmen. Ob Stufe 10, 20 oder 30, das können wir ständig anpassen. Dies entscheidet, wie viele Durchgänge und Wiederholungen wir machen, nicht die Kampfwerte der Übungen oder die Verteidigungswerte unserer neuen Hosen.

Ebendieses ist der springende Punkt, denn die Zahlen machen uns glücklich auf einer sehr basalen Ebene. Sie verschleiern, dass wir die gesamte Spielzeit über eigentlich ein ganz anderes Ziel verfolgen. So werden wir fast unbemerkt körperlich fitter und haben damit ein besseres Leben. Chapeau, Ring Fit Adventure, das ist genau das, was die Videospielwelt benötigt!

Geschrieben von Arne Ruddat