Gefühle und Emotionen vom und vor dem Wii-Launch – SPECIAL

Ende 2006 erschien die Nintendo Wii in Nordamerika, Japan und schließlich in Europa. Sie leitete eine Ära des innovativen Spielens ein. Noch bevor die Konsole erhältlich war, rief sie im deutschsprachigen Raum ungeahnte Gefühle und Emotionen bei diversen Spielern hervor.


Wenn heute eine neue Konsole von den großen Herstellern angekündigt wird, dauert es meist nicht lange, bis – zumindest in der Theorie – jeder Interessent die Möglichkeit erhält, das Gerät im Internet vorzubestellen. Allerdings war das in der Vergangenheit nicht schon immer so. Auf der einen Seite hatten größere Multimedia-Ketten wie Saturn oder MediaMarkt noch nicht ihre eigenen Online-Shops. Selbst der Internetriese Amazon hatte noch nicht den heutigen Marktanteil erreicht. Auf der anderen Seite hatten laut der Internetseite Statista im Jahr 2006 nur zwei von drei Haushalten in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt einen Internetanschluss.

Mitte der 2000er-Jahre war es also nicht für alle interessierten Spieler gleichermaßen möglich, sich eine der begehrtesten Konsolen aller Zeiten zeitnah zum Launch zu sichern. Im lokalen Handel liefen die Vorbestellungen an. Entsprechend war die Konsole vielerorts bereits vor dem Launch ausverkauft. Der Autor dieser Zeilen erinnert sich sogar an ein Gespräch mit einem ehemaligen Saturn-Mitarbeiter aus dem Jahr 2006. Kurz vor Launch hieß es, dass Nintendo für ganz Deutschland gerade einmal nur achttausend (!) Konsolen zur Verfügung stellen konnte. Nur wenige Monate vor Veröffentlichung der Konsole zeichnete sich ein regelrechter Krimi ab. Panik, die Konsole zum Launch zu erhalten, machte sich vor allem bei den langjährigen Nintendo-Fans breit, zumal die Wii echte Innovationen versprochen hat.

Innovationen über Innovationen

Angeheizt wurde die exorbitant in die Höhe schießende Vorfreude auf die Wii vor allem durch Nintendo selbst. Im ersten umfassenden Trailer aus dem Jahr 2006 wurde vor allem auf die Funktionsweise der Wii-Fernbedienung hingewiesen. Schon in Zukunft sollten so gut wie alle Eingaben per Bewegungssteuerung durchgeführt werden können. Zumindest suggerierte das der Trailer. Im Jahr 2020 kann dieser einstige Vorgeschmack nur belächelt werden, da die Möglichkeiten der Wii Remote doch recht begrenzt sind, wie sich in der Praxis zeigt. Dennoch war die Wii zu ihrer Zeit eine enorme Innovation in puncto Gaming.

Die Frage, ob Spiele in einigen Jahren ganz ohne Hände gespielt werden können, wie es im Film Zurück in die Zukunft II angedeutet wird, war auf einmal gar nicht mehr so abwegig. Immerhin erschien mit Kinect aus dem Hause Microsoft Ende 2010 eine konsequente Fortführung des von Nintendo erdachten Konzepts, die aber nicht ansatzweise so beliebt geschweige denn bekannt war. Neben Nintendo haben aber auch Fach- und Fanmagazine auf die Veröffentlichung der Wii mit dutzenden Berichten hingefiebert. Wie gesagt: Nicht jeder Nintendo-Fan hatte zu diesem Zeitpunkt hauseigenen Zugang zum World Wide Web, weshalb gedruckte Magazine den Wissensdurst besänftigten. Diese halfen auch dank der Einbindung von Lautschrifthilfen, wie der ungewohnte Begriff „Wii“ korrekt ausgesprochen wird. Selbst die Magazine waren innovativ!

Angekommen in der Gesellschaft

Auch aus der Populärkultur war die Wii einfach nicht mehr wegzudenken. Am 1. November 2006 lief im US-amerikanischen Fernsehen die South-Park-Episode „Gott ist tot“. Da South Park stets auf aktuelle Ereignisse eingeht, ist es nicht verwunderlich, dass der Launch der Wii in dieser Folge der zehnten Staffel noch drei Wochen entfernt ist. Eric Cartman, eine der vier Hauptfiguren der Serie, kann den Launch nicht mehr abwarten und lässt sich kurzerhand für ein paar Wochen einfrieren. Er wird jedoch erst einige Jahrhunderte in der Zukunft aus dem Kälteschlaf gerissen und muss feststellen, dass die Konsole nur noch in einem technologischen Wissenschaftsmuseum ausgestellt wird. So viel Pech hatte der Autor dieser Zeilen und zugleich auch Cartmans Namensvetter nicht. Zumindest geht die Geschichte ganz anders aus.

In den Wochen vor dem Launch wurde der deutschlandweite Krimi zu einer persönlichen Sache für ihn. Es wurden unzählige Anrufe mit Einzelhändlern wie Kaufhof, Karstadt und Co getätigt. Selbst Pläne hat der Autor geschmiedet, wie er der Berufsschule trotz anstehender Klausur im Fach Rechnungswesen fernbleiben könnte. Eventuell hätten auch noch Freunde um Geld angepumpt werden müssen, denn ohne die drei Launch-Titel The Legend of Zelda: Twilight Princess, Red Steel und Wii Play hätte auch kein umfassender Launch der Konsole zelebriert werden können. Kleiner Spoiler: Es wurde meistens ohnehin nur Wii Sports gespielt.

Unerwartetes Happy End

All diese Vorhaben waren aus unterschiedlichen Gründen wenig erfolgreich. Vor allem die Telefongespräche mit dem Einzelhandel waren unbefriedigend. Karstadt wusste nicht einmal, ob sie überhaupt Konsolen erhalten. Seitens Kaufhofs hieß es wiederum, dass sie zwar Konsolen erhalten, diese aber keinesfalls zur Vorbestellung bereitstehen würden. Selbst ein Tag vor dem Launch, als die Konsolen schon im Lager der besagten Geschäfte standen, war es dem Autor nicht vergönnt, die Konsole vorzubestellen oder gar eine Anzahlung zu leisten. Ob nun die Infrastruktur zu diesem Zeitpunkt oder zumindest in diesen Filialen so miserabel oder die Geschäftspraktik einfach kundenunfreundlich war, sei einmal dahingestellt. Es schien jedoch aussichtslos, überhaupt noch eine Wii zum Launch ergattern zu können. Der 7. Dezember 2006 sollte jedoch viel besser enden, als er überhaupt angefangen hat.

In der Stadt gab es einen Musikladen, der nur am Rande etwaige Filme und Videospiele im Angebot hatte. Auf dem Heimweg kam der Autor an diesem Geschäft vorbei – und da stand sie. Groß angeprangert im Schaufenster! Eine Wii! Sofort eilte der Autor ins Geschäft, zückte seine Geldkarte und fragte, nein verlangte nach der Konsole aus dem Schaufenster. Fünf Minuten später – der Verkäufer wollte in seinem Angstzustand gar nicht groß diskutieren – hat die Wii ihren Besitzer gewechselt. Am Ende war die Vorfreude mit großen Anstrengungen verbunden, die sich am Ende in Luft aufgelöst haben. Der Autor erlebte ein Happy End mit positiven Folgen.

Nie verblassende Erinnerungen

Noch am selben Tag konnte im nächstgelegenen Saturn Red Steel und zumindest noch das Lösungsbuch von Twilight Princess ergattert werden. Am nächsten Tag, nach der Berufsschule und natürlich einer in den Sand gesetzten Klausur im Fach Rechnungswesen, folgte dann noch der damals neueste Teil der The-Legend-of-Zelda-Reihe, Wii Play inklusive zweiter Wii-Fernbedienung und eine Wii Points Card für Virtual-Console-Downloads. Einzig und allein ein zweiter Nunchuk für die zweite Wii-Fernbedienung musste nachbestellt werden. Die Monate nach dem Launch waren zudem von Spielen wie WarioWare: Smooth Moves, Excite Truck, Mario Strikers Charged Football, Resident Evil 4: Wii Edition und anderen Klassikern gesät.

Beim Wörtchen „Klassiker“ wird dem Autor gerade noch einmal seine Sterblichkeit bewusst. Fünfzehn (!) Jahre (!) ist es her, seit die Retro-Konsole (Ausrufezeichen!) neben dem Fernseher des Autors Platz genommen hat. In dieser Zeit folgten über einhundert weitere Titel, die aber nach und nach von der anfangs als Feature angepriesenen Bewegungssteuerung Abstand genommen haben. Euphorie wich Normalität. Ein solches Gefühl hat höchstens noch einmal die PlayStation 5 mit ihrem Controller beim Autor dieser Zeilen ausgelöst. Auch wenn die Wii heute kaum noch im Betrieb sein dürfte, bleiben die Gefühle und Emotionen vom und vor dem Launch unvergessen. Die waren schöner und schlimmer als jeder Kälteschlaf!

Geschrieben von Eric Ebelt