Horrorspiele auf der Wii – von Perlen und Exoten – SPECIAL
Ohne Frage ist die Nintendo Wii eine einzigartige Konsole – selbst für Nintendo-Verhältnisse. Horrorspiele fristen auf dieser Plattform ein ganz besonderes Dasein – im Guten wie im Schlechten. Wir erinnern uns an Perlen und Exkoten und stellen Merkmale fest, die es selbst Jahre später auf der Switch so ähnlich gibt.
Viele Entwickler sahen die Nintendo Wii als Chance an, jenseits der teuren Heimkonsolenkonkurrenz auch kleinere Projekte mit überschaubarem technischem Tiefgang zu realisieren. Der Sprung ins HD-Zeitalter hat schon vielen Entwicklern Kopfzerbrechen bereitet. Mitunter war dies einer der Gründe, warum sich viele Entwickler länger auf günstigeren und etablierten Entwicklungsumgebungen heimisch fühlen wollten. Während die Nachfolgekonsole, die Nintendo Wii U, weder genug Verkäufe ansammeln konnte, um Entwickler zu besonderen Projekten zu animieren, noch eine zugängliche Hardware-Architektur bot, die zu kostengünstigen Experimenten einlud, ist die Videospiellandschaft bezüglich des gruseligen Horrorgenres externer Entwickler genauso staubtrocken wie die gleichnamigen Ruinen aus Mario Kart Wii.
Horror für jedermann
Traditionelle Horrortitel konnten Fans auf der Wii einiges bieten. Ganze fünf Resident-Evil-Ableger, zwei Project-Zero-Episoden und den mitunter besten modernen Silent-Hill-Ableger in Form von Silent Hill: Shattered Memories sind zu nennen, wenn es um die bekannten Marken geht. Auch Fans eines weiteren klassischen Genres wurde sehr gut bedient, welches sich auf der Wii sehr zu Hause fühlt: Rail-Shooter – hier haben es diverse Ableger aus den Resident-Evil-, Dead-Space- und The-House-Of-The-Dead-Universen auf die Konsole geschafft.
Historisch betrachtet fällt die Wii in eine Zeit, in welcher zahllose Lizenzspiele kleinerer Marken die Ladentheken erobern konnten. Dies ging Hand in Hand mit der augenscheinlichen Casual-Gamer-Zielgruppe der Konsole, sodass auch einzigartige lizenzierte Horrorspiele ihren Weg auf die Wii geschafft haben. Zum zehnjährigen Jubiläum der Ju-on-Filmreihe wurde 2009 Ju-on: The Grudge veröffentlicht. Im selben Jahr das Spiel Calling, das ebenfalls auf simples wie leicht zugängliches Gruseln setzt: In beiden Spielen erkunden wir aus der First-Person-Perspektive verlassene und unheimliche japanische Umgebungen und erleben gruslige Momente inklusive Jump-scares. Mit der Wii-Fernbedienung wurde in diesen Spielen oft die Bewegung des Kopfes beziehungsweise der Taschenlampe aus der Ego-Ansicht imitiert – ein Vorbote des noch deutlich populärer werdenden First-Person-Horrors. Bis auf eine eingängige Stimmung haben diese Spiele aber leider nicht viel zu bieten.
Einsam und allein
Deutlich komplexer ist Fragile Dreams: Farewell Ruins of the Moon. Das Action-Rollenspiel ist zwar kein klassisches Horrorspiel, lehnt sich thematisch und grafisch aber klar an dieses Genre an. Ein zerstörtes nächtliches Tōkyō dient als Grundlage für dieses in ein Gefühl der Einsamkeit gehüllte Spiel, in welchem der fünfzehnjährige Seto auf der Suche nach anderen Menschen ist. Dabei muss er sich gegen Geister und Puzzles inklusive Bewegungssteuerungsmechaniken behaupten.
Einsamkeit erlebt auch Bergsteiger Eric Simmons in Cursed Mountain. Im tibetischen Gebirge sucht dieser nach seinem Bruder Frank. In diesem einzigartigen Horror-Szenario, das heute seines gleichen sucht, steigt Eric Kapitel für Kapitel weiter den rauen und eisigen Berg Chomo Lönzo hinauf. Schnell muss er feststellen, dass er sich nicht nur der gewaltigen Bergnatur, sondern auch noch einem buddhistisch-rituellen Geisterhorror stellen muss. Das Survival-Horror-Spiel aus österreichischen Entwicklerhänden ist in vielen Ecken ziemlich schroff – auch spielerisch –, aber besonderes aus heutiger Perspektive können wir uns kompaktere Projekte wie Cursed Mountain nur noch wünschen.
Exotisches aus Japan
Die finstere Sound Novel Imabikisō: Kaimei-hen erschien ursprünglich für die PlayStation 3, schaffte es aber auch auf der Wii leider nie über die japanischen Grenzen hinaus. In diesem skurrilem Genrevertreter versuchen die Studenten Hiroki und Minami hinter die Geheimnisse einer mysteriösen Droge namens Vision zu kommen, die immer mehr Todesopfer fordert. Wie ein Drogentrip sieht auch Imabikisō aus: Extrem düstere wie psychedelische Szenen, gepaart mit realen Bild- und Videoaufnahmen wurden als Hintergründe für die Textzeilen genutzt. Untermalt wird das Ganze von einem bedrohlichen Soundtrack. Waschechte Fieberträume sind damit auf ganzer Linie garantiert!
Ebenfalls exklusiv für Japan erschien Ikenie no Yoru. Übersetzt bedeutet der japanische Titel Nacht des Opfers. Das Survival-Horror-Spiel von Square Enix klingt allerdings sehr massentauglich: Eine Gruppe von Teenagern erkundet ein gruseliges Anwesen voller Geister, denen der Spieler aus dem Weg gehen muss. Die extrem reduzierte Steuerung, das minimalistische Stealth-Gameplay und die wortwörtlich eindimensional eingefärbten Charaktere, die auf die Namen Black, Blue, Red, Yellow sowie Pink hören und entsprechend aussehen, sind leider nicht mehr nur massentauglich, sondern einfach langweilig. Manchmal reichen wenige coole Ideen aus, um selbst über ein mäßiges Spiel hinwegzutäsuchen. Das ist hier leider nicht der Fall.
Ähnlich verhält es sich bei Escape from Bug Island. Das Spiel bietet eine willkommene Abwechslung zum Standard Horror-Setting, ist aber leider ziemlich unausgegoren. Ray, Mike und Michelle sehen sich auf einer abgelegenen Insel voller grotesker Rieseninsekten in ihrem Liebesdreieck gefangen. Das Szenario mit Trash-Charakter kann sich leider weder mit Humor noch echtem Horror retten: Dafür sorgt die grausige Wii-Steuerung und das lahme Gameplay. Escape from Bug Island ist und bleibt ein unterirdisches Spiel, das trotz coolem Setting schon damals aus seiner Zeit gefallen ist – daran ändert sich auch heutzutage nichts mehr.
Nicht alles ist Gold was glänzt
Wofür die Wii selbstverständlich auch bekannt ist, sind fragwürdige Portierungen der Konkurrenzplattformen Xbox 360 und PlayStation 3, denen die Wii technisch nicht das Wasser reichen kann. Trotzdem unternahmen viele Publisher und Entwickler den Versuch, etwas vom Erfolg der Konsole abzugrasen. Ein Spiel, das auf dem Index steht und daher an dieser Stelle namentlich nicht genannt werden darf, war ein Versuch, das Franchise, in dem die Toten auferstehen, auf Nintendos Konsole zu hieven. Auch wenn die Vorlage hier an manchen Ecken durchschimmert, scheitert es einmal mehr an der Steuerung und den konsolenbedingten wie notwendigen Verschlimmbesserungen.
Ähnlich verunglückt ist das Alone-in-the-Dark-Reboot aus dem Jahr 2008. Allerdings war das überambitionierte Projekt schon auf den großen Konsolen problembehaftet. Die Wii-Version stellt einen absurden Versuch dar, diese Spielerfahrung umzusetzen und schafft es nicht einmal, diese zu imitieren. Das Ergebnis ein grauenhaftes Spiel mit tief roten Bewertungen – ein Horror der ganz anderen Art. Heutzutage bietet die Nintendo Switch ein ähnlich technisches Gefälle und auch wenn viele Portierungen nicht sauber laufen, sind solche Totalausfälle aber ebenso selten wie eigens entwickelte abgespeckte Versionen für die Nintendo-Konsole. Es sind verdächtige Merkmale, welche die Zeit wohl überdauern.