Nintendos Foto-Horror: Eine Ablichtung der Project-Zero-Reihe – SPECIAL
Viele Survival-Horror-Serien, die regelmäßig mit neuen Teilen aufwarten können, gibt es heutzutage nicht mehr. Auch um die Project-Zero-Reihe ist es schon seit längerer Zeit still geworden. Dabei besitzt die Videospielreihe viele individuelle Stärken und Erkennungsmerkmale.
Angefangen hat alles 2001 auf der PlayStation 2. Auf der damals noch jungen Plattform wollte das damalige Tecmo und vor allem Makoto Shibata und Keisuke Kikuchi von Project Zero einen bleibenden Horror-Eindruck hinterlassen. Nicht weniger als die „gruseligste Spielerfahrung überhaupt“ sollte es werden. Inspiriert wurde Shibata von klassischen Horror-Geschichten sowie dem Film The Ring. Aber auch seine Alpträume und persönlichen „Geister-Erfahrungen“ verarbeitete er visuell und auditiv in seinen Spielen. Zumindest behauptet er das; wie viele Geister er tatsächlich schon gesehen hat, weiß wohl nur er selbst.
Klassischer japanischer Horror
Project Zero etablierte ein Spielkonzept und ein Setting, auf dem alle weiteren Teile aufbauen sollten. In der Regel sind es junge, wehrlose Protagonisten, die in verfluchte Häuser, Tempelanlagen oder andere traditionell japanische Bauten bei Nacht geschickt werden. Meist auf der Suche nach verlorengegangenen Personen, mit dem Wissen, dass diesen bereits Schreckliches zugestoßen ist.
Der durch und durch japanische Geister-Horror hob sich nicht nur durch sein klar japanisches Setting von Genre-Vertretern wie Silent Hill oder Resident Evil ab. Project Zero schaffte es auch immer wieder mit leisen Tönen und mit den Geschichten, die regelmäßig mit melancholischen und tragischen Themen angereichert sind, zu überraschen. Die Darstellung des Schreckens ist nicht starr materiell wie in Resident Evil (Zombies), nicht materiell wieder aus der Welt zu schaffen (Schrotflinte) und will den Spieler auch nicht durch eine dauerverstörende Darstellung von psychischen Abgründen, begleitet von scharfen Industrial-Klängen wie in Silent Hill in die Klapsmühle bringen.
Eher sind es die subtilen Kleinigkeiten, die uns regelmäßige Schauer über den Rücken jagen. Auch Director Shibata bestätigte, dass ein Großteil des Horrors in den Köpfen der Spieler ausgelöst wird; die Grundlage aller einprägsamsten Horror-Eindrücke, egal in welchem Medium. Auf dem Bildschirm passieren vielleicht nur Andeutungen, der Rest füllt die Imagination des Spielers aus. Die grobkörnige, finstere und teils verschwommene Optik – geschuldet den technischen Limitierungen der ersten Spiele – trägt einen Teil zu diesem Eindruck bei. Vielleicht waren sich die Entwickler dieses Elements gar nicht im Klaren. Den anderen Teil erledigen die Geister, die als Gegnerform auch alles andere als leicht zu erfassen sind.
Albträume aus der Egoperspektive
Project Zero ist durch und durch Survival-Horror, dementsprechend wirkt ein großer Teil der Horror-Erfahrung durch die Einbindung von Gameplay erst richtig. Das beginnt bei der Camera Obscura als Waffe, auf die die Spielfiguren in allen Teilen früher oder später stoßen. Alles andere als übermächtig, werden Geisterwesen durch Schnappschüsse mit diesen alten Fotoapparaten besiegt. Das Besondere dabei: Die Ansicht wechselt beim Knipsen in die Egoperspektive, womit der Schrecken der Gegner auch nochmal wesentlich näher an uns herankommt, als über die sichere Entfernung der festen Kameraperspektiven beziehungsweise der Schulteransicht. Dazu müssen wir viele Gegner erst nahe genug herankommen und ihr schauriges Potenzial entfalten lassen, bevor wir den Auslöser betätigen. Auch um Extra-Schaden zu ermöglichen.
Eine Frage der Perspektive
Der Sprung in der Perspektive hat noch einen weiteren einzigartigen Kniff. Durch die Lise der Kamera ist unsere Sicht wesentlich eingeschränkt und die wabernden Geister haben die Angewohnheit, auch einmal durch Wände zu gleiten oder sich ganz in Luft aufzulösen. Das sorgt für Panik, wenn in brenzligen Situationen auch noch der Überblick über die Position und Nähe der Gegner unklar ist. Dieses Element sorgte für ein gewisses Maß an dynamische Horror-Eindrücke, weil jeder Spieler natürlich zu einem anderen Zeitpunkt die Perspektiven wechselt.
Selbstverständlich gehört auch ein gewisses Maß an Ressourcen-Management dazu; Heilkräuter sind begrenzt (in den besser ausbalancierten Teilen), ebenso wie stärkere Filme für die Kamera, die wir am besten für besondere Gegner aufheben sollten. In allen Spielen lässt sich die Kamera auch aufrüsten, nachdem die Gegner aber auch an Menge und Stärke dazugewinnen, bleibt der Schrecken dennoch meistens erhalten.
Der Start einer Reihe
So einzigartig das Spielkonzept und treffend die Einbindung des japanischen Horror-Settings damals war, so routiniert entwickelte sich die Serie weiter. Bereits 2003 erschien der Nachfolger Project Zero II: Crimson Butterfly. Inhaltlich unabhängig vom ersten Teil, wurde auf dessen Grundlage und durch Verbesserungen fast aller Elemente ein Survival-Horror-Erlebnis kreiert, das bis heute seinesgleichen sucht. Nicht nur innerhalb der Reihe genießt das Sequel ein hohes Ansehen, auch im Diskurs um die besten Survival-Horror-Spiele aller Zeiten, fällt der Name Crimson Butterfly regelmäßig. Im Vergleich zur Rezeption blieb ein Verkaufshit allerdings aus, auch nach Veröffentlichung auf der Xbox.
Der dritte Teil mit dem Untertitel The Tormented versuchte einige neue Elemente in die Reihe einzubinden. So gibt es insgesamt drei spielbare Figuren, es werden Handlungsstränge zu den vorherigen Teilen geschlagen und beim Spielen wird klar, dass auch Silent Hill 4: The Room eine Inspirationsquelle gewesen sein muss. Dieses Mal manifestiert sich der Schrecken in den Träumen der Protagonisten, in denen sich das Haus des Schlafes manifestiert hat und erkundet werden muss. Die einzelnen Kapitel werden von den Tagesabschnitten aufgelockert, in denen wir die Wohnung der Protagonistin erkunden und die Story vorantreiben. Stück für Stück schwappt aber der Horror aus dem Traum in die echte Welt und sorgt für ein Gefühl der stetigen Unsicherheit. Was die Stimmung angeht, ist The Tormented das Highlight der Reihe. Leider kehrt das störende Backtracking aus dem ersten Teil zurück und die Spielwelt wird in der zweiten Spielhälfte zum größten Feind des Spielers.
Nintendos Zug
Auch wenn die Spiele seit dem vierten Teil exklusiv auf Nintendo-Systemen veröffentlicht werden, gehört die Marke selbst auch noch Koei Tecmo. Nintendo besitzt lediglich die Veröffentlichungsrechte und natürlich die Rechte an den Teilen, an denen sie mitentwickelt haben. So auch am vierten Teil Fatal Frame: Mask of the Lunar Eclipse, an dem neben Nintendo, Koei Tecmo selbst, auch Gōichi Suda mit seinem Studio Grasshopper Manufacture mitarbeitete. Letzteres behauptete sogar von sich keine Horror-Spiele zu mögen geschweige denn einmal eines entwickeln zu wollen. Wie die Rollenverteilung der drei Parteien im Detail aussah, ist nicht bekannt. In diesem Fall verdarben die vielen Köche den Brei aber nicht, dafür gab es ein anderes Problem.
Als 2008 das Spiel in Japan für die Wii erschien, hatten unterschiedliche europäische Spielemagazine schon Hinweise auf einen westlichen Release im folgenden Jahr aufgeschnappt, bis die offizielle Absage von Nintendo und Koei Tecmo kam. Warum genau der vierte Teil im Westen nicht veröffentlicht wurde, ist unklar. Jedoch gibt es Hinweise auf interne Streitigkeiten bezüglich eines verheerenden Bugs in der japanischen Version, dessen zusätzliche Entwicklungskosten zur Behebung von keiner Partei getragen werden wollte. Gleichzeitig fällt dieser Vorfall in die Hochzeit der Wii-Ära, in der Nintendo seinen Fokus sicher nicht auf kleine Nischen-Titel hatte.
Dass der vierte Teil dennoch zu den besseren Episoden der Reihe gehört, ist spätestens seit einer Fan-Übersetzung klar. Technisch machte der Teil auch einen perspektivischen Sprung, der in etwa mit dem von Resident Evil 4 zu vergleichen ist. Auch dort machte eine klassische Horror-Reihe zum ersten Mal Bekanntschaften mit der Third-Person-Schulterkamera. Auf dieser technischen Grundlage erschien 2012 ein Remake des zweiten Teils mit dem passenden Namen Project Zero 2: Wii Edition. Auch das Remake konnte die Horror-Stimmung des Originals auf der Wii einfangen, wenn auch auf eine etwas andere Art und Weise. Dieses Mal wurde das Spiel wieder im Westen veröffentlicht, wenn auch nur in Europa.
Qualitätsprobleme
Für den 3DS hatten sich Nintendo und Koei Tecmo etwas ganz Besonderes ausgedacht. Spirit Camera: Das verfluchte Tagebuch erschien ebenfalls 2012, war aber kein vollständiger Ableger, sondern viel mehr ein Spin-off, das stark auf die Kamera und den Augmented-Reality-Elementen des Handhelds setzte. Grundlegend funktionierte das Konzept, das drumherum gebaute Spiel war allerdings unterdurchschnittlich und enttäuschend.
Project Zero: Priesterin des schwarzen Wassers für die Wii U setzte ebenfalls stark auf die Nintendo-Hardware – in diesem Fall auf das GamePad, das als Kamera herhalten musste. Ein interessantes Konzept, allerdings scheiterte der fünfte Teil der Reihe im Endeffekt nicht an der Steuerung. Das Spiel hatte fundamentale Probleme im Spielfluss, im Gameplay und auch der Grusel blieb aus. Zum einem erstrahlte der fünfte Teil aufgrund der neuen Grafik-Engine (bekannt aus Dead or Alive 5) und der HD-Technik in einem wortwörtlich ganz neuen Licht – in diesem Fall in einem zu hellen, sodass in der dazu linearen und sterilen Spielwelt kein Grusel aufkommen kann; zum anderen wegen vielen überflüssigen Fanservice-Elementen, die die Tonalität des gesamten Spiels in Frage stellte.
Zu allem Überfluss gehören auch alle Survival-Elemente der Vergangenheit an, denn der Spieler wird mit Heilitems und frischem Film regelrecht überhäuft. Es ist fast bemerkenswert, wie konsequent der fünfte Teil die gelungenen Elemente der Vorgänger aus der Welt schaffte. Ein weiterer Grund dafür könnte der Einfluss vieler neuer Entwickler innerhalb Koei Tecmos sein, die bisher noch nicht an der Reihe gearbeitet hatten.
Nintendos Rolle
Seitdem die Reihe mit Nintendo in Verbindung steht, werden in den Spielen die Besonderheiten der jeweiligen Hardware prominent eingebunden. Die Wii-Ableger nutzen die Bewegungssteuerung, um die Camera Obscura zu steuern. Der vierte Teil nutzte sogar den eingebauten Lautsprecher der Wii-Fernbedienung, der fünfte vertraute stark auf die GamePad-Einbindung als Kamera und auch das Spin-off des 3DS war ein Versuch, die Augmented-Reality-Technologie des 3DS einzubauen.
Für viele Leute ist der vermeintliche Untergang der Reihe aber immer auch mit Nintendo verbunden. Was die Qualität der Spiele angeht, so ist abgesehen vom Spin-off erst mit dem fünften Teil ein eindeutiger Ausreißer nach unten feststellbar. Die zwei Wii-Teile gehören mitunter zum Besten der Reihe. Zu kritisieren ist aber auf jeden Fall der Umgang mit den Lokalisierungen. Auch wenn es Spiele sind, die international pro Ableger nie mehr als einhunderttausend Exemplare absetzen konnten, sind die Serienteile zu PlayStation-2-Zeiten noch stets international erschienen.
Fragliche Zukunft
Seit dem Release von Project Zero: Priesterin des schwarzen Wassers ist es allerdings um die Reihe still geworden. Kürzlich erinnerte uns Koei Tecmo noch einmal daran, dass Project Zero für sie eine wertvolle Marke ist. Allerdings lässt sich von solchen Aussagen nichts ableiten, denn welche Firma würde ihr Eigentum schon selbst nicht als wertvoll bezeichnen?
Wenn es eines ist, dass die Project-Zero-Reihe in all den Jahren verbindet, dann Makoto Shibata, der bei allen Teilen die Rolle des Directors einnahm. Darüber hinaus sind der Reihe auch bestimmte Kernthemen und Spielfiguren erhalten geblieben, auch wenn sich die Spiele in Sachen Qualität und Look doch stark unterscheiden und auch immer andere Entwickler mitgewirkt haben. Während bei anderen Horror-Reihen die Position des Regisseurs regelmäßig herumgereicht wird, können wir uns auch bei einem potentiellen neuen Teil darauf einstellen, dass Shibata zur Reihe zurückfinden wird.