Astral Chain Bildschrim

Astral Chain – TEST

Wenn Spiele von Platinum Games für eines stehen, dann wohl für coole Kampfsysteme und toll inszenierte Action. Das trifft auch auf den neuen Nintendo-Switch-Titel Astral Chain zu.


Bayonetta-Fans warten schon seit Monaten vergebens auf Informationen zum neuen dritten Teil der Reihe – währenddessen kündigte Platinum Games im Frühling 2019 einen ganz anderen Titel für Nintendos Konsole an und veröffentlicht diesen sogar noch im Sommer desselben Jahres. Eines vorweg: Astral Chain soll unser Schaden nicht sein und ist für Action-Fans mehr als nur ein Spiel zum Überbrücken der Wartezeit auf Bayonetta 3.

An der Klippe zum Abgrund

Astral Chain KampfsystemIn der Welt von Astral Chain ist einiges schiefgelaufen. Nicht nur haben sich die letzten Überreste der Menschheit in einer riesigen Metropole namens Arche versammelt, ihre Existenz hängt dazu noch am seidenen Faden. Interdimensionale Kreaturen namens Chimären bringen die Menschheit ganz schön ins Schwitzen, immerhin verwüsten sie die Stadt, entführen Personen und stecken andere mit dem sogenannten Rotstaub an. Dem entgegenwirken soll Neuron, eine Spezialeinheit der Polizei, der wir uns zum Beginn des Spiels anschließen – wahlweise als männliche oder weibliche Spielfigur. Die Besonderheit: Sie benutzen Legions im Kampf; das sind unter Kontrolle gebrachte Chimären, die sich Dank der blau leuchtenden Astralkette nicht mehr gegen ihre nun menschlichen Nutzer wehren.

Auf Augenhöhe ist der Kampf gegen Chimären trotzdem nicht, denn diese Kreaturen überraschen immer wieder mit neuen Formen und Strategien, um den Menschen das Leben schwer zu machen. Auch die Kontrolle über die Legions ist keine Einbahnstraße und birgt Gefahren, die im Laufe des Spiels zur Geltung kommen. Der Plot ist thematisch nicht schlecht, weißt aber einige Klischees auf, die wir aufgrund der unterhaltsamen Inszenierung aber verzeihen können. Dazu ist das Spiel auch nicht so redselig und versteht es, die Balance zwischen Gameplay- und Story-Abschnitten zu wahren.

Polizeiarbeit der Zukunft

Astral Chain WeltDie meisten Kapitel beginnen recht ähnlich. In der Neuron-Kommandozentrale erhalten wir ein Briefing und rücken anschließend an einen Tatort oder an einen Krisenherd aus – je nachdem was die Chimären wieder angestellt haben. Dort beginnt die Polizeiarbeit. Das heißt, wir untersuchen in abgegrenzten Gebieten die Orte von Interesse und erhalten Informationen, die wir später wiedergeben müssen. Dank der Legions können wir auch Leute aus einer sicheren Entfernung belauschen und sogar mit der Astralkette dingfest machen, wenn sie versuchen zu türmen. Die titelgebende Kette hat eine Menge Funktionen, die meisten werden im Kampf wichtig. Meistens führen uns die Ermittlungen zum Ursprung des Chaos, und dieser lässt sich selten ohne Gewalt in den Griff bekommen.

Kettensprenger

Legion KampfDie gefährlichen, aber auch überaus stylischen, artifiziell anmutenden Gegner, gehen wir mit den Legions zu zweit an. Unser normaler Neon-Schlagstock und die Dienstwaffe verursachen etwas Schaden, per Knopfdruck senden wir unsere Legion aus, die dann automatisch mit angreift. Mit dem rechten Analog-Stick können wir aber auch die Kontrolle über sie gewinnen und damit die mit uns verbundene Astralkette zum Einsatz bringen. Umschlingen wir einen Gegner, wird dieser für einen kurzen Moment betäubt und für alle Angriffe sehr anfällig. Spannen wir die Kette zwischen uns und einem anfliegenden Feind, wird dieser zurückgeschleudert und kassiert ordentlich.

Eingängiges Kampfsystem

Der Einsatz der Kette geht nach der Eingewöhnung leicht von der Hand und wird auch von uns gefordert. Viele Gegner können nur mit einer ganz bestimmten Strategie besiegt werden, der Weg zur Lösung erinnert fast schon ans Puzzeln. Anfangs fiel es uns noch schwer, zwei Figuren gleichzeitig im Auge zu behalten, aber sehr schnell wollten wir auf unsere Legion auf keinen Fall mehr verzichten. Nicht nur, weil sie als Ablenkung dient und von uns Schaden abhält, sondern weil im Duett ein routinierter Kampffluss entsteht. Diesen bekommen nur wenige Actionspiele hin.

Astral Chain StoryDas liegt auch an der Möglichkeit, die Astralkette als Zugseil zu nutzen und uns schnurstracks zu unserer Legion zu befördern. Eine perfekte Möglichkeit, aus brenzlichen Situationen zu entfliehen – und im Flug noch auf Gegner einzutreten. Die Agilität unseres Charakters stellt er auch beim Ausweichen zur Schau. Das richtige Timing wird mit einer Zeitlupe und einer Kontermöglichkeit belohnt. Das alles sind nur die Grundlagen, denn im Hauptquartier schalten wir regelmäßig neue Features und Funktionen frei, mit denen wir unser Kampferlebnis personalisieren können. Das klare Highlight von Astral Chain. Immerhin gibt es auch unterschiedliche Legion-Typen mit eigenen Angriffsanimationen und Talentbäumen. Zwischen diesen können wir jederzeit wechseln.

Rätsel in fremden Dimensionen

LegionDas Upgraden in der Zentrale verbraucht Ressourcen, die wir beim Besiegen der Gegner, beim Erkunden der Welt oder durch das Absolvieren der unzähligen kleineren Nebenaufgaben erhalten. Viele Verbesserungen sind jedoch generisch und verbessern zum Beispiel „nur“ Angriff und Verteidigung. Richtige neue Attacken werden aber auch freigeschaltet. Der Ursprung der Chimären liegt in der Astralebene, die sich visuell mit ihren Dimensionsverzerrungen und vielen Partikeleffekten stark von der echten Welt unterscheidet, aber ansonsten immer gleichbleibt.

Neben Kämpfen erwarten uns hier auch kleinere Rätsel, die von uns Verlangen, die Funktionen der Legions im Zusammenhang mit der Umgebung neu zu kombinieren. So kann die Pfeillegion weit entfernte Ziele aktivieren und die Armlegion jedes Hindernis im Nu beseitigen. Leider sind viele Abschnitte in den Astralebenen zu lang und ermüden mit dem immer gleichen Design. Das ist schade, immerhin überraschen die meisten Kapitel nach dem gemütlichen Einstieg mit einigen Wendungen, die Astralebene macht dieses schöne Pacing oft zunichte.

Cyberpunk-Soundtrack

Nicht unerwähnt darf der Soundtrack von Satoshi Igarashi bleiben, der die Cyberpunk-Welt von Astral Chain in eine ganz besondere Stimmung taucht. Diese ist gleichzeitig entspannend und bringt die Gefahren durch Chimären trotzdem gut zur Geltung. Die englischen Sprecher machen ihre Arbeit sehr gut, im Menü können wir ebenfalls zur japanischen Audiospur wechseln. Auch nach dem Abspann nach zwanzig Stunden ist das Abenteuer noch nicht gegessen. Zusätzliche Herausforderungen bieten hier genug, um auch in einem Durchgang nochmal so viel Zeit zu verbringen.

Astral Chain ZwischensequenzAnsonsten sind es vor allem Kleinigkeiten, die uns an Astral Chain stören. Wir können zum Beispiel nicht verstehen, warum der Lebensbalken eines Gegners erst angezeigt wird, nachdem wir unseren Scanner einmal aktiviert haben. Das sorgt in hektischen Situationen nur für zusätzlichen Stress. Auch das Anvisieren von sehr mobilen Gegnern wird manchmal zum Problem. Wir empfehlen übrigens den höheren der beiden Schwierigkeitsgrade, der am Anfang zur Auswahl steht. Das Spiel will euch nach jedem Kapitel zwar unverständlicherweise immer wieder davon abbringen, in diesem weiterzuspielen. Selbst nach dem Tod können wir begrenzt oft an Ort und Stelle wiederkehren und weitermachen, sodass uns der Tod kaum im Weg steht. Dieser Schwierigkeitsgrad bietet eine solide Herausforderung für Spieler, die sich nicht zum routinierten Kreis der Platinum-Games-Spieler zählen. Denn Astral Chain richtet sich nicht nur an Kenner der Werke des Entwicklerstudios, sondern wird auch unerfahrenen Spielern eine Menge Spaß bereiten.

Geschrieben von Jonas Maier

Fazit:

Astral Chain bietet nicht nur herausragende Action, Platinum Games versteht diese auch gebührend zu inszenieren. Auch ohne ein Meister des Action-Genres zu sein, hatte ich schon nach wenigen Stunden die volle Kontrolle über die Legion und ging jeden neuen Endgegner mit Freuden an – auch im höheren der zwei Schwierigkeitsgrade, den ich als ideal empfand. Der tolle Kampffluss sog mich schnell in seinen Bann. Am meisten Spaß machen mir die Kämpfe, wenn ich wirklich versuche, alle Möglichkeiten der Legions auszunutzen und zwischen unterschiedlichen Strategien zu wechseln. Das Spektakel auf dem Bildschirm und die hohen Schadenswerte sind Belohnung genug.

Etwas unübersichtlich finde ich die Menüs, vor allem neue Fähigkeiten auszurüsten und überhaupt zu erkennen, was diese bewirken, erwies sich nicht als so einfach, wie es hätte sein können. Neben dem Kampfsystem konnte mich aber auch die optische und akustische Gestaltung überzeugen, die Hand in Hand die neondurchflutete Stadt in Szene setzen. Ohne Zweifel ist Astral Chain eine der besten Action-Spiele der Nintendo Switch und setzt auch schon mal für Bayonetta 3 die Messlatte gehörig hoch!