Atelier Yumia: Die Alchemistin der Erinnerungen und das erträumte Land – TEST
Als Mitglied einer Expeditionsgruppe erforscht Alchemistin Yumia in Atelier Yumia: Die Alchemistin der Erinnerungen und das erträumte Land einen alten Kontinent und dessen untergegangene Zivilisation. Dabei setzt das Rollenspiel auf eine offene Welt, viel Erkundung, Echtzeit-Kämpfe und weniger Alchemie als die Vorgänger. Kann der Mittelweg zwischen klassischem Japan-Rollenspiel und Atelier-Reihe funktionieren?
Koei Tecmo und Gust gehen mit Atelier Yumia: Die Alchemistin der Erinnerungen und das erträumte Land neue Wege in der langjährigen Rollenspiel-Reihe, die ihren Ursprung bereits in Atelier Marie: The Alchemist of Salburg auf der ersten PlayStation hatte. Bei der Geschichte bleiben bekannte Elemente wie eine Alchemistin als Hauptfigur zwar erhalten, das Spiel setzt aber noch stärker als die Atelier-Ryza-Trilogie auf eine dramatische und wendungsreiche Abenteuer-Geschichte. Die oft mit der Reihe in Verbindung gebrachte entspannte und leichtgängige Atmosphäre rückt dafür zumindest teilweise in den Hintergrund. Gleichzeitig erhält das Erkunden dank einer offenen Spielwelt noch mehr Bedeutung, während die Kämpfe actionreich in Echtzeit ablaufen. Allerdings geht das auf Kosten eines komplexen Alchemie- und Synthese-Systems, was für ein Atelier-Spiel unüblich ist und gerade langjährigen Fans nicht gefallen könnte. Ebenfalls eine große Neuerung: Atelier Yumia hat erstmals in der Reihe ins Deutsche übersetzte Texte erhalten.
Abgelehnte Alchemistin

In der Welt von Atelier Yumia gilt Alchemie als großes Tabu, weshalb all jenen, die sich damit befassen, mit Misstrauen und Hass begegnet wird. Wie sich das auswirkt, erfahren wir bereits direkt nach Spielbeginn, da Yumia als Alchemistin einer Expeditionsgruppe angehört, deren Mitglieder ihr skeptisch gegenüberstehen. Trotzdem wurde sie zu der groß angelegten Erforschung eines alten Kontinents und der Ruinen des dort einst blühenden, großen und mächtigen Kaiserreichs Aladiss eingeladen. Die Gründe dafür werden relativ früh in der Geschichte offenbart und hängen mit Yumias Fähigkeiten als Alchemistin zusammen. Denn nur sie kann von Mana verseuchte Bereiche reinigen und somit für die restlichen Mitglieder der Expedition dauerhaft erschließen. Ein zentrales Gameplay-Element, das genutzt wird, um die offene Spielwelt Stück für Stück freizulegen.
Nachdem bereits Atelier Sophie 2 und Atelier Ryza 3 auf große, weitläufige, aber voneinander getrennte Gebiete gesetzt haben, verfügt Atelier Yumia über eine richtige Open World. Entsprechend ist es möglich, die weitläufigen Regionen frei zu erkunden. Zwar gibt es kleinere Einschränkungen, wie die von Mana verseuchten Bereiche, doch sobald wir gelernt haben diese zu säubern, stehen uns nur noch wenige Hindernisse beim Erkunden im Weg. Lediglich an den Verlauf der Geschichte müssen wir uns manchmal anpassen – besonders, wenn wir in ein neues Gebiet wollen. Die verschiedenen Regionen der offenen Spielwelt sind durch schlauchige Abschnitte miteinander verbunden, wodurch Ladezeiten kaschiert werden. Das fällt besonders anhand der langen Wartezeit bei Schnellreisen zwischen zwei Gebieten auf. Negative Auswirkungen hat das aber nicht, zumindest nicht größere als die sowieso recht langen, aber abseits der Schnellreisen seltenen, Ladezeiten. Für die Erkundung der Spielwelt gibt es einige gute Gründe, schließlich warten Nebenbeschäftigungen, Geheimnisse und Schätze, die oftmals wertvolle Belohnungen oder Charakterverbesserungen bringen, auf uns.
Freie Erkundung

Erkundung steht sehr weit oben im Konzept des Rollenspiels. Das ist angesichts der ersten Open World der Reihe nachvollziehbar. Bereits Atelier Ryza 3: Alchemist of the End & the Secret Key hat uns in den weitläufigen, großen Gebieten viel entdecken lassen. Atelier Yumia baut das noch weiter aus. Verknüpft wird das mit der spannenden Geschichte, die sich mit der Expedition des verlassenen Kontinents, dessen Vergangenheit, den Geheimnissen des Kaiserreichs Aladiss und der Bedeutung der Alchemie befasst. Die Geschichte weiß immer wieder zu motivieren, was auch den gut geschriebenen Charakteren zu verdanken ist. Yumia ist eine sympathische Protagonistin, die genauso wie ihre Begleiter und wichtige Nicht-Spieler-Charaktere schnell ins Herz geschlossen sind. Dabei ist die Alchemistin von Anfang an mit ihrer lebendigen Laterne Flammi und den Geschwistern Viktor und Isla unterwegs, wodurch jederzeit lebendige und charmante Interaktionen und Gespräche möglich sind. Außerdem wird die besondere Rolle von Yumia als Alchemistin und die Abneigung sowie Skepsis ihr gegenüber sehr gut betont. Später schließen sich der Gruppe noch drei weitere, genauso überzeugende Charaktere an. Kleinere Klischees und Stereotypen fallen nicht negativ auf.
Wie bereits erwähnt, nimmt das Alchemie-Synthese-System eine geringere Rolle ein als in den Vorgängern. Da wir mit Yumia eine Alchemistin spielen, bleibt das Herstellen von Gegenständen natürlich trotzdem präsent. Regelmäßig ist es erforderlich, Yumias Fähigkeiten zu nutzen, um neue Ausrüstung oder für die Geschichte benötigte Objekte zu erschaffen. Allerdings bleibt gerade letzteres eine Ausnahme und kommt deutlich seltener vor als von der Reihe gewohnt. So benötigen wir erst spät synthetisierte Gegenstände, um Hindernisse zu überwinden oder Aufgaben zu erfüllen, die für den Spielfortschritt erforderlich sind. Dadurch verliert die Alchemie abseits von Yumias Rolle und der Bedeutung in der Geschichte etwas an Relevanz. Dazu trägt auch die schnelle Synthese bei. Dabei handelt es sich um eine der sinnvollsten und besten Neuerungen von Atelier Yumia. Die Protagonistin kann jederzeit Items wie Verbände, Munition oder Reparaturkästen herstellen. Eine wirkliche Quality-of-Life-Verbesserung. Gerade Fans der Atelier-Reihe könnten sich dennoch an dem abgeschwächten Alchemie-System stören. Gleichzeitig wird die Reihe zugänglicher für Neulinge und fühlt sich stärker wie andere Japan-Rollenspiele an, ohne vollständig die Eigenständigkeit der Reihe zu verlieren.
Actionreiche Konfrontationen

Bei den Kämpfen folgt Atelier Yumia ebenfalls dem bereits zuvor eingeschlagenen Weg zu mehr Action und Tempo. Dabei löst sich das Rollenspiel fast vollständig von den rundenbasierten Wurzeln der Reihe und setzt auf ein Echtzeit-System mit Cooldown-Fähigkeiten. Die aktive Gruppe aus drei der sechs Charakteren führt per Button verschiedene Angriffe, Zauber und Fähigkeiten aus oder setzt Items ein. Zusätzlich ist es möglich, jederzeit zwischen den aktiven und inaktiven Charakteren zu wechseln, gemeinsame Freundschaftsangriffe durchzuführen und Spezialaktionen einzusetzen. Eine taktische Note erhalten die Kämpfe durch zwei verschiedene Entfernungen zu den Gegnern zwischen denen wir aktiv wechseln müssen, um feindlichen Angriffen auszuweichen oder bestimmte Angriffe nutzen zu können. Besonders in den großartig inszenierten Bosskämpfen ist das essentiell. Allerdings fällt die Herausforderung gerade zu Beginn etwas niedrig aus. Leveln wir regelmäßig, achten auf unsere Ausrüstung und investieren in neue Fähigkeiten, ändert sich daran nur bedingt etwas. Hier können die unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade Abhilfe schaffen und für jeden Rollenspiel-Fan die gewünschte Herausforderung ermöglichen.
Eine weitere Besonderheit und Neuerung von Atelier Yumia ist das Errichten von Basen. Haben wir einen Bereich von der Mana-Verseuchung befreit, steht uns ein neuer Bauplatz zur Verfügung. Hier dürfen wir mit den bereits freigeschalteten Vorlagen entweder nach Blaupause oder komplett frei ein Gebäude errichten. Verschiedene Wände, Böden, Dächer sowie Verzierungen liefern uns viele Variationsmöglichkeiten. Zumal Grundstruktur und Aufbau uns überlassen sind. Genauso ist es möglich, die Umgebung eines Hauses frei zu gestalten. Ob wir eine einfache Holzhütte bauen oder uns ein luxuriöses Anwesen mit Terrasse errichten, die Möglichkeiten sind groß, wenn auch angesichts der begrenzten Bauflächen und starren Bauteile nicht komplett frei. Mit Gemälden, Lampen und Möbeln können wir das Haus und Grundstück noch weiter anpassen. Ebenfalls haben wir die Möglichkeit, den Alchemie-Kreis, Werkbank und Ähnliches zu nutzen, wodurch wir mehr als ein Atelier haben. Gerade angesichts der offenen Spielwelt sehr praktisch.
Ordentliche Umsetzung mit Schwächen

Grafisch ist Atelier Yumia das bisher wahrscheinlich schönste Spiel der Rollenspiel-Reihe. Die detaillierten Charaktermodelle wissen mit dem üblichen Anime-Stil und individuellem Design zu überzeugen. Dafür zeigen sich die Umgebungen trotz guter Wasser- und Lichteffekte sowie dichter Flora und Fauna matschige Texturen und nachladende Details. Wirklich zeitgemäß ist die Optik auf der Nintendo Switch nicht. Zudem fallen einige spürbare Einbrüche der Bildwiederholrate auf. Grundsätzlich ist die Performance mit dreißig Bildern pro Sekunde zwar ausreichend, diese gehen aber öfter in die Knie, was zu Rucklern führt. Selten kann es sogar vorkommen, dass das Bild kurzzeitig komplett einfriert. Einen spürbaren Unterschied gibt es hierbei zwischen Handheld-Modus und Spielen am Fernseher nicht. Dafür weiß der stets passende und stimmungsvolle Soundtrack zu gefallen, während die deutschen Texte gut geschrieben sind und die japanische Sprachausgabe zur Atmosphäre beiträgt. Glücklicherweise hat die problembehaftete Performance nur wenig Einfluss auf den Spielspaß. Wer die Möglichkeit hat und Wert auf ein flüssiges Spielerlebnis legt, sollte Atelier Yumia jedoch auf einer anderen Konsole oder dem PC spielen.
Geschrieben von Alexander Geisler
Fazit:
Als Atelier-Fan war ich sehr gespannt auf Atelier Yumia: Die Alchemistin der Erinnerungen und das erträumte Land. Nicht nur, dass erstmals ein Spiel der Reihe eine deutsche Übersetzung erhält, auch beim Gameplay wurden einige Modernisierungen sowie eine Open World versprochen. Diesbezüglich hat Atelier Yumia meine Erwartungen sogar noch übertroffen. Die offene Spielwelt motiviert mich zum Erkunden und die spannende Geschichte fesselt mich immer wieder aufs Neue, was auch den sympathischen Charakteren zu verdanken ist. Genauso begeistern mich die rasanten Echtzeitkämpfe und die zahlreichen Nebenbeschäftigungen. Lediglich das weniger präsente Alchemie-System und die damit einhergehende, selten für die Handlung notwendige Synthese, hat mich als Atelier-Fan ein wenig ernüchtert. Dadurch verliert Atelier Yumia ein wenig die Besonderheit der Reihe, ist gleichzeitig aber zugänglicher für JRPG-Fans. Ein richtiger Schritt, welcher der Reihe Aufmerksamkeit neuer Zielgruppen bescheren könnte. Deshalb sollten gerade Fans anderer japanischer Rollenspiele Atelier Yumia unbedingt eine Chance geben. Doch auch Fans der Vorgänger erhalten wieder ein spannendes, motivierendes und spaßiges Abenteuer.







