Baldur’s Gate & Baldur’s Gate II: Enhanced Editions – TEST
Mit Baldur’s Gate & Baldur’s Gate II: Enhanced Editions ist eine Sammlung von wahren Rollenspielklassikern auf die Switch gekommen, die sich sehen lassen kann. Mitsamt ihrer Erweiterungen sind die beiden Baldur’s-Gate-Titel für mehrere hundert Spielstunden gut.
Als Baldur’s Gate im Jahr 1998 erschien, war Rollenspiel, etwa nach dem Dungeons-&-Dragons-Regelwerk, schon ein weit verbreitetes Phänomen. Pen-&-Paper-Rollenspiele, sich also zusammen um den Tisch zu setzen und Geschichten zu erzählen, die sich währenddessen entwickeln, funktionierte jedoch nur in einer Gruppe. Für Einzelspieler gab es nur wenige Möglichkeiten. Das änderte sich zum Glück, als BioWare Baldur’s Gate veröffentlichte. Hier konnten sich Pen-&-Paper-Freunde nach Herzenslust austoben, sich aus vielen Völkern und Klassen einen eigenen Spielcharakter erstellen und mit diesem in die Welt ziehen. Diese Erfahrung gibt es nun auch in der Enhanced Edition auf der Switch.
Baldur’s Gate spielt in der zum Rollenspielsystem Dungeons & Dragons erfundenen Welt, den „Vergessenen Reichen“. An der Schwertküste, einem westlich gelegenen Küstenstreifen des Landes Faerûn, liegt die Stadt Baldurs Tor, im Englischen Baldur’s Gate, die dem Spiel seinen Namen gibt. Die Schwertküste mit Baldurs Tor und den weiter südlich gelegenen Gebieten Tethyr und Amn ist Dreh- und Angelpunkt der Geschichte von Baldur’s Gate. Der im Jahr 2000 veröffentlichte und ebenfalls in dieser Sammlung enthaltene Nachfolger Baldur’s Gate II: Schatten von Amn basiert auf den gleichen Regeln und der gleichen Welt, spielt zum Teil auch in Amn, aber zum Beispiel auch in der Elfenstadt Suldanessalar.
Besonders gut gefällt uns die Tatsache, dass sich beide Spiele einander gut ergänzen, aber auch einzeln begonnen werden können. Als weitere Ergänzung gesellt sich hier noch die erst 2016 ursprünglich erschienene Erweiterung Siege of Dragonspear zu, die die Geschichte zwischen dem ersten und zweiten Teil erzählt. Ebenfalls sind die Erweiterungen Die schwarzen Gruben, Thron des Bhaal und Die schwarzen Gruben II enthalten, die den Umfang der Sammlung erheblich steigern. Sollten wir uns nach dem Durchspielen des ersten Teils dafür entscheiden, können wir unseren Charakter mitnehmen, was die Spielerfahrung zusammenhängender macht und uns den ohnehin schon liebgewonnenen Helden bis ganz zum Ende der Geschichte noch näher bringt. Bis dahin ist aber ein langer Weg.
Vielfalt bei der Charaktererstellung
Wie in vielen Rollenspielen üblich, beginnen wir mit der Erstellung unseres Charakters. Hier stehen uns die Geschlechter Mann und Frau zur Verfügung; jeweils mit dem Hinweis, dass in der Welt von Baldur’s Gate das Geschlecht keine Rolle auf den Status hat, nur auf eventuelle Liebschaften. Wir können aus verschiedenen Völkern wählen, die, wie alle anderen Optionen, dem Grundregelwerk Advanced Dungeons & Dragons entstammen. Hierbei zeigt uns das Spiel schon eine seiner Haupteigenschaften: Text. Wer hier in die Haut eines Helden schlüpfen möchte, kommt nicht drum herum, viel zu lesen und sich seine eigenen Gedanken zu Werten, Verbesserungen und Möglichkeiten zu machen – Baldur’s Gate ist seiner Pen-&-Paper-Vorlage treu geblieben.
Bei der Wahl des Volkes zeigen sich erste spielentscheidende Unterschiede. So können Menschen andere Dinge als Elfen, Zwerge oder gar Halborks. Selbiges gilt in größerem Maße bei der Klassenwahl, die uns von Kämpfer über Magiern und Dieben bis hin zu Klassenkombinationen viele Varianten bietet – abhängig von unserem Volk. Eine Besonderheit bei Dungeons & Dragons ist das Gesinnungssystem, das eine Matrix aus rechtschaffen, neutral und chaotisch zu gut, neutral oder böse bietet. Kleriker etwa sind üblicherweise rechtschaffen gut, Diebe können hingegen chaotisch gut sein, wie etwa Robin Hood, oder chaotisch böse, wenn sie etwa alles für ihren eigenen Vorteil nutzen. Hier können wir grob festlegen, welche Art Held wir sein wollen.
Im Pen-&-Paper-Rollenspiel werden die körperlichen Werte bei einer Charaktererstellung üblicherweise ausgewürfelt, so auch bei Baldur’s Gate. Mit jedem durch im Laufe des Spiels gesammelte Erfahrungspunkte erreichten Charakterlevel steigern sich die Körperwerte, wie auch die Fertigkeiten, die beschreiben, wie gut unser Held mit bestimmten Dingen umgehen kann. Sollten wir eine Klasse mit Zauberfähigkeiten gewählt haben, können wir hier auch gleich die ersten Zauber festlegen, mit denen wir gegen die Gefahren der Welt angehen können. Hier bietet Dungeons & Dragons umfangreiche, teils sehr mächtige Optionen für alle möglichen Klassen. Abschließend können wir noch unser Aussehen bestimmen und unsere Stimme sowie unseren Namen festlegen.
Hinaus in die Welt
Unsere nächste Entscheidung ist der Schwierigkeitsgrad des Spiels mit mehreren Optionen zwischen Story-Modus, in dem wir nur mit Mühe sterben können, und „Vermächtnis des Bhaal“, was uns das Leben sehr schwer macht. Als goldene Mitte stehen hier die originalen Regeln von Advanced Dungeons & Dragons zur Verfügung, mit denen wir dem Pen-&-Paper-Rollenspiel am nächsten kommen. Wer auf taktische Spiele keinen großen Wert legt oder es lieber einfach mag, der wählt einfach mitten im Spiel einen anderen Schwierigkeitsgrad. Einzig die schwierigste Variante lässt sich nicht mehr nachträglich wählen.
Es gibt in der Enhanced Edition von Baldur’s Gate ein zu Anfang separat zu wählendes Tutorial, das uns anhand praktischer Beispiele die Steuerung von Bewegung über Inventar bis hin zu Gruppenoptionen erklärt. Das möchten wir euch hier wärmstens ans Herz legen, denn für Neulinge oder Kenner der PC-Fassung von Baldur’s Gate gibt es hier einiges zu lernen. Alternativ oder ergänzend können wir zu Anfang des tatsächlichen Spiels etliches bei Lehrern nachlesen oder sogar ausprobieren.
Ein vorgelesener Text über den Ausgangspunkt Kerzenburg und die Vorgeschichte unseres Waisen-Helden beginnt unsere Geschichte. Wichtige, story-relevante Texte werden in Baldur’s Gate grundsätzlich vorgelesen, Nebenstories und unwichtigere Gespräche müssen nur mit Text auskommen. Das hilft bei der Erkennung, ob ein Dialog von Bedeutung ist oder nicht, nimmt dem Spiel aber etwas die Immersion. Anschließend werden wir direkt vor das Wirtshaus in Kerzenburg gestellt, von wo aus wir uns frei bewegen und der Geschichte folgen können – ganz wie in einem guten Rollenspiel mit Freunden um einen Tisch herum.
Atmosphäre in altertümlicher Darstellung
Grafisch reißt Baldur’s & Baldur’s Gate II: Enhanced Editions im Jahr 2019 keine Bäume mehr aus. Durch die Anpassungen der Enhanced Edition ist das Interface zwar erheblich moderner und zugänglicher als es das Original seinerzeit war, doch in mittleren bis nahen Zoom-Stufen sind dem Spiel seine Jahre deutlich anzusehen. Das ist zwar schade, aber letztlich auch kein großes Hindernis, denn es gibt genug Verbesserungen, die das Spiel in der Form lohnenswert machen. So sind etwa sämtliche interaktiven Elemente deutlich farblich hervorgehoben, so dass wir sie sehr leicht erkennen können, statt mit dem Mauszeiger auf dem Bildschirm suchen zu müssen.
Passend für die Switch gibt es verschiedene Schriftgrößen-Optionen, die die Texte teils erheblich angenehmer zu lesen machen. Hierbei stößt das Spiel allerdings manchmal auf Probleme. Meistens bleiben die Schriften klein, wenn der Platz nicht ausreicht, um sie größer darzustellen. Das ist zum einen ungeschickt, weil sie dadurch nicht besser lesbar sind, zum anderen tritt es aber auch gar nicht auf, sondern der Text wird schlicht in manchen Darstellungen abgeschnitten, etwa bei neuen Aufgaben-Einblendungen. Diese können wir dann später im Journal nachlesen, angenehmer ist das dadurch aber nicht. Dafür nimmt uns das Spiel atmosphärisch mit und sorgt mit guter Musik und Sprachausgabe sowie gelegentlichen nicht in den Originalen enthaltenen handgezeichneten Zwischensequenzen für eine gute Spielbarkeit. Löblich ist, dass es eine multinationale, auch deutsche Sprachvariante zum nachträglichen Herunterladen gibt – die gibt es allerdings nicht für Siege of Dragonspear, hier müssen wir uns mit Englisch begnügen.
Bequeme Controllersteuerung über das ganze Abenteuer hinweg
Beim Tutorial schon fällt auf, dass die Steuerung angenehm von der Hand geht, denn der Controller ist gut genutzt. Wir können mit dem rechten Stick stetig den Kameraausschnitt des in isometrischer Perspektive vorgerenderten Spiels verschieben, mit den Pfeiltasten die Zoomstufe verändern oder das gesamte gerade geladene Gebiet überblicken. Der linke Analogstick steuert wahlweise unseren Charakter, beziehungsweise die gesamte Abenteuergruppe aus bis zu sechs Mitgliedern, lässt sich aber auch über die rechte Steuerkreuztaste für eine Cursorsteuerung verwenden, mit der wir Wegpunkte und Gegner für unsere Charaktere festlegen können.
Da das Spielsystem rundenbasiert ist, lässt sich das Spielgeschehen jederzeit pausieren und jedem Gruppenmitglied können neue Befehle gegeben werden. Letzteres ist bei Zaubersprüchen hilfreich bis nötig und erfordert bei komplexeren Angriffsszenarien schon mal eine gewisse Liebe zur Strategie und Taktik. Viel von der Geschichte wollen wir hier gar nicht erzählen, doch es beginnt spannend, denn wir wissen anfangs noch nicht viel und werden von einem Ereignis in das nächste geworfen. Hier und da bieten sowohl Baldur’s Gate als auch Baldur’s Gate: Schatten von Amn zwar Längen, doch insgesamt lohnt sich die epische Geschichte zu erleben. Da sich aus unserer Wahl der Abenteuergruppe teils andere Lösungen ergeben, kann sogar mehrfaches Durchspielen sich lohnen.
Baldur’s Gate lässt uns die ersten zehn Stufen unseres Charakters erleben, mit denen wir uns am Ende schon ziemlich mächtig fühlen – jedoch nur, bis uns Baldur’s Gate: Schatten von Amn zu Anfang wieder etwas zurückwirft und uns dann in den Stufen elf bis zwanzig bis ans höchste Charakterlevel von Advanced Dungeons & Dragons bringt.
Geschrieben von Arne Ruddat
Fazit:
Rollenspiele waren lange Zeit ein großer Teil meines Lebens, doch hatte ich früher keinen passenden PC, mit dem ich hätte Baldur’s Gate oder seinen Nachfolger spielen können. Darum bin ich so froh über diese Enhanced Edition der beiden Titel, denn die Geschichte ist mitreißend, spannend und ich kann sie unterwegs erleben. In den Momenten, wo ich keine Abenteuergruppe aus Freunden zusammenbekomme, um mich mit ihnen zu treffen und voller Spaß Geschichten am Tisch erleben kann, ist Baldur’s Gate ein sehr willkommener Ersatz, der mit mir als alleinigem Spieler auskommt. Für Leute, die eine klassische Rollenspiel-Erfahrung suchen, aber keine Möglichkeit des gemeinsamen Spielens mit Freunden haben, ist Baldur’s Gate & Baldur’s Gate II: Enhanced Editions ein toller Zeitvertreib, der sich wirklich lohnt.