Bayonetta 3 – TEST
Fast fünf Jahre nach der Ankündigung im Dezember 2017 ist Bayonetta 3 Ende Oktober 2022 für die Nintendo Switch erschienen. Platinum Games, Sega und Nintendo schicken uns an der Seite der Umbra-Hexe in ein actionreiches Abenteuer, bei dem das Schicksal des Multiversums auf dem Spiel steht.
Ohne die Neuveröffentlichung für die Switch zu berücksichtigen, sind seit Bayonetta 2, dem letzten neuen Serienteil, mittlerweile acht Jahre vergangen. Acht Jahre, in denen Fans der titelgebenden Umbra-Hexe auf eine Fortsetzung warten mussten – und das obwohl wir bereits seit Dezember 2017 wissen, dass Bayonetta 3 erscheinen soll. Das nun endlich erhältliche Hack-and-Slash-Actionspiel offenbart auf den ersten Blick klassische Genrekost, zeigt aber zugleich einige Neuerungen und Veränderungen. Darunter mehrere spielbare Charaktere sowie Fähigkeiten für Bayonetta. Alle Ändeurngen im Vergleich zu den Vorgängern wirken sich jedoch nicht positiv auf den Spielspaß aus.
Actionreiche Multiversums-Rettung
Bayonetta 3 beginnt wie schon die Vorgänger mit einer kinoreif inszenierten Eröffnungsequenz, in der wir Bayonetta von ihrer besten Seite erleben. Schon im Vorfeld der Veröffentlichung war bekannt, dass wir es im dritten Serienteil nicht nur mit einer Version der Umbra-Hexe zu tun bekommen. Entsprechend überrascht das Ende des Prologs nur bedingt und die Überleitung zum grandios inszenierten ersten Kapitel ist gelungen. Hier lernen wir die Grundlagen des Actionspiels kennen und stellen schnell fest, dass Platinum Games viele Combos und Kampfmanöver aus den Vorgängern übernommen hat. Eine großartige Idee, da sich Fans so schnell in das actionreiche Gameplay einfinden können, ohne dass Neulinge abgeschreckt werden.
Haben wir die ersten Kämpfe gegen die neuen Gegner, die Homunkuli, abgeschlossen, erfahren wir endgültig die wichtigsten Details der Geschichte. Dafür tritt nach dem Prolog erneut Viola, eine punkige junge Nachwuchshexe, in Erscheinung. Antagonist Singularity versucht die Welten des Multiversums zu vernichten, um eine Welt nach seinen Vorstellung zu erschaffen. Um ihn aufhalten zu können, müssen Bayonetta, Jeanne und Viola ins Alphaversum gelangen. Dafür benötigen sie Chaos-Getriebe und den Wissenschaftler Dr. Sigurd. Deshalb reisen Bayonetta und Viola auf die geheimnisvolle Insel Thule, auf der einst Forschungen zum Multiversum durchgeführt wurden und Portale in andere Welten existieren. Derweil begibt sich Jeanne auf die Suche nach Dr. Sigurd.
Unnötige Weitläufigkeit
Auf Thule angekommen, stellen wir sofort fest, dass die Insel zwar linear, aber recht weitläufig aufgebaut ist. Sofort kommen uns Gedanken, dass hier Ansätze einer nicht umgesetzten offenen Hub-Welt zugrunde liegen. Auch spätere Abschnitte auf Thule unterstreichen unseren Eindruck und sind für uns ein Beweis, das selbst kleine Ansätze von Open Worlds in manchen Spielen überflüssig sind. Thule ist zu weitläufig, bietet zu wenig zu entdecken und ist insgesamt zu langweilig. Selbst potenzielle Geheimnisse oder wichtige Gegenstände haben uns nur bedingt motiviert, die als Verbindung zwischen den Multiversum-Welt dienenden linearen Insel-Abschnitte wirklich zu erkunden. Leider zeigt sich die unnötige Weitläufigkeit auch in den klassischeren Leveln.
Grundsätzlich haben uns die Level selbst weitaus besser gefallen als die Thule-Abschnitte. Als Bayonetta und Viola bereisen wir unterschiedliche Welten des Multiversums und bekommen somit auch verschiedene Schauplätze inklusive alternativen Bayonettas geboten. Zwar hätten einige der Level für uns weniger Weitläufigkeit verdient gehabt, um den Fokus auf den Kern von Bayonetta zu legen, doch grundsätzlich kann das Hack and Slash meist die größten Stärken ausspielen: die Kämpfe. Diese sind gewohnt actionreich, schnell und spaßig umgesetzt. Platinum Games beweist einmal mehr ein Händchen für unterhaltsame Action-Auseinandersetzungen. Wie Eingangs erwähnt reihen wir schnell Combos aus Schlägen, Tritten, Schussangriffen und Sprüngen aneinander. Im Laufe des Spiels findet Bayonetta einige neue Waffen, die sich maßgeblich auf das Spielgefühl auswirken.
Dämonische Verbündete
Eine große Neuerung sind die Dämonen, die wir jederzeit in den Kämpfen beschwören können. Dafür rüsten wir bis zu drei der höllischen Verbündeten aus und wechseln sie fließend über das Steuerkreuz des Pro Controllers. Rufen wir einen von ihnen als Unterstützung an unsere Seite, bedeutet das allerdings, dass Bayonetta an Ort und Stelle verharrt, während wir die Kontrolle über den jeweiligen Dämon übernehmen. Mit wuchtigen Angriffen, fixen Techniken und hilfreichen Fähigkeiten können wir Feinden so noch mehr zusetzen. Allerdings sollten wir darauf achten, dass Bayonetta keinen Schaden nimmt, schließlich können Feinde sie trotz allem noch angreifen. Außerdem bleiben Dämonen nur solange, bis sich unsere Magieleiste geleert hat. Zudem können sie in Rage verfallen oder sterben. Ein wenig Taktik ist also angebracht. Besonders schön: Wir dürfen die Dämonen sogar in unsere Combos einbauen. Außerdem nehmen sie mittels Dämonenmaskerade direkt Einfluss auf Bayonetta. Da jede Waffe mit einem Dämon verbunden ist, kann sich Bayonetta mit diesem vereinen und so ganz neue Fähigkeiten erlangen. Als Madama-Butterfly-Bayonetta gleiten wir durch die Lüfte und als Phantasmaraneae-Bayonetta schwingen wir uns mit Spinnenkörper über Abgründe. Ebenfalls eine tolle Neuerung.
Zusätzliche Abwechslung bringen die anderen spielbaren Charaktere. Viola darf direkt bei ihrem Debüt in der Reihe selbst gegen die Homunkuli in den Kampf ziehen. Allerdings spielt sich die Nachwuchshexe recht ähnlich wie Bayonetta. Ausgerüstet mit einem Katana schnetzelt sie sich durch die Feinde. Werfen wir das Katana, beschwören wir unseren dämonischen Begleiter Cheshire. Dieser agiert jedoch im Gegensatz zu Bayonettas höllischen Verbündeten unabhängig, während wir mit Viola mit Schlägen und Tritten weiterkämpfen. Ein willkommener Unterschied zu Bayonetta. Außerdem aktivieren wir als Viola die Hexenzeit-Zeitlupe per rechtzeitigem Blocken, während Bayonetta im richtigen Moment ausweichen muss, damit die Zeit langsamer abläuft und wir Feinde mit einem wahren Sturm aus Angriffen bedecken können.
Gewöhnungsbedürftige Abwechslung
Komplettiert wird das spielbar Trio von Jeanne, die jedoch einen etwas anderen Auftritt hat. Witzig inszeniert als 1970er-Jahre-Agentinnenserie, erleben wir Jeannes Suche nach Dr. Sigurd als Stealth-Action-Sidescrolling-Abenteuer. Aus der Seitenansicht müssen wir mit Jeanne ein Labor infiltrieren, Feinden ausweichen, diese heimlich ausschalten, Schalter betätigen und innerhalb der eng gefassten Zeitbegrenzung das Ziel erreichen. Was sich gerade im ersten Level wie ein Fremdkörper anfühlt, bringt zusätzliche Abwechslung ins Spiel. Dennoch dürfte nicht jedem der aufgezwungene andere Gameplay-Ansatz gefallen. Als optionale Nebenmissionen wie die Bonuslevel, die wir durch Sammeln von Umbra-Tieren freischalten können, wären vielleicht besser gewesen. Wirklich negativ oder störend sind die Jeanne-Level jedoch nicht.
Weitaus stärker auf den Spielspaß wirkt sich der überfüllte Fähigkeitenbaum aus. Mittels gesammelter Seelen dürfen wir hier in neue Combos investieren. Allerdings verfügt jede Waffen und jeder Dämon über einen eigenen Fähigkeitenbaum. Entsprechend müssen wir ein und dieselbe Kombo jeweils einzeln freischalten. Nervig und ärgerlich, da so nicht nur Übersichtlichkeit verloren geht, sondern auch eine sinnvolle Planung schwierig ist. Schließlich können wir nicht wissen, welche Waffen wir im Laufe des Spiels erhalten. Zusätzlich gibt es noch jeweils einen Fäigkeitenbaum für Bayonetta und Viola. Hier fällt negativ auf, dass Lebensenergie und Manaleiste getrennt aufgewertet werden. Die dafür erforderlichen Hexenherzen und Mondperlen sammeln Bayonetta und Viola aber gemeinsam. Entsprechend gut müssen wir uns überlegen, wessen Werte wir verbessern möchten. Gerade auf den höheren Schwierigkeitsgraden kann sich das maßgeblich auswirken. Negativ dabei: Wir werden nicht darauf hingewiesen und so kann es passieren, dass wir bereits viel in Bayonetta investiert haben, bevor wir erstmals mit Viola spielen, sodass es umso schwieriger ist, die Nachwuchshexe ausreichend zu verbessern.
Simple Erzählung
Zudem zeigt sich im Laufe des Spiels immer deutlicher, dass die Geschichte nicht an die beiden Vorgänger herankommt. Die Handlung von Bayonetta 3 mag einfacher nachvollziehbar und weniger verworren sein als noch bei den Vorgängern, ist aber zugleich auch weniger komplex. Große Wendungen sind schon früh vorhersehbar und wirkliche Überraschungen bleiben aus. Zwar kann die Geschichte durchaus Spannung aufbauen, wirklich viel sollte aber nie erwartet werden. Immerhin weist die Erzählung ausreichend Stärken auf, um uns bis zum gelungenen Ende zu motivieren. Besonders der Abschluss von Bayonetta 3 gehört zu den größten Stärken des Actionspiels. Das gilt sowohl für den grandiosen Endbosskampf, der sich in eine Reihe von nicht weniger gelungenen Bosskämpfen im Spiel einreiht, als auch für das Ende der Geschichte. Hier hat uns Bayonetta 3 wieder ein wenig befriedet. Letztlich bleibt das Actionspiel aber deutlich hinter den Vorgängern zurück.
Das gilt jedoch nicht auf technischer Seite. Grafisch erinnert uns Bayonetta 3 stark an die Nintendo-Switch-Version von Bayonetta 2. Stilsicher und mit detailreichen Charaktermodellen sowie Gegnern, gelingt es dem Actionspiel eine passende Atmosphäre zu erzeugen. Allerdings zeigen sich leere Umgebungen, matschige Texturen, unscharfe Kanten und ähnliches ebenfalls deutlich. Dadurch ist Bayonetta 3 kein hässliches Spiel, bleibt aber hinter den Möglichkeiten der Switch zurück. Umso unverständlicher ist, dass es trotzdem zu kleineren Rucklern und Framerate-Einbrüchen kommen kann. Diese beeinträchtigen zwar nie das Gameplay und haben somit keine Auswirkung auf den Spielspaß, fallen aber trotzdem auf. Dafür können die Effekte, besonders in den actionreichen Kämpfen, mehr als überzeugen. Ähnliches gilt für die gelungene Sound- und Musikuntermalung, die serientypisch wieder großartig, wenn auch nicht ganz so stimmungsvoll wie in den Vorgängern ist. Ein Urteil, das sich leider durch das gesamte Spiel zieht. Bayonetta 3 ist ein spaßiges Action-Hack-and-Slash, das jedoch das vorhandene Potenzial nicht ganz nutzen kann und nicht an den grandiosen zweiten Teil heranreicht.
Geschrieben von Alexander Geisler
Fazit:
Bayonetta 3 ist seit der Ankündigung im Dezember 2017 eines meiner am meisten erwarteten Spiele gewesen. Viel zu lange musste ich auf ein neues Abenteuer mit der titelgebenden Umbra-Hexe warten. Daran haben auch die, von mir natürlich mit Begeisterung erneut gespielten, Switch-Portierungen der ersten beiden Serienteile wenig geändert. Leider kann Bayonetta 3 meine vielleicht etwas zu hohen Erwartungen nicht erfüllen. Das Actionspiel macht Spaß, keine Frage. Allerdings bleibt es deutlich hinter den Vorgängern zurück. Die teilweise viel zu weitläufigen Level und die etwas zu simple Geschichte haben mich immer wieder etwas ernüchtert. Hier waren Bayonetta und Bayonetta 2 einfach deutlich stärker. Dafür überzeugt Bayonetta 3 mit rasanten Kämpfen, die den gewohnten Spielspaß der Reihe garantieren. Auf entsprechend hohem Niveau ist das Meckern über das Spiel. Trotzdem dürften Genre- und Bayonetta-Fans mehr erwartet haben, bekommen aber immer noch ein unterhaltsames Actionspiel, das für rund zwanzig Stunden viel Spielspaß bietet.