
Chibi-Robo! – TEST
Videospiele, die auf ein schier einzigartiges Konzept setzen, haben es oft nicht leicht. So gut sie inhaltlich auch sind, müssen sie sich trotz allem auch gut verkaufen. Dieses Schicksal war dem GameCube-Klassiker Chibi-Robo! leider nicht vergönnt. Zeit, das Spiel nachzuholen.
Eigentlich hätte Chibi-Robo! ganz anders aussehen sollen. Das damals eng mit Nintendo verbandelte Entwicklerstudio Skip hatte vor, ein Point-and-click-Adventure für den GameCube zu entwickeln. So wirklich zündete die Idee bei Nintendo allerdings nicht. Shigeru Miyamoto hat jedoch die Vision hinter dem Projekt erkannt und ihm seinen eigenen Stempel aufgedrückt. Herausgekommen ist im Jahr 2005 ein weitgehend friedvolles Action-Adventure, das unter Connaisseuren bis heute geliebt und gelobt wird. Trotz des kommerziellen Flops erschienen bis 2015 noch vier Fortsetzungen, die aber nicht allesamt in Europa veröffentlicht wurden.
Auch haben diese Fortsetzungen mit der ursprünglichen Idee nicht mehr viel gemein, sodass selbst langjährige Nintendo-Fans nicht unbedingt wissen, um was es sich bei dem ursprünglichen Spiel handelt. Ein Glück, dass Nintendo hin und wieder ein Herz für die besonderen, fast schon ausgestoßenen Werke der hauseigenen Ludografie hat. So fügte der japanische Konzern den Titel im August 2025 dem Online-Katalog der GameCube-Spiele auf der Nintendo Switch 2 hinzu. Die inzwischen horrenden wie dreistelligen Preise, die auf Flohmärkten und Auktionsplattformen für die europäische Version von Chibi-Robo! verlangt werden und Retro-Fans den Kaviar vom Frühstück hochkommen lassen, sind endlich passé.
Motivierender Haushalt
Im Spiel schlüpfen wir in die Rolle des titelgebenden Haushaltsroboters Chibi-Robo. Dieser ist, wie es der Name schon vermuten lässt, mit ein paar Zentimetern allerdings nicht sonderlich groß. Zum Geburtstag der achtjährigen Jenny Sanderson hat ihr Vater den kleinen Roboter angeschleppt – auch wenn er ihn vermutlich eher für sich selber haben wollte. Angesiedelt in einem Setting, das ein wenig an einen US-amerikanischen Haushalt der 1960er-Jahre erinnert, machen wir uns Tag für Tag und Nacht für Nacht an die Arbeit. Wir laufen durch das verhältnismäßig riesige Haus, sammeln Müll ein und verfrachten ihn in den Papierkorb. Sobald wir die Zahnbürste gefunden haben, die für Chibi-Robo immerhin körpergroß ist, können wir auch Flecken vom Boden aufwischen.
All das klingt im ersten Moment ziemlich langweilig, aber das ist es nicht. Ähnlich wie wir in Lebenssimulationen wie Stardew Valley, Story of Seasons, Discounty und Co Arbeit verrichten, sind die teils repetitiven Aufgaben auch hier belohnend. Es geht darum, möglichst viele Happy-Punkte zu sammeln. Diese lassen uns die Rangliste der Haushaltsroboter nach oben klettern. Peu à peu erhalten wir dafür von der Firma Citrusoft zusätzliche Batterien, mit denen wir noch länger arbeiten können. Jeder Schritt zerrt an der Energie, weshalb wir mit Chibi-Robo auch regelmäßig Steckdosen aufsuchen müssen.
Spielzeugparade à la Toy Story
Nach und nach erhalten wir in Chibi-Robo! weiteres Werkzeug. Mit diesen können wir sonst kaum erreichbare Stellen in Wohnzimmer, Küche, Foyer, Keller und Co erreichen. So können wir mit der Hubschrauberfunktion kurzzeitig Abgründe überwinden, mit einem Schallwellengewehr Fäden abschneiden oder mit einer Kaffeetasse Schutz vor Schüssen von eierförmigen Spielzeugsoldaten nehmen. In diesem Sinne hat sich der Titel ein wenig vom Animationsfilm Toy Story inspirieren lassen, denn gerade nachts treffen wir des Öfteren auf Spielzeuge, die zum Leben erwachen, wenn gerade niemand hinschaut.
Zwar sind die Dialoge zwischen Chibi-Robos Assistenten Telly Vision, der uns die ganze Zeit über begleitet, und den Spielzeugen häufig ausufernd und aufgrund der meist langsamen Textgeschwindigkeit auch nervenaufreibend, doch an sich fördern die Gespräche die dichte Atmosphäre. Hinzu kommt, dass wir von manchen Spielzeugen besondere Kostüme erhalten. Im Gegensatz zu etlichen Spielen aus den 2010er- und 2020er-Jahren, in denen derlei Outfits zumeist rein optional und lediglich kosmetisch sind und darüber hinaus als kostenpflichtige Download-Inhalte angeboten werden, haben die Kostüme in Chibi-Robo! auch kleinere wie größere Auswirkungen auf den Spielverlauf.
Die dysfunktionale Familie Sanderson
Neben den Happy-Punkten sammeln wir auch noch sogenannte Chibs, die wir im Chibi-Haus, dem Ausgangspunkt jedes Ausflugs, gegen nützliche Items eintauschen können. Wir sollten jedoch aufpassen, dass uns bei der Haushaltsarbeit nicht der Saft ausgeht, denn wenn einmal die Batterie leer ist, bringt uns Telly Vision zurück ins Chibi-Haus, was uns zudem einige Chibs kostet. Wer also bei der Hauserkundung mit seinen seichten Metroidvania-Anleihen ein wenig unsicher ist, sollte bestenfalls immer schön Geld ausgeben.
Grafisch überzeugt das Spiel mit einem überdrehten, comichaften und fast schon karikaturartigen Look. Die Welt ist trotz allem atmosphärisch und weiß auch aufgrund des Sounddesigns, bei dem die Schritte des kleinen Roboters in unterschiedlichen Situationen anders klingen, zu begeistern. Nichtsdestotrotz ist in der kunterbunten Spielwelt nicht alles „Friede, Freude, Eierkuchen“, wie eine bekannte Redewendung heißt. Die scheinbar intakte Familie Sanderson hat Probleme, die ernste Themen wie Arbeitslosigkeit, Fehlkommunikation, Vernachlässigung und sogar Scheidung einschließen. Ein auf dem Sofa schlafender Vater, ein nachts auf der Treppe sitzendes wie weinendes Kind und eine genervte wie herablassend kommentierende Hausfrau zeugen von dieser Dysfunktion. Ganz starker Tobak, der Chibi-Robo! eine unverkennbare Note aufdrückt.
Geschrieben von Eric Ebelt
Fazit:
Bis heute könnte ich mir in den Allerwertesten beißen, dass ich mir Chibi-Robo! kurz vor der Veröffentlichung der Wii nicht im Ausverkauf für einen niedrigen Preis gegönnt habe. Zu abschreckend wirkte das Gameplay damals auf mich, was ein großer Fehler war, wie mir inzwischen bewusst ist. Es ist ein großes Glück, dass Nintendo seinem etwas anderen Action-Adventure im Online-Katalog der GameCube-Spiele auf der Switch 2 noch einmal eine Chance gibt. Mir gefällt das Werk vom leider im Jahr 2020 geschlossenen Entwicklerstudio Skip ab der ersten Minute außerordentlich gut. Es macht Spaß, das Haus der Sandersons zu erkunden, nach und nach neue Werkzeuge zu sammeln und damit bislang unerreichbare Orte zu erreichen. So ergibt sich peu à peu ein stimmiges Gesamtbild mit ein paar Metroidvania-Anleihen. Auch wenn die Arbeit manchmal etwas repetitiv wirkt, nimmt sie niemals Überhand. Zudem erhalte ich ständig eine Belohung in Form von Happy-Punkten und Chibs zum Einkaufen, wodurch ich den titelgebenden Roboter schrittweise verbessern und damit noch mehr arbeiten kann, ohne ständig zur nächsten Steckdose zu laufen. Fans von Spielen wie Toy Story 2 oder möglicherweise sogar Pikmin werden sicherlich ihre wahre Freude haben. Besonders gefällt mir jedoch der Mut zu den verarbeiteten Themen wie Vernachlässigung oder Scheidung. Dies sind erwachsene Themen, die in Nintendo-Spielen eigentlich selten oder zumindest selten so deutlich angesprochen werden. Chibi-Robo! ist ein großartiges Spiel mit sehr wenigen Defiziten, das jeder Abonnent des Nintendo-Switch-2-Online-Angebots einmal ausprobieren sollte.