Cris Tales – TEST

Die kolumbianischen Studios Dreams Uncorporated und Syck haben sich bei Cris Tales eindeutig von klassischen japanischen Rollenspielen inspirieren lassen. In einem eigenen Comic-Grafik-Stil erleben wir als Crisbell ein Abenteuer mit Zeit-Mechanik, das jedoch nicht in allen Belangen überzeugen kann.


Cris Tales ist schon nach kurzer Zeit als eindeutige Hommage an klassische japanische Rollenspiele zu erkennen. Als Crisbell durchstreifen wir eine fantastische Welt, bestreiten rundenbasierte Kämpfe und dürfen zu unserem Leidwesen nur an seltenen Orten unseren Spielstand speichern. Gerade zu Beginn hat uns Cris Tales vor allem mit dem einzigartigen Comic-Stil fasziniert. Figuren und Welt wirken fast so als stammten sie aus einem Pop-Up-Buch. Die Optik ist allerdings eindeutig Geschmackssache und wird nicht jedem gefallen. Wer sich aber darauf einlässt, erhält ein grafisch detailverliebtes Japan-Rollenspiel, das sowohl dank des Zeichenstils als auch des hervorragenden Soundtracks eine mitreißende Atmosphäre schafft.

Bedeutung der Zeit

Ähnliches gilt auch für die Geschichte von Cris Tales. Beginnen wir das Abenteuer noch als einfaches Waisenmädchen Crisbell, erlangen wir schon nach kurzer Zeit die Fähigkeit, in Zukunft und Vergangenheit zu blicken. Vom Zeitmagier Willhelm erhalten wir zudem ein magisches Schwert, das wir auch dringend benötigen, da wir schon bald in den Kampf gegen die Kaiserin der Zeit gezogen werden. Crisbell und ihre Freunde sind recht bald auch gezwungen ihre Heimatstadt fluchtartig zu verlassen. Damit beginnt ein durchaus spannendes, meist schön erzähltes, abwechslungsreiches Abenteuer, das allerdings manchmal auch unter einem leicht sprunghaften Handlungsablauf leidet. Wirklich schaden kann das der gut geschriebenen Geschichte aber kaum, dafür verlieren wir uns zu leicht in Crisbells Abenteuer und sind immer wieder aufs Neue von den Umgebungen, Figuren und Ideen fasziniert.

 

Beim Gameplay setzt Cris Tales auf eine Mischung aus klassische JRPG-Elemente mit modernen Ansätzen. So sind Crisbells Fähigkeiten als Zeitmagierin stets präsent. Das spiegelt sich beim Erkunden von Städten etwa darin wider, dass wir ein dreigeteiltes Bild sehen. Während der mittlere Bildausschnitt die Gegenwart zeigt, befinden sich links die Vergangenheit und rechts die Zukunft des jeweiligen Schauplatzes. Mit unserem Froschbegleiter Matias dürfen wir sogar via Zeitsprung Vergangenheit oder Zukunft näher erkunden. Häufig haben wir uns aus Neugier dabei erwischt, einfach nur herumzulaufen, um möglichst viele Orte in ihren verschiedenen Variationen zu sehen. Zudem dürfen wir regelmäßig den Bewohnern der Welt helfen, um ihnen eine bessere Zukunft zu ermöglichen und von uns bereits gesehene schreckliche Ereignisse zu verhindern. Dabei treffen wir allerdings auch Entscheidungen und können manchmal nicht allen Personen helfen. Solche Momente sorgen für eine moralische Komponente, die uns unsere Handlungen hinterfragen lässt und uns zum Nachdenken zwingt. Großartig!

Kämpfen mit der Zeit

Wie bei klassischen JRPGs üblich, setzt Cris Tales als Hommage an vergangene Genre-Zeiten auf Zufallskämpfe. Erstmals werden wir damit kurz nach unserer Flucht konfrontiert. Hierbei fällt nicht nur die enorme Häufigkeit der Kämpfe leicht negativ auf, sondern auch die fehlende Möglichkeit diesen zu entgehen. Lediglich eine Flucht aus einem Kampf, lässt uns Konfrontationen vermeiden. Aufgrund der teils recht langen Ladezeiten, die vor und nach jedem Kampf auftreten, stechen die zufälligen Auseinandersetzungen sogar noch negativer auf. Immerhin kann das Kampfsystem selbst mit einigen taktischen und interessanten Funktionen punkten.

Wenig überraschend setzt Cris Tales auch bei den Kämpfen auf Crisbells Zeitmagie. Dabei laufen die Konfrontationen mit Monstern und allerlei anderen Gegnern klassischen rundenbasiert ab. Am oberen Bildschirmrand ist zu sehen, wer als nächstes agieren darf. Die aktive Figur unserer Gruppe platziert sich dabei in der Mitte des Kampffeldes und tauscht diesen Platz mit den oberhalb wartenden anderen Charakteren. Nacheinander führen wir Angriffe aus, setzten Zauber und Fähigkeiten ein oder nutzen eine besonders mächtige Synchroattacke, sobald diese aufgeladen ist. Soweit, so klassisch. Dank Crisbells Zeitmagie, haben wir allerdings stets die Möglichkeit Gegner rechts von uns in die Zukunft und Gegner links von uns in die Vergangenheit zu schicken. Das ist deshalb nützlich, weil sich nicht nur unsere Kontrahenten je nach Zeit verändern, sondern auch Statusveränderungen andere Auswirkungen haben. Schicken wir beispielsweise einen vergifteten Feind in die Zukunft, kann sich das Gift voll entfalten und unser Feind stirbt bestenfalls sofort. Alternativ können wir etwa Gegner mit starker Rüstung mittels Wassermagie angreifen, was in der Zukunft dazu führt, dass etwa Schilde gerostet sind und unsere Angriffe mehr Schaden verursachen. Die zahlreichen Möglichkeiten laden dabei zum Experimentieren ein und motivieren dazu immer neue Kombinationen zu versuchen. Besonders wenn wir bei Levelaufstiegen neue Fähigkeiten erlenen, eröffnen sich uns auch neue taktische Optionen.

 

Leider steht der überaus interessanten Zeit-Mechanik auch eine eher nervige als spaßige Echtzeitkomponente gegenüber. Ähnlich wie in den Paper-Mario-Spielen, können wir unsere Angriffe per korrekten Buttondruck zum richtigen Zeitpunkt verstärken oder uns gegen gegnerische Attacken auf die gleiche Weise besser verteidigen. Gerade bei letzterem ist das manchmal unabdingbar, da der eingesteckte Schaden sonst oft einfach zu hoch ist. Aufgrund der nicht immer leicht zu durchschauenden Figurenplatzierung samt Animationen ist es jedoch nicht immer einfach, den richtigen Zeitpunkt abzupassen. Gerade zu Beginn von Cris Tales und zum Ende hin, hat uns die Echtzeitkomponente zeitweise fast schon frustriert und dazu geführt, dass unsere Motivation in den Kämpfen spürbar gelitten hat. Glücklicherweise wiegen Geschichte, Figuren Atmosphäre, Grafikstil, Soundtrack und die Zeit-Mechanik in Spielwelt und Kämpfen diese Schwäche mehr als auf, so dass wir schnell zum ursprünglichen Spielspaß und der Faszination zurückgefunden und Cris Tales mit großer Begeisterung bis zum leider etwas plötzlichen Ende weitergespielt haben.

Geschrieben von Alexander Geisler

Fazit:

Schon vergangenes Jahr habe ich auf Steam die Demo zu Cris Tales gespielt und war nicht nur aufgrund des individuellen, schicken Grafikstils neugierig auf das Rollenspiel, sondern auch die Zeit-Mechanik hat früh mein Interesse geweckt. Nach einem gelungenen Auftakt, kam leider irgendwann eine kleine Ernüchterung. Zu häufige Zufallskämpfe und eine eher frustrierende als motivierende Echtzeitkomponente in den Auseinandersetzungen haben deutlich an meiner Motivation gekratzt. Glücklicherweise kann Cris Tales das mit einer atmosphärischen Grafik und Spielwelt, einer interessanten Geschichte, sympathischen Charakteren und der taktischen Zeit-Mechanik, die sowohl in Kämpfen als auch außerhalb von diesen zum Tragen kommt reichlich Spielspaß bieten. Die häufigen, etwas zu langen Ladezeiten können den sonst positiven Eindruck auch nur bedingt trüben, so dass Cris Tales vielleicht kein perfektes JRPG-Meisterwerk, aber eine gelungene Genre-Hommage ist.