Crossing Souls – TEST

Dass sich viele Menschen gerne an die 1980er-Jahre zurückerinnern, beweist der Erfolg von Fernsehserien wie Stranger Things und vielen Videospielen, die die Zeit zumindest technisch aufleben lassen wollen. Crossing Souls verführt zu einer interessanten und spannenden Zeitreise ins digitale 1986, bleibt dabei aber nicht konsequent genug im Rahmen des Jahrzehnts.


Nach einem verheerenden Sturm, der dafür gesorgt hat, dass in einer fiktiven kalifornischen Kleinstadt viele Elektronikgeräte nicht mehr funktionieren, wird die draufgängerische Hauptfigur Chris von seinem kleinen quirligen Bruder Kevin über ein Walkie-Talkie angefunkt. Er hat etwas entdeckt und verlangt, dass Chris den Rest seiner Bande zusammentrommelt und mit den Freunden schnellstmöglich zur Geheimbasis, einem Baumhaus, kommt. Sobald Intelligenzbolzen Matt, der korpulente und gutmütige Big Joe und Wildfang Charlie eingesammelt worden sind, enthüllt Kevin schließlich seine Entdeckung.

Am See hat er einen toten Wissenschaftler gefunden, der ein magisches Amulett bei sich trägt. Dieser mysteriöse Anhänger ist fortan Dreh- und Angelpunkt der fantasievollen Geschichte, da er die Kommunikation mit der Geisterwelt ermöglicht. Aufgrund des abenteuerlichen Settings, das nicht grundlos an Filme wie Die Goonies erinnert, ist es nur logisch, dass eine böse Gruppierung, angeführt von Major Oh Rus, auch auf der Suche nach dem begehrten Schmuckgegenstand ist. Es entwickelt sich eine mitreißende Geschichte über Freundschaft und Zusammenhalt, die sich mit zunehmender Spielzeit auch sehr stark mit den Themen Tod und Vergänglichkeit auseinandersetzt. Obwohl die Story mit der Zeit an Fahrt verliert, gelingt es den Entwicklern von Fourattic, die Kernaussagen aufs Gameplay zu übertragen.

Fünf Freunde mit besonderen Talenten

Aus der leicht versetzten Vogelperspektive wird die Spielfigur durch Stadt und Natur gelenkt, wobei der Charakter auf Knopfdruck jederzeit gewechselt werden kann. Dies ist zudem notwendig, da alle fünf Freunde über verschiedene Fähigkeiten verfügen. Chris ist als einziger in der Lage zu klettern und kann so höhere Positionen in den Spielabschnitten erreichen. Zudem agiert er im Nahkampf mit einem Baseballschläger und kann damit so manches Projektil auf die Gegner zurückschleudern. Matt kann hingegen mit einer Pistole Gammastrahlen verschießen und mit seinen Schwebestiefeln auch weite Abgründe überwinden.

Dieser Spagat ist zwar auch Charlie mit ihrer Peitsche vergönnt, doch benötigt sie dafür eine spezielle Vorrichtung, damit sie sich steinschleuderartig über einen Abgrund katapultieren kann. Zwar gibt es im Spiel viel zu wenige Möglichkeiten, die Peitsche in dieser Form einzusetzen, doch im Nahkampf kann so wunderbar ein größerer Bereich attackiert werden. Big Joes Faustangriffe richten in Crossing Souls hingegen den größten Schaden bei Einzelgegnern an. Unverzichtbar ist er bei so manchem Schieberätsel trotzdem, denn nur er hat die nötige Kraft, diverse Blöcke in der Spielwelt zu bewegen. Kevin kann im Gegensatz zu seinen Freunden mit keiner besonderen Kraft aus der Menge hervorstechen. Ein unverzichtbarer Begleiter ist er aber dennoch und lässt sich so leicht wie die anderen Figuren steuern.

Auf ins Kampfgeschehen

Alle genannten Talente müssen in dutzenden Spielsituationen miteinander kombiniert werden, um im Spiel voranzuschreiten. Besonders knifflig sind die meisten Rätsel nicht und falls doch einmal eine Kopfnuss das Weiterkommen verhindert, ist die Lösung nach einem oder spätestens zwei Fehlversuchen sofort greifbar. Neben dem cleveren Kombinieren der Fähigkeiten gibt es jedoch nur noch Schiebe- und Schalterrätsel der einfachsten Sorte, die in anderen Spielen schon dutzendfach intelligenter umgesetzt worden sind. Trotz der simplen Rätselmechanik kann ein Rätsel in der zweiten Spielhälfte tatsächlich zur Weißglut treiben, da die Anweisungen dermaßen kryptisch sind und das Spiel mit, zumindest optionalen, Hilfestellungen geizt.

Ausgefallener hätten auch die Kämpfe des Spiels sein dürfen, die in der Regel mit stumpfem Draufschlagen abgehakt sind. Immerhin gibt es mit Gespenstern, Ratten, Robotern und Schlägertypen einen abwechslungsreichen Fundus an Feinden, der die Auseinandersetzungen zumindest ein wenig auflockert. Hinzu kommen Süßigkeiten, die die Lebensenergie auffrischen, Blitze, die die Gegner kurzzeitig paralysieren und Bomben, mit denen Gegner in die Luft gesprengt werden können. In brenzligen Situationen entpuppt sich der Item-Wechsel aber als fummelig, da Objekte über Richtungstasten oder Steuerkreuz ausgewählt werden sollen, wenn die Spielfigur mit dem linken Stick gleichzeitig bewegt wird.

Aus der Atmosphäre gerissen

Obwohl Crossing Souls in den ersten Spielminuten eine weitgehend offene Welt suggeriert, ändert sich das spätestens im zweiten Kapitel des Action-Adventures. So werden Chris, Matt, Big Joe, Charlie und Kevin linear von einem Ort zum nächsten geschickt. Einerseits kann die Story auf diesem Weg natürlich stringent vorangetrieben werden, andererseits dürfte der Aufbau Sammlernaturen ärgern. Überall in der Spielwelt lassen sich sowohl gut versteckte Geheimunterlagen, die einen tieferen Einblick in die Geschichte geben, als auch Musik- und Videokassetten und Videospiele finden, die eine Hommage auf bekannte Werke dieser Zeit sind und mit einer humorvollen Beschreibung jeden Kenner des Originals zum Lachen bringen. Wer ein Sammelobjekt verpasst, muss das Spiel von vorne beginnen.

So gut die Anspielungen an die 1980er-Jahre bei den Sammelobjekten funktionieren, so fraglich ist, warum die Entwickler an anderen Stellen Anspielungen auf populärkulturelle Werke der 2000er-Jahre, beispielsweise Breaking Bad oder Paranormal Activity, einbauen mussten. Das reißt aus der Atmosphäre genauso heraus wie manches Musikstück, das einfach nicht an das Jahr 1986 erinnern will. Hier hätten sich die Entwickler mehr an Synthie-Pop- und New-Wave-Melodien des Jahrzehnts orientieren sollen oder sich allgemein an die in den 1980er-Jahren exponentiell gestiegenen Bedeutung von Synthesizern erinnern dürfen, um die Immersion zu stärken.

Zwischensequenzen im Cartoon-Stil

Unter optischen Gesichtspunkten handelt es sich bei Crossing Souls um eines der zahlreichen Spiele, die mit einem Retro-Pixel-Look auf sich aufmerksam machen wollen. Dieses Kunststück ist den Entwicklern sehr gut gelungen: Sämtliche Charaktermodelle sind liebevoll animiert und vor allem in der ersten Spielhälfte gibt es im Hintergrund immer mal wieder Details zu bestaunen, die Populärkulturliebhaber sofort in ihr Herz schließen werden. Beispielsweise hängt in Chris’ und Kevins Zimmer ein Poster des Films Ghostbusters: Die Geisterjäger und am Röhrenfernseher ist ein Nintendo Entertainment System angeschlossen. Lediglich seltene Clipping-Fehler und Framerate-Einbrüche stören das technische Konstrukt.

Obwohl die Geschichte weitgehend über Dialoge inklusive ansehnlicher Charakterporträts, die die Stimmung der Spielfiguren meist gut wiedergeben, vorangetrieben wird, gibt es gelegentlich auch Zwischensequenzen, die tiefer in das Geschehen eintauchen lassen. Mit den kurzen Samstagmorgen-Cartoon-Ausschnitten, die stilistisch auch noch so wirken, als wären sie auf einer Videokassette aufgenommen worden, können die Entwickler mit einem einzigartigen Ausdrucksmittel punkten. Schade ist nur, dass – bis auf eine Ausnahme – alle Cutscenes wie die restlichen Dialoge des Spiels unvertont geblieben sind. Einer der wenigen Designschnitzer, die verhindert haben, dass aus dem guten Spiel ein herausragendes Action-Adventure geworden wäre.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Crossing Souls erzählt eine abenteuerliche Geschichte, die an Filme wie Die Goonies erinnert und im Grunde genau deren Zielgruppe anspricht. Angereichert wird die im Jahr 1986 spielende Handlung mit vielen Anspielungen auf die 1980er-Jahre, was bis auf wenige aus der Atmosphäre reißende Ausnahmen auch gut funktioniert. Visuell kann das Spiel mit seinem markanten Retro-Pixel-Look und seinen Samstagmorgen-Cartoon-Ausschnitten punkten, akustisch wirken einige Musikstücke aber deplatziert, weshalb eine intensivere Auseinandersetzung mit der Musik der 1980er-Jahre wünschenswert gewesen wäre. Da die Handlung mit unvorhersehbaren Wendungen überrascht, verliert dieses Manko in wendungsreichen Situationen jedoch an Bedeutung. In puncto Gameplay sollte von Crossing Souls aber nicht zu viel erwartet werden – die lineare Spielstruktur sorgt dafür, dass ein Gebiet nach dem anderen abgeklappert wird. Dies ist zwar der stringenten Erzählweise geschuldet, eine offenere Spielwelt hätte das Spiel aber sicher bereichert. Fans von Abenteuerfilmen mit jugendlichen Charakteren aus den 1980er-Jahren, die sich über eine noch so abstruse Handlung freuen, kommen um Crossing Souls nicht herum!