Disgaea 7: Vows of the Virtueless – TEST

Nur etwas mehr als zwei Jahre nach Disgaea 6: Defiance of Destiny hat Nippon Ichi Software mit Disgaea 7: Vows of the Virtueless die Strategierollenspiel-Reihe fortgesetzt. Erstmals ist die Geschichte in einem an das alte Japan angelehnten Netherrealm angesiedelt.


Die Disgaea-Spiele sind die wahrscheinlich wichtigste und größte Reihe des japanischen Publishers und Entwicklerstudios Nippon Ichi Software. Dabei zeichnen sich die Strategierollenspiele durch eine enorme Komplexität, exzentrisch-skurrile Charaktere und reichlich Slapstick-Humor aber auch ernsten Geschichten aus. Disgaea 7: Vows of Virtueless schickt uns als junge, reiche und naive Pirilika in das Netherrealm Hinomoto. Diese ist vom alten Japan inspiriert und setzt auf Tugenden wie Ehre, Disziplin und Kampfkunst. Zumindest die Milliardärin und Firmen-CEO Pirilika als leidenschaftlicher Hinomoto-Otaku fest davon überzeugt. Als sie endlich persönlich nach Hinomoto reist, wird sie jedoch mit der grausamen Wahrheit konfrontiert. Die alten Werte zählen schon lange nicht mehr und Hinomoto ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Lebhaft und eigenwillig wie sie ist, erfindet Pirilika kurzerhand eine traurige Geschichte, wie es dazu kommen konnte. Überzeugt, dass Hinomoto zu den alten Werten zurückfinden will, ist sie bereit alles zu tun und sucht sogar die Konfrontation mit dem Shogun. Untersützt wird sie dabei vom hoch verschuldeten Ronin Fuji, der Pirilika gerne zur Seite steht – zumindest solange sie ihn angemessen bezahlen kann.

Abgedreht, humorvoll, ernst

Allzu tiefgründig ist die Geschichte von Disgaea 7 zwar nicht, dafür wird reichlich abgedrehter Humor inklusive der bekannten Slapstick-Einlagen geboten. Außerdem überzeugt das Strategierollenspiel mit illustren, eigenwilligen und sympathischen Charakteren. Das zeigt sich bereits bei dem Protagonisten-Duo Pirilika und Fuji. Besonders Pirilika zeigt mit ihrer absoluten Hinomoto- beziehungsweise Japan-Liebe enorm viel Charme und dürfte jedem Japan-Fan direkt ans Herz wachsen. Doch auch Ronin Fuji weckt auf seine Weise Sympathie. Dazu gesellen Disgaea-typisch einige ernste Themen und Szenen, die der Geschichte die nötige Komplexität verleihen. Besonders Schuld, Vergebung aber auch Rache werden präsent thematisiert und nehmen eine wichtige Rolle in der etwa dreißig bis vierzig Stunden dauernden Story ein.

Der Kern von Disgaea 7 ist aber das Gameplay. Bevor wir uns jedoch in einen Kampf stürzen, bereiten wir uns in unserer Basis vor. Hier werden im Verlauf der Handlung immer neue Funktionen freigeschaltet. Können wir zu Beginn nur wenige Einrichtungen wie das Krankenhaus nutzen, wachsen unsere Möglichkeiten stetig, so dass wir etwa im Laden einkaufen oder neue generische Gruppenmitglieder anheuern können. Gerade bei der Zusammenstellung unserer Gruppe sind die Möglichkeiten groß, da uns zahlreiche unterschiedliche und auch neue Klassen zur Verfügung stehen. So wählen wir zwischen Kriegern, Magieren, Hexen, Kampfsportlern, Untoten oder Orcs. Sind wir fertig, wählen wir die nächste Mission aus und erleben die anhand von Textboxen mit animierten Charakterartworks erzählte Geschichte weiter, bevor die Schlacht beginnt.

Taktische Vielfalt

Wie in den Disgaea-Spielen üblich finden die Kämpfe auf überschaubaren Panorama-Schlachtfeldern statt. Aus der versetzten Draufsicht ziehen wir unsere maximal zehn Charaktere über die quadratischen Felder und agieren rundenbasiert mit den Gegnern. Dabei beachten wir Stärken und Schwächen, nutzen Flanken und Angriffe von hinten für mehr Schaden und setzen neben normalen Angriffen und Zaubern Spezialattacken ein. Diese können wir auch zu starken Kombos aneinanderreihen. Zudem achten wir auf Höheunterschiede, dürfen Charaktere und Objekte werfen und versuchen je nach Mission entweder alle Gegner oder den Boss zu bezwingen. Erfüllen wir bestimmte Herausforderungen wie den Sieg nach einer bestimmen Anzahl an Runden oder den Einsatz von weniger Charakteren, erhalten wir nach der Schlacht Boni in Form von Items, Erfahrungspunkten oder Geld.

Eine Besonderheit ist, dass wir erst alle unsere Aktionen durchführen, bevor die feindlichen Einheiten an der Reihe sind. Dabei dürfen wir sogar erst die Angriffe einiger Figuren ausführen lassen, um anschließend mit den verbliebenen Charakteren zu agieren. Eine wichtige taktische Komponente, die es uns ermöglicht, auf neue Situationen direkt zu reagieren und etwas Heilzauber einzusetzen oder einen bereits geschwächten Gegner erneut zu attackieren. Zusätzlich unterstützen sich nebeneinanderstehende Charaktere, so dass wir auch auf die Platzierung genau achten sollten.

Höllisches Wachstum

Zwei Neuerungen in Disgaea 7 sind der Hell-Modus und die Jumbofication. Bei letzterer werden unsere Charaktere für drei Runden zu Riesen und platzieren sich neben dem Schlachtfeld. Von dort führen sie mächtige, wenn auch etwas unspektakulär inszenierte, Flächenangriffe aus. Außerdem verfügt jeder Charakter über passive Fähigkeiten, die Einfluss auf das gesamte Schlachtfeld haben, solange die Jumbofication anhält. Natürlich setzen auch unsere Gegner auf die Riesen-Form und können uns damit gehörig zusetzen. Zumindest die Story-Charaktere können bei aufgeladener Leiste in den Hell-Modus verfallen. In diesem werden unsere passiven und aktiven Fähigkeiten verstärkt, außerdem stehen besondere Angriffe zur Verfügung. Die höllische Verwandlung hält für einige Runden an oder endet, sobald wir eine mächtige Spezialattacke ausgeführt haben. Sowohl Hell-Modus als auch Jumbofication bringen zusätzliche taktische Tiefe ins Gameplay.

Auffällig ist jedoch, dass die zu Beginn noch wichtigen Klassen mit zunehmender Spielzeit unwichtiger werden. Ist es anfangs noch essenziell, wen wir in den Kampf schicken, zählt später angesichts der für Disgaea-typischen wahnwitzigen Schadenszahlen fast ausschließlich die Stärke der Charaktere. Das kratzt ein wenig an der taktischen Ausrichtung des Strategierollenspiels, sorgt aber zugleich dafür, dass es sich umso mehr lohnt, unsere Charaktere aufzuleveln. Und hierbei stehen uns nahezu unendliche Möglichkeiten zur Verfügung. Nicht nur das Höchstlevel ist enorm, wir können dank Reinkarnation mit stärkeren Werten wieder von vorne beginnen. Dadurch leveln wir theoretisch unendlich auf und werden immer stärker. Ähnliches ist erneut mit Ausrüstung und Items möglich. Gerade für das Endgame, das unter anderem auf schwierigere Versionen der Story-Missionen setzt, ist die richtige Ausbildung unserer Charaktere essenziell. Doch auch für die saisonalen Herausforderungen sowie den erstmals vorhandenen Mehrspieler-Modus mit asynchronen Rangkämpfen, wollen wir unsere Gruppe bestmöglich verstärken. Für Fans der Reihe verbirgt sich hier reichlich zusätzliche Spielzeit abseits der unterhaltsamen Hauptgeschichte.

Charmante Präsentation

Nach dem Umstieg von 2D- auf 3D-Charaktermodelle bei Disgaea 6, verfeinert Disgaea 7 diesen Weg und überzeugt mit schicken Figuren sowie ausreichend detail- und abwechslungsreich gestalteten Schlachtfeldern. Dabei fällt auf, dass Disgaea 7 sowohl im Grafik- als auch im Performance-Modus besser umgesetzt ist als der Vorgänger. Während die Optik im Performance-Modus nicht mehr verschwommen ist, läuft der Grafik-Modus spürbar stabiler. Allgemein weiß Disgaea 7 mit einer ordentlichen Auflösung und guter Bildwiderholrate zu überzeugen. So gut wie auf den PlayStation-Konsolen läuft das Strategierollenspiel zwar nicht, und auch grafisch sind Abstriche notwendig, dafür überzeugt auf der Nintendo Switch auch der Handheld-Modus und erlaubt uns taktische Schlachten unterwegs zu bestreiten.

Überzeugen kann Disgaea 7 auch bei der stimmungsvollen Musikuntermalung. Hier fängt das Strategierollenspiel gekonnt die Essenz der Reihe sowie die Atmosphäre des Settings ein. Dadurch wird genau die richtige Hinomoto- beziehungsweise Japan- und Disgaea-Stimmung garantiert. Unterstützt wird das Ganze von den sehr guten Vertonungen auf japanisch und englisch sowie den nicht weniger gelungenen englischen Texten. Auf eine deutsche Übersetzung hat Nippon Ichi Software leider erneut verzichtet. Zum Abschluss sei noch erwähnt, dass Disgaea 7 gerade im verlauf der Hauptgeschichte wesentlich zugänglicher und leichter ist als die Ursprünge der Reihe. Hier wird der Weg des Vorgängers fortgesetzt, auch Genre- und Disgaea-Neulingen einen guten Einstieg zu ermöglichen. Gerade im Endgame wird Disgaea 7 aber wieder überaus knackig, was langjährige Fans zufriedenstellen dürfte. Diese können sich sowieso auf die umfangreichen Endgame-Inhalte, die sie über Monate beschäftigen werden, freuen.

Geschrieben von Alexander Geisler

Fazit:

Disgaea 7: Vows of the Virtueless kann als erwartbare Fortsetzung der Strategierollenspiel-Reihe bezeichnet werden. Die Grundmechaniken sind seit Jahren etabliert und der siebte Teil bleibt diesen treu. Allerdings verfeinert Disgaea 7 die taktischen Schlachten weiter und setzt zudem wie jeder Teil auf eigene Ideen und Neuerungen. Besonders der Hell-Modus und die Jumbofication bringen zusätzliche taktische Tiefe in die Kämpfe. Gleichzeitig schafft Disgaea 7 den Spagat zwischen Anspruchsvoll und Einsteigerfreundlich. Das kommt mir als Gelegenheits-Disgaea-Spieler zu Gute. Gerade die Geschichte hat mich motiviert viele Stunden in dem Strategierollenspiel zu verbringen. Pirilika ist mir sofort ans Herz gewachsen und auch Fuji ist auf seine Art wirklich sympathisch. Dazu gesellt sich der für Disgaea typische Humor sowie die genau richtig eingestreuten ernsten Themen. Sonderlich tiefgründig mag die Geschichte nicht sein, dafür ist sie überaus unterhaltsam und charmant. Disgaea-Fans werden wieder viel Spaß haben und zahlreiche Stunden mit dem siebten Teil verbringen können, doch auch Neulinge können dem Strategierollenspiel ruhig eine Chance geben.