Miitopia – TEST

Nach Tomodachi Life bringt Nintendo ein weiteres Spiel heraus, dessen Protagonisten eure eigenen Miis sind. Dieses Mal jedoch ist es eine Art japanisches Rollenspiel, bei dem es einen Oberschurken zu besiegen gilt. Ob es ein würdiger Vertreter seiner Gattung ist, erfahrt ihr in unserem Test.


Das Genre von Miitopia ist vermeintlich ein recht eindeutiges japanisches Rollenspiel, doch beim zweiten Blick auf das Gameplay entpuppt es sich eher als simpler, klicklastiger Rollenspiel-Manager, bei dem das Kämpfen, Leveln und Erkunden genauso Nebensache sind wie die Story selbst.

Geschichte mit Miis

Die Grundstory des Spiels ist schnell erzählt: In der fiktiven Welt von Miitopia treibt ein Bösewicht sein Unwesen und stiehlt den Bewohnern ihre Gesichter, um damit seine Unholde zu bestücken, die den Helden im Spiel laufend begegnen. Die Story wird selbstverständlich ausgeschmückt und bietet einige Feinheiten und manche Überraschung, ist aber letztlich nicht sehr tiefgründig.

Sämtliche Bewohner von Miitopia sind Miis. Zu Beginn des Spiels werden wir ausdrücklich darauf hingewiesen, doch die Spotpass-Verbindung des Spiels einzuschalten, um zusätzliche Miis darüber zu erhalten. Alternativ können wir die auf dem 3DS vorhandenen Miis oder unsere Miis aus Tomodachi Life hinzufügen. Es gibt zudem noch die Option, ein Mii über einen QR-Code einzulesen oder direkt im Spiel neu zu kreieren. Auch eine zufällige Auswahl dürfen wir treffen lassen.

Die Miis für unseren Helden und seine Begleiter können wir im Anschluss mit einer Gesinnung, etwa nett, lässig oder stur, versehen, die ihnen im Kampf eigene Fähigkeiten verleiht. Dazu kommt eine Klassenauswahl aus anfangs sechs Klassen, die sich später auf zwölf Klassen erweitert. Darunter sind neben den Klassikern Krieger, Magier und Priester auch Klassen wie Popstar und Koch, später gibt es noch abgedrehtere Varianten.

Rollenspieltypisch gibt es im Spiel Aufträge, die wir erledigen müssen, um die Story voranzubringen. Diese führen uns von Ort zu Ort und von Level zu Level. Es gibt eine Oberwelt, in der wir einen Überblick bekommen, welche Level es in einem Bereich gibt. Darin können wir uns frei bewegen. In den Leveln, die zwar einige Abzweigungen haben, laufen unsere Miis jedoch völlig automatisch zum Levelziel, das immer ein Gasthaus ist. Die anfangs noch wie Zufallskämpfe wirkenden Ereignisse, denen wir in den Levels begegnen, entpuppen sich beim wiederholten Spielen der Levels, zum Beispiel um die andere Abzweigung zu gehen, als zwar unvorhersehbare, aber durchaus festgelegte Begegnungen. Schade, das mindert den Wiederspielwert.

Seichte Rollenspielkost

Neben Abzweigungen und Kämpfen gibt es in den Levels ab und zu Schalter, bei denen wir wählen dürfen, oder Kisten, bei denen wir uns entscheiden können, sie nicht zu öffnen. Manche dieser Entscheidungen jedoch sind im Grunde von vornherein klar und zwingen uns zu Klicks, die überflüssig gewesen wären. Die Kisten zum Beispiel beinhalten in seltenen Fällen Fallen, die uns eine Monsterbegegnung bescheren statt eines Geschenks in Form von Lebenspunkt-Bananen, Magiepunkt-Tränken, einer neuen Waffe oder Kleidung für unsere Miis. Doch wegen dieser Chance die Kiste nicht zu öffnen ist keine verfolgenswerte Strategie. Ebenso die Kleidung und Waffen, die wir im Laufe des Spiels bekommen, sind stets besser in ihrem einzigen relevanten Statuswert, so dass die Entscheidung, ob wir sie unseren Miis anlegen oder nicht, hinfällig ist und immer „Ja“ lauten muss. Auch wenn wir in einem der beiden Glücksspiele eine neue Waffe ergattern, die immer nur für eine Klasse geeignet ist, müssen wir dennoch angeben, dass wir sie dem möglicherweise einzigen Mii mit der Klasse geben wollen. Das ist enttäuschend und ermüdend.

Apropos: Die Kämpfe sind ein zweischneidiges Schwert. Wer neugierig genug ist, in den Levels jede Abzweigung gehen zu wollen, um alles gesehen zu haben, und dadurch mehrmals in die gleichen Levels geht, der wird in keinem Kampf jemals große Schwierigkeiten haben. So jedenfalls ist es uns ergangen. Der Versuch hingegen, jedes Level nur ein einziges Mal zu betreten, ließ sich auch nicht durchziehen, da die Miis dadurch nicht genügend Stärke hatten, um in den Bosskämpfen zu bestehen, gleich welche Finesse wir bei den wenigen taktischen Möglichkeiten an den Tag legten.

Das selbstspielende Spiel

Die Kämpfe lassen uns insgesamt nur wenige Möglichkeiten. Alle Miis außer unserem Hauptcharakter lassen sich ohnehin nicht steuern, sondern agieren ausschließlich selbstständig. Die KI ist hierbei meist relativ clever. Unseren eigenen Mii können wir steuern und haben dabei die volle Kontrolle seiner aktuellen Fähigkeiten: Kämpfen, Sonderfertigkeiten und Tränke benutzen. Das macht in wenigen Fällen einen relevanten Unterschied zu der entscheidenden Option im Spiel: Wir können auch unseren eigenen Mii automatisch kämpfen lassen. Das ist in beinahe allen Fällen eine valide Option, so dass die Kämpfe vor allem durch Zuschauen dominiert werden. Selbst Bosskämpfe benötigen von uns keinerlei Interaktion. Für die wenigen schwierigeren Kämpfe gibt uns Horst, der Schöpfer von Miitopia, so etwas wie Salzstreuer zur Hand, die anfangs Lebensenergie, Magiepunkte oder Wiederbelebungen streuen, später noch weitere Eigenschaften haben. Ferner haben wir die Möglichkeit, angeschlagene Miis, immer eines zurzeit, im Kampf in die Ruhezone zurückzuziehen, um sie regenerieren zu lassen.

Das Spiel besteht also im Wesentlichen aus Zuschauen. Zuschauen, wie Miis eine hübsche 2D-Strecke mit 3D-Hintergrund entlanglaufen, Zuschauen, wie Miis kämpfen. Wenigstens gibt es zwischen den Levels ein bisschen was zu tun, was den Management-Aspekt des Genres ausmacht. Im Gasthaus, wo die Miis stets zwischen den Levels verweilen, haben wir ein paar Optionen. Wir können unseren Miis Taschengeld geben, das sie für Dinge ausgeben können, die sie gerade brauchen. Das ist immer einer der vier Gegenstandstypen Lebensenergie, Magiepunkte, Rüstung oder Waffe. Wir können die in den Levels gefundenen Lebensmittel an die Miis verfüttern, um ihre Werte zu steigern. Wir können bei einem von zwei Gewinnspielen mitmachen: Das Glücksrad gibt uns immer einen Gewinn, beim Schnick-Schnack-Schnuck können wir Geld gewinnen, aber auch verlieren. Dazu gibt es noch die Zimmer, die wir mit je zwei Miis belegen können.

Der interessanteste Aspekt des Spiels ist die Interaktion zwischen den Miis. Dieser kommt ständig zum Tragen. So reden die Miis in den Levels pausenlos miteinander, manchmal können wir sie in Zwischensequenzen beobachten. Dabei ändern sich ständig die Werte ihrer Beziehungen untereinander. Jedes Mii kann mit jedem anderen Mii eine Beziehung aufbauen, die in etliche Stufen der Freundschaft unterteilt ist. Je größer die Stufe, desto besser die Eigenschaften untereinander im Kampf. Diese reichen von voreinander Angeben, um den Schadenswert zu erhöhen über einander Loben, um die Freundschaft zu verbessern bis zu Heilfähigkeiten nach dem Tod.

Die Zusammenstellung des Abenteuerteams erfolgt zunächst zaghaft. Anfangs laufen wir allein durch die Welt, bald gesellt sich ein zweites Mii zu uns, bis unser Team auf vier Miis angewachsen ist. Das Spiel bietet an mehreren Stellen gute Gründe, das Team zu wechseln, bis es uns im späteren Spielverlauf die Möglichkeit gibt, aus all unseren mühsam aufgelevelten Teammitgliedern nur vier für unsere aktuelle Expedition auszuwählen. Hierbei kommt natürlich der Beziehungsaspekt unter den Miis deutlich zum Tragen, der die Sinnhaftigkeit der Auswahl wiederum begrenzt. Wer nun denkt, wir könnten ja immer mit dem gleichen Team losziehen, der irrt, denn mehrmals werden wir spielerisch auf Null zurückgesetzt, was sich jedes Mal wie einfallsloses Spieldesign anfühlt.

Was uns am Spiel beeindruckt hat, ist der Umfang. Anfangs sind die Missionen noch alle storyrelevant und lassen keine nennenswerten Abweichungen vom linearen Spielverlauf zu. Doch an einem Punkt, an dem wir das Spiel schon zu Ende wähnten, beginnt ein deutlich offenerer Spielteil, der uns die volle Breite der Möglichkeiten erst verfügbar macht und notwendig erscheinen lässt. Doch das passiert erst nach guten zwanzig Spielstunden. Erst nach all dieser Zeit des Zuschauens können wir in ein paar weiteren Stunden noch zeigen, was wir und unser jeweiliges Team wirklich können.

Es gibt bei Miitopia die Möglichkeit, das Laufen der Miis in den Levels, die Kämpfe und viele weitere Animationen zu beschleunigen, indem wir den B-Knopf gedrückt halten. Da es davon keinen nennenswerten Nachteil gibt, lassen wir den Knopf stetig gedrückt, bis uns der Daumen wehtut und wir zum Gedrückthalten sogar eine Klammer verwenden. Das beschleunigt das Spiel zwar, macht es aber nicht viel unterhaltsamer. Die Interaktionen zwischen den Miis wiederholen sich nach einiger Zeit und die Animationen sind teils überflüssig lang, etwa das Drehen des Glücksrades, bis es zum Stillstand kommt. Dadurch ist ein großer Teil des Spiels leider ziemlich ermüdend.

Geschrieben von Arne Ruddat

Fazit:

Den eigenen Miis beim Laufen und Kämpfen zuzusehen, macht durchaus eine Weile lang Spaß. Dass das Spiel jedoch erst nach zwanzig Stunden seinen Umfang soweit entfaltet, dass ich die Möglichkeit habe, mein Team selbst umzugestalten, ist schwer zu erklären. Die Kämpfe sind belanglos simpel. Das Steigern der Miis durch Levelaufstiege passiert automatisch. Die gefundenen Gegenstände sind alle ohne Zweifel besser als die bisherigen und bieten ebenfalls keinerlei Strategieanteil. Ich habe mich bei dem Spiel teils stundenlang gelangweilt, so unterhaltsam es an manchen Stellen auch sein mochte. Der Witz von Miitopia ist durchaus erlebenswert. Die Einfachheit jedoch nicht. Und dass das eigentliche Spiel, nämlich Level zu durchkreuzen und zu kämpfen, automatisch passiert, lässt mich fragen, warum ich das Spiel eigentlich spiele.