Night in the Woods – TEST

Night in the Woods hat sich als narrative Erfahrung einen Platz im Herzen vieler Indie-Liebhaber ergattert. Den Release der Switch-Version nehmen wir uns zum Anlass herauszufinden, ob der Titel seinem exzellenten Ruf gerecht wird.


Night in the Woods ist eines dieser Spiele, das es schafft alleine durch seine Optik dem Spieler im Gedächtnis zu bleiben. Sämtliche Charaktere und Umgebungsmodelle sehen so aus, als seien sie einem Comic-Bastelset für Kleinkinder oder einem Stock-Image-Grafik-Design-Set entsprungen. Alle Charakter-Sprites bestehen demnach nur aus wenigen meist rundlichen geometrischen einfarbigen Formen. Ausdruck wird den anthropomorphen Protagonisten durch verschiedene Sprites, die die jeweilige Gemütslage repräsentieren, verliehen. Mit Erfolg, denn alle Personen wirken, aufgrund der flüssigen Animationen, sehr lebendig und glaubhaft.

Verfolgt von der Vergangenheit
Neben den technischen Aspekten weiß auch die Narrative von Night in the Woods sehr zu überzeugen. Wir schlüpfen in dem Titel in die Rolle von Mae, einer Katze, die nach dem Abbruch vom College in ihr Heimatdorf zurückkehrt. Die ersten Spielstunden verbringen wir auch in besagtem Dorf und lernen Freunde, Feinde und Familie der Protagonistin kennen. Dieser Abschnitt trägt zwar sehr zur Immersion des Spiels bei, zieht sich allerdings merklich, da wir zu großen Teilen nicht mehr machen als uns mit den verschiedenen Personen zu unterhalten und mehrmals das Dorf zu durchqueren. Diesen Umstand nehmen wir allerdings gerne in Kauf, da die Dialoge und die Geschichte im Gesamten hervorragend geschrieben sind. Hierbei darf man sich nicht von dem Look des Spiels in die Irre führen lassen, da überraschend düstere und komplexe Themen aufgegriffen werden. Im Kern der Geschichte befassen wir uns mit Mae und ihren Freunden, erfahren viele Informationen über ihre gemeinsame Vergangenheit auf der Highschool und bekommen ihre Probleme mit dem Älter bzw. Erwachsen werden hautnah zu spüren. Die Geschichten der jeweiligen Gruppenmitglieder stellt sich hierbei als genauso vielschichtig heraus, wie die Entwicklung der Beziehung der Protagonisten zueinander. Zahlreiche Nebencharaktere zeichnen mit ihrer jeweiligen Leidensgeschichte ebenfalls ein sehr trauriges, aber wahres Bild unserer Gesellschaft und deren Probleme.

 

Text lesen mit Auflockerung
Im Kern ist Night in the Woods also ein klassisches Adventure, auf dessen hohen Dialoganteil man sich einlassen muss. Der Einsatz von Musik ist sehr subtil, passt aber wunderbar zu der düsteren Grundatmosphäre, die das Spiel zu erzeugen vermag. Wie es sich für ein Adventure gehört, müssen in Night in the Woods zahlreiche kleine Rätsel gelöst werden. Diese werden allerdings nur selten wirklich herausfordernd, bleiben dafür aber stets logisch. Aufgelockert wird das Gameplay von dem ein oder anderen wiederkehrenden Minispiel, allem voran dem Bass spielen. Mae hatte früher nämlich mit ihrer vorher erwähnten Highschool-Clique eine Band, mit der sie im Spielverlauf hin und wieder musiziert. Wir müssen dann in bester Guitar-Hero-Manier die auf dem Bildschirm erscheinenden Tasten zum richtigen Zeitpunkt drücken. Die Hand voll eingängiger Tracks lädt hierbei zum Wiederkehren ein. In einem anderen Minispiel kämpfen wir uns in pixeliger Optik durch einen Dungeon. Die Minispiele sind insgesamt sehr gelungen und reihen sich nahtlos in das sonst sehr ruhige Gameplay ein.

Geschrieben von Amin Kharboutli

 

Fazit:

Ich habe mir mit Night in the Woods anfangs schwergetan, da es nur sehr langsam sein Potenzial entfaltet und sich vor allem in den ersten Spielstunden merklich zieht. Nichtsdestotrotz sollte man dem Titel eine Chance geben, wenn man auch nur ein bisschen auf gut geschriebene Adventures steht. Ich habe selten ein so stilsicheres Spiel gesehen, das auf der erzählerischen Ebene so viele Themen gekonnt anspricht. Wer auf Charakterentwicklungen und gute Dialoge in Videospielen steht, wird um Night in the Woods wohl kaum herumkommen.