Nintendo Switch Sports – TEST
Nach der Enthüllung des Spiels in der Nintendo-Direct-Ausgabe vom 9. Februar 2022 kamen viele wohlige Erinnerungen an alte Zeiten zurück. Schon Wochen vor Release machte sich jedoch Ernüchterung breit: Nintendo Switch Sports kann nicht an alte Glanzzeiten anknüpfen.
Während in den letzten Jahren vor allem Firmenmaskottchen Super Mario und Co für Nintendos Sportspielsparte herhalten mussten, wurde es still um jene Reihe, die mit Wii Sports 2006 zum Launch der titelgebenden Konsole ihren Anfang nahm. Fast ein Jahrzehnt nach dem letzten Ableger Wii Sports Club für die Wii U möchte Nintendo sowohl neue Spieler als auch alte Fans gleichermaßen abholen. Wenn der Konzern dafür jedoch mehr Schritte zurück als nach vorne geht, kann der Plan einfach nicht wie erhofft aufgehen. Dabei stand das Projekt eigentlich unter einem guten Stern und auch der erste Trailer des Spiels wirkte noch einladend.
In Nintendo Switch Sports begeben wir uns auf den so genannten Spocco Square, der quasi als Hauptmenü des Spiels fungiert, von dem wir alle enthaltenen Sportarten auswählen dürfen. Enthalten sind die sechs Disziplinen Volleyball, Badminton, Tennis, Bowling, Fußball und Chanbara. Haben wir uns für eine Sportart entschieden und angegeben, mit wie vielen Spielern wir vor dem heimischen Fernseher sitzen, geht es in der Regel auch schon los. Nur selten wird von uns verlangt, weitere Einstellungen vorzunehmen beziehungsweise Spielmodi auszuwählen. So bleibt das Konstrukt des Spiels zwar nüchtern, aber sehr wohl einsteigerfreundlich und zugänglich. Kaum ein anderer Titel bietet einen so schnellen Einstieg ins Geschehen.
Mangelhafte Komplexität aufgrund fehlender Möglichkeiten
Wie es nicht anders zu erwarten gewesen wäre, verändert sich der schlichte Spielaufbau auch beim Gameplay von Nintendo Switch Sports nicht. Bei Badminton müssen wir zum Beispiel den Federball ins gegnerische Feld schlagen und nur ins Duell eingreifen, wenn sich der Ball dem Schläger unseres Charakters nähert. Die Spielfigur bewegt sich unterdessen alleine, so wie wir es schon aus Tennis von Wii Sports kennen. Ist der Ball zu schnell, können wir auch die Schultertaste unseres Joy-Cons gedrückt halten und beim Schlag einen Stoppball riskieren. Bestimmte Schläge der Sportart auszuführen ist zumindest manuell nicht möglich.
Ähnlich verhält sich das Spiel auch bei Tennis – nur mit dem Unterschied, dass hier zwei der Sportsmates genannten Charaktere auf dem Feld stehen. Spielen wir alleine und nicht kooperativ mit einem Freund gegen das konkurrierende Team, sind wir gleich für beide Sportsmates verantwortlich. Da sich unsere Spielfigur hierbei ebenfalls automatisch übers Spielfeld bewegt, mangelt es schon der zweiten Sportart an Komplexität. An anderer Stelle führt der Titel sein Konzept rigoros fort. Volleyball unterscheidet beispielsweise nicht bei Aufschlägen von unten oder oben. Auch ob wir den nächsten Ball baggern oder pritschen gibt uns das Spiel durchweg vor. Es ist enttäuschend: Nintendo Switch Sports entmündigt den Spieler da, wo es nur geht.
Spiel und Spaß für starke Nerven
Etwas interessanter sind da schon die anderen drei Disziplinen der Sportspielsammlung. Bei Chanbara greifen wir entweder mit einem oder zwei normalen Schwertern unseren Gegner an oder wir nutzen ein Energieschwert. Wehren wir zwei Angriffe gekonnt ab, indem sich beide Klingen kreuzen, ist das Energieschwert voll geladen. Dann können wir einen stärkeren, aber keinesfalls übermächtigen Angriff entladen, um den Gegner von der Plattform zu stoßen. Im Bowling können wir uns wie schon bei Wii Sports aussuchen, von welcher Position und in welchem Winkel wir die Kugel auf die Bahn werfen. Auch ob die Kugel einen mehr oder weniger starken Links- oder Rechtsdrall haben soll, können wir mit Neigen des von uns verwendeten Joy-Cons erzwingen.
Hundertprozentig funktioniert die Steuerung in Nintendo Switch Sports allerdings in keinem der sechs enthaltenen Spiele. Auch wiederholende Neukalibrierungen der Steuereinheiten lassen sich nach einmaliger Durchführung im Jahr 2022 offenbar immer noch nicht verhindern. Zu guter Letzt gibt mit Fußball immerhin noch eine spannende Überraschung, denn hier können wir uns entweder mit einem anderen Spieler oder in einem Viererteam auf dem Platz messen, indem wir einen überdimensional großen Fußball in ein ebenso gigantisches Tor mittels verschiedener Schusstechniken und Sprünge manövrieren.
Unfertige und unvollständige Produktion
Warum wir unsere Spielfigur beim Fußball jedoch per Analog-Stick steuern dürfen, im Rest des Spiels aber nicht, wird uns wohl für immer ein Rätsel sein. Im Modus Shootout, bei dem wir abwechselnd den Ball ins Tor kicken müssen, kommt darüber hinaus der mitgelieferte Beingurt zum Einsatz. Diesen klemmen wir uns kinderleicht um den Oberschenkel. Sobald der Fußball auf uns zugeflogen kommt, schießen wir den Ball mit einer relativ leichten Beinbewegung ins Tor. Zu einem nicht näher festgelegten Zeitpunkt im Sommer 2022 soll zudem ein Update für Nintendo Switch Sports nachgereicht werden. Anschließend soll es möglich sein, dass wir auch beim eigentlichen Fußballspiel den Beingurt einsetzen können. Ob in diesem Falle die Bewegung per Analog-Stick gestrichen wird, bleibt abzuwarten. Im Herbst 2022 soll auch noch Golf als siebte Sportart folgen.
Anhand solcher Baustellen, die Nintendo immerhin schon vor Release an seine Kunden kommuniziert hat, wird deutlich, dass der Titel nicht wirklich zu Ende programmiert wurde. Natürlich ist es schön, wenn ein Spiel über viele Monate oder vielleicht sogar Jahre hinweg mit neuen Inhalten beliefert wird – allerdings auch nur dann, wenn das Spiel schon einen gesunden Umfang bei Veröffentlichung vorweist. Genau das ist bei Nintendo Switch Sports unverständlicherweise aber definitiv nicht der Fall.
Fragwürdige Designentscheidungen
Fraglich ist, warum wir nicht wie im Seriendebüt mit unseren Fähigkeiten wachsen und entsprechende Gegner serviert bekommen. Stattdessen wählen wir kurz vor Beginn der Sportart nur den Schwierigkeitsgrad aus. Belohnt werden wir für unsere Leistungen offline nicht. Das heißt, dass die auch so schon viel zu wenig vorhandenen Personalisierungsmöglichkeiten unserer Sportsmates ohne kostenpflichtiges Online-Abonnement kaum bis gar nicht erweitert werden können. Wir dürfen zwar auch ohne ein solches Abonnement in die Weiten des Internets abtauchen, treten dort dann aber nur gegen Computergegner an. Ja, uns ist auch aufgefallen, dass das ganz großer Quatsch ist. Maximal dürfen wir hier pro Woche auch nur zwei Geschenke, sprich Kleidung, Frisuren und Co erspielen. Nintendo veräppelt hier ganz klar seine Kunden. So fühlt sich Nintendo Switch Sports in diesem Aspekt wie ein Free-to-play-Spiel an, dessen ganzer Inhalt sich hinter einer Paywall versteckt.
Gerne würden wir jetzt unseren Kopf immer und immer wieder an die Wand hämmern, doch wollen wir noch ein paar letzte Worte zur Technik verlieren: Optisch erinnert der Titel mit seinem sterilen Look an alte Tage und ist damit zweckmäßig. Fehlende Kantenglättung und verwaschene Texturen müssten aber auf der Switch nicht mehr sein. Zwar passen ebenfalls die Melodien zum Geschehen, doch sind diese auf Dauer so repetitiv wie der Rest des Spiels. Dieses braucht im aktuellen Zustand niemand.
Geschrieben von Eric Ebelt
Fazit:
Wochenlang habe ich dem Release des Spiels entgegengefiebert. Da Nintendo in vielen Fällen schon vor dem Veröffentlichungstermin so gut wie alle Informationen offen auf den Tisch legt, war mir im Vorhinein bereits klar, dass der Titel wohl nicht so gut sein würde wie seine Vorgänger. So ist es dann leider auch gekommen. In puncto Umfang bietet Nintendo Switch Sports viel zu wenige Disziplinen und noch dazu zu wenige Modi. Darüber hinaus ist das Spiel viel zu simpel gestaltet. Kaum eine der Sportarten kommt ihrem realen Vorbild nahe. Es fehlen zahlreiche Bewegungsmuster und weitere Möglichkeiten, die mich zu stark abbremsen. Noch darüber hinaus kann ich meinen Sportsmate nicht wirklich individualisieren, da viel zu wenige kosmetische Einstellungen vorhanden sind. Erweitern kann ich diese online nur in einem halbwegs humanen Tempo, wenn ich auch bereit bin, eine Online-Mitgliedschaft abzuschließen. Ansonsten kann ich höchstens zwei Geschenke pro Woche abstauben. Das ist ein schlechter Witz bei einem Spiel, das auch so schon unter einem zu kleinen Umfang und noch dazu technischen Problemen wie einer häufig nicht ganz so genauen Umsetzung der Steuerungseingaben, veralteten Grafiken und repetitiven Melodien leidet. Da spiele ich auch nach über einem Jahrzehnt weiterhin viel lieber Wii Sports und Wii Sports Resort auf der Wii. Perfekt sind diese Spiele zwar auch nicht, aber im Vergleich runder und viel motivierender.
Ich habe es mir zum Release sofort gekauft eine halbe Stunde gespielt seitdem nicht mehr angehabt. Es hat mich irgendwie nicht gereizt. Schade.