Planetarian – TEST

Sehr viele Visual Novels entfalten über besonders lange Laufzeiten fesselnde Geschichten und Figuren. Ebenso ist das bei den Produktionen von Key – Planetarian beansprucht dafür aber wesentlich weniger Zeit.


Planetarian ist für Kenner des Genres inzwischen schon ein alter Hut. Ursprünglich 2004 erschienen, wartete der Westen bis 2014 auf eine PC-Version, die Variante auf Nintendo Switch stellt nun die erste Konsolen-Version dar. Das textlastige Abenteuer ist aber bis heute in mehreren Punkten einzigartig: Zum einen ist die Spielzeit mit gerade mal drei Stunden um ein Vielfaches geringer als bei anderen Vertretern dieses Genres, zum anderen fokussiert sich das Spiel völlig auf seine gerade mal zwei Figuren.

Das Setting selbst ist im Vergleich erst einmal altbekannt. In einer vom Krieg zerstörten und verseuchten postapokalyptischen Welt schlägt sich unser namens- und gesichtsloser Protagonist als sogenannter Junker durch die grauen Häuserschluchten. Durch das Sammeln von Lebensmitteln und anderen Dingen, die ihm beim Überleben helfen, kommt er gerade so über die Runden – um diese wichtigen Ressourcen wird notfalls auch mit Waffeneinsatz gekämpft. Sein müder Alltag wird bei einer Sammel-Tour von etwas für uns völlig Banalem unterbrochen, als er ein intaktes, funktionsfähiges Planetarium betritt.

Im Auge des Sturms

Obwohl menschenleer, wird die Einrichtung noch von Yumemi betreut – einem Service-Roboter in Gestalt eines Mädchens – der auch circa dreißig Jahre nach der Katastrophe geduldig auf Gäste des Planetariums wartet. In den wenigen Stunden Spielzeit konzentriert sich die Handlung auf die Beziehung zwischen dem schroffen Junker und Yumemi, die aufgrund ihrer Programmierung nicht in der Lage ist die aussichtslose Situation der Welt zu realisieren, aber immer versucht den Wünschen der Gäste nachzukommen.

Die Dialoge zwischen dem Menschen und der entwickelten Maschine zeigen schön die Grenzen der künstlichen Intelligenz auf und bewegen sich zwischen Komik und Tragik. Insgesamt helfen die detaillierten Beschreibungen der Geschehnisse ohne langatmigen Textpassagen der starken Immersion. Die Eigenheiten des Roboters sorgen dazu für stetig lustige Situationen, die vor allem in der ersten Hälfte eine wohlige Stimmung im sicheren Planetarium der eigentlich gefährlichen Welt aufkommen lässt.

Wie in anderen Key-Produktionen wird über dieses solide Sediment ab der zweiten Hälfte aber wie mit einer Planierwalze schonungslos eine zu dicke Schicht Melodramatik und Kitsch aufgetragen. Da hilft es auch nicht, dass die Figuren-Konstellation von sich aus schon Klischee-behaftet ist. Auch wenn das Ende ab einem bestimmten Punkt fast schon abzusehen ist, entwickelt sich bis dahin trotzdem noch eine Beziehung zwischen den beiden Figuren, die es sich lohnt, bis zum Ende zu verfolgen. Wie der letztendliche finale Eindruck beim Spieler ausfällt, hängt stark davon ab, wie sehr ihn diese letzten Entwicklungen mitnehmen.

Aufgrund der kurzen Spielzeit hält sich die Anzahl an starren Hintergründen, über die eine Texttafel und ein Charakter-Portrait gelegt wurde, etwas in Grenzen. Dafür glänzt die Visual Novel auf der Switch-Hardware mit sehr vielen Text- und Sound-Einstellungen, sodass das Spiel- beziehungsweise Lese-Erlebnis sowohl auf dem Fernseher als auch im Handheld-Modus problemlos von statten geht. Englisch- oder Französischkenntnisse sind Pflicht, vertont ist das Ganze in Japanisch.

Geschrieben von Jonas Maier

Fazit:

Planetarian zeigt die Grenzen von Mensch und Roboter auf – und das durch eine Geschichte mit minimalen Mitteln, die in ihrem Rahmen aber gut funktioniert. Etwas mehr Abwechslung bei den Hintergrundbildern hätte gutgetan. Bis zum Schluss war ich aber an der Erzählung interessiert, was bei Weitem nicht bei allen Visual Novels der Fall ist. Für mich fällt die zweite Hälfte leider etwas ab, aber wer sich von der offensiven Anime-Optik nicht abgeschreckt fühlt, sollte dennoch einen Blick wagen. Auch wenn in der drei Stunden langen Handlung teilweise gar nicht mal so viel passiert, ist die gute Ausgestaltung der Hintergründe der Welt der Grund dafür, warum jede Handlung des Charakters und der Interaktion mit dem Roboter interessant bleibt.