Resident Evil 6 – TEST

Resident Evil 6 ist der umstrittenste Teil der Serie. Survival-Horror ist nicht mehr im Fokus, da sind sich alle einig, doch finden einige Spieler stattdessen an den prominenten Action-Aspekten ihren Gefallen.


Als mit Resident Evil 4 die Reihe einen völlig neuen Weg einschlug und mitunter das Third-Person-Genre mitbegründete, konnte sich wohl niemand ausmalen, wie die Zukunft der Reihe aussehen wird. Schon Teil fünf machte viele Kompromisse an eine Hollywood-Action-Inszenierung, die schlussendlich im sechsten Teil in einem umfangreichen Blockbuster mündete – zumindest auf einer oberflächlichen Art und Weise. Mit vier Kampagnen, acht spielbaren Figuren und unzähligen Schauplätzen verstreut auf dem gesamten Globus, setzte Capcom vor allem auf Masse – die fehlende Klasse machte sich schon zum Release in Form von ernüchternden Bewertungen bemerkbar. Trotzdem besitzt Resident Evil 6 bis heute spannende Spielmechaniken, die kaum ein anderes Spiel vorweisen kann. Die Nintendo-Switch-Version bekam hier sogar ein gänzlich neues Feature spendiert.

Neben den klassischen, schlurfenden Zombies bringt der neuartige C-Virus nun waffenschwingende Mutanten in allen Farben und Formen hervor. Die Handlung, aufgeteilt in vier Kampagnen mit jeweils zwei Spielfiguren, versucht um das Thema des Bio-Terrors ein weltumspannendes Action-Drama zu erzählen, das uns gleichzeitig auch noch auf emotionaler Ebene packen soll. Bis auf die ansehnlichen Zwischensequenzen ist der Bombast aber alles andere als packend. Da halfen auch bekannte Serien-Ikonen wie Leon, Chris oder Ada nichts, deren viel zu lange Storystränge sich während der fünfundzwanzig Spielstunden regelmäßig überschneiden. Nach dutzenden Explosionen, Quicktime-Events und geskripteten Sprint-Sequenzen dürfte nämlich so gut wie jeder Spieler langsam taub werden.

Action-Eskapade

Resident Evil 6 ActionDie klaren Anleihen an Action-Filme und Third-Person-Shooter der 2010er Jahre ermüden sich im Resident-Evil-Korsett leider sehr schnell und wirken austauschbar. Auch auf Gameplay-Ebene ist der Action-Anteil im Vergleich zu den Vorgängern gehörig gestiegen und die Spielfiguren haben neue Kampffähigkeiten gemeistert. Der Fokus liegt auf Nahkampftechniken und ortsabhängigen Interaktionen. Bringen wir einen Gegner durch Schüsse oder Hiebe ins Taumeln, dürfen wir diesen durch athletische und überaus brutale Kombos den Rest geben. Jeder Charakter hat seine individuellen Kombo-Fähigkeiten. Leon ist nach dem vierten Teil zum Beispiel immer noch in der Rolle des Zombie-Wrestlers unterwegs, während Chris auf seine brachialen Fäuste vertraut.

Die Menge an Moves ist beachtlich, ebenso das Bewegungs-Repertoire der Spielfiguren: Wer weiß wie, kann seine Figuren mit Hechtsprüngen durch die Gegend fliegen lassen, auf dem Boden rollend Zombies ins Visier nehmen und Feinde im Angriff effektiv kontern. Im Tutorial wird davon absurderweise nichts erwähnt und zum normalen Spielen sind diese Manöver auch nicht notwendig, obwohl sie den Kampfelementen doch eine besonders coole Note verleihen.

Keinerlei Management

Die Schusswaffen werden da fast schon obsolet. Hier gibt es das Standard-Repertoire von der einfachen Pistole zum Scharfschützengewehr und das Schießen macht dank des meist guten Trefferfeedbacks immer noch Spaß. Ein Händler oder eine Item-Verwaltung gibt es nicht mehr, stadtessen finden wir neue Waffen regelmäßig auf unserem Weg. Erledigte Gegner hinterlassen Munition, Heilitems und die neuen Fähigkeitspunkte. Anstelle eines motivierenden Upgrade-Systems wie in den Vorgängern, dürfen wir in Resident Evil 6 mit letzterem lediglich Charakter-Verbesserungen freischalten, sobald wird das Ende eines Kapitels erreicht haben. Eine obsolete Mechanik, immerhin haben die Kampagnen nur sehr wenige Kapitel, die dafür sehr lang sind. Nach ein bis zwei Stunden Spielzeit dürfen wir dann aus einer zu großen Anzahl von zu marginalen (und nur wenigen guten) Fähigkeiten drei für unseren Charakter auswählen. Allein dafür hatten wir nie die Lust alle Gegner zu besiegen oder die einfältig versteckten Truhen für Extra-Punkte zu durchsuchen.

Eingleisige Entgleisung

Resident Evil 6 EndgegnerInsgesamt war wohl eine Design-Philosophie den Grad an Denkleistung während dem Spiel immer auf einem sehr niedrigen Level zu halten. Davon zeugen auch die Spielumgebungen, die uns durch unterirdische Grabstätten genauso linear führen, wie durch eine brennende chinesische Großstadt. Rätsel gibt es gar keine mehr, dafür folgen wir stur dem Missionsmarker zur nächsten Tür. Auch Resident Evil 4 war linear, verstand es aber den Spieler regelmäßig neue Hindernisse und Gegnerkonstellationen vor die Nase zu setzen, die immer eine neue Herausforderung darstellten. Erschreckend ist auch die schlechte Menüführung, obwohl es bis auf Heilgegenstände und Waffen-Wechsel gar kein Item-Management mehr gibt. Hier drücken wir viele Tasten, nur um sehr wenig auszurichten. Im Hintergrund läuft das Spiel derweil weiter.

So toll die Bewegungsmöglichkeiten auch sind, so ungenau ist die Steuerung. Die Figur und Kamera steuern wir unabhängig, trotzdem hängen wir zu oft an irgendwelchen Ecken fest oder müssen die Kamera nachjustieren. Die hat sowieso einen Hang zur Deckenbetrachtung. Wer zur Steuerung die Joy-Cons verwendet, sollte unbedingt die Bewegungssteuerung ausprobieren. Hier wird durch das Schwenken des rechten Joy Cons das Fadenkreuz bewegt und das funktioniert bei entsprechender Position der Konsole auch ebenso gut wie damals auf der Wii. Ein einzigartiger Bonus.

Geteiltes Leid ist halbes Leid

Die Zeiten der vergangenen Konsolen-Generation sehen wir dem Spiel zwar technisch an, Resident Evil 6 hat visuell dennoch seine Highlights. Einigen Umgebungen und Hintergründen sehen wir dem Spiel das hohe Budget auch heute noch an. Manche Texturen waren aber schon damals nicht gut, da hat sich auch bei den Neuveröffentlichungen nichts getan. Im Handheldmodus lässt sich der Titel bequem genießen, der Gyro-Sensor unterstützt hier das Zielen.

Eine weitere Besonderheit von Resident Evil 6 sind die unzähligen Multiplayer-Modi. Am wichtigsten ist aber der Coop-Modus. Im Splitscreen können sogar zwei Spieler mit je einem Joy Con an einer Konsole zusammenspielen. Die Steuerung fällt entsprechend ungelenk aus. So fehlt zum Beispiel direkt der zweite Analogstick und die Kamera wird per Knopfdruck nachjustiert. Alternativ können auch alle Kampagnen online im Coop gespielt werden.

Inzwischen gibt es auf der Nintendo Switch eine ansehnliche Menge an Resident-Evil-Spielen. Wer Survival-Horror will, findet diesen in Resident Evil oder Resident Evil Zero, wer gute Action beziehungsweise ein ausgezeichnetes Coop-Erlebnis sucht, sollte sich lieber Resident Evil 4 oder 5 anschauen. Lediglich Leute, die gegen den linearen und langatmigen Zombie-Krieg mit Wrestling-Moves antreten wollen, dürften Teil sechs etwas abgewinnen können.

Geschrieben von Jonas Maier

Fazit:

Resident Evil 6 ist ein polarisierendes Spiel. An die bisherigen Qualitäten der Reihe kommt es auch in seinen besten Momenten nicht heran. Die neuartigen Action-Elemente haben durchaus ihren Reiz und besonders die Vielfalt, die wir an den Tag legen können, um die Gegner anzugehen, ist beachtlich. Mindestens so beachtlich sind die Veränderungen im Vergleich zu den beiden Vorgängerspielen. Technik, Kamera, Spielgefühl und Spielfluss sind nur die Kernelemente, die noch in Resident Evil 5 besser funktioniert haben. Überraschend ist die Einbindung der Bewegungssteuerung, die wirklich gut funktioniert. Wer nach Resident Evil 5 nochmal auf der Suche nach einem umfangreichen, aber mit eindeutigen Schwächen geplagten Coop-Abenteuer ist, der kann sich Resident Evil 6 zumindest näher anschauen.