Rise of the Third Power – TEST

Ara Fell war 2016 der erste Titel des US-amerikanischen Entwicklerstudios Stegosoft Games, der sich auf das goldene Zeitalter der Rollenspiele besinnt. 2020 gelang der Sprung vom PC auf die Switch. Der Nachfolger Rise of the Third Power erschien direkt auf allen unterstützten Systemen zeitgleich.


Angesiedelt ist Rise of the Third Power laut Herstellerangaben in derselben Spielwelt wie Ara Fell, sodass sich Fans des klassischen Genre-Vertreters sofort heimisch fühlen dürften. Die Geschichte spielt diesmal im großen Segelzeitalter der Fantasy-Welt Rin. Diese ist angelehnt an das politische Klima Europas in den 1930er-Jahren. So gibt es zum Beispiel Anspielungen an einen großen Krieg und einen Friedensvertrag, der in einem ganz bestimmten Thronsaal unterzeichnet wurde.

In diesen politischen Irrungen und Wirrungen findet die Geschichte der beiden Protagonisten Rowan und Corinna statt. Bei diesen beiden Charakteren handelt es sich um Diebe und Tagelöhner, die damit beauftragt wurden, Prinzessin Arielle noch vor ihrer Hochzeit zu entführen. Was relativ unscheinbar beginnt, entwickelt sich regelrecht zu einem politischen Thriller, der sich in immer größer werdende Aufträge verstrickt und zum Sturz eines ganzen Imperiums führen soll. Obwohl die Handlung grundsätzlich einen sehr ernsten Unterton hat, bleibt reichlich Spielraum für Humor. So entwickeln sich sowohl die Helden als auch die zahlreichen Nebenfiguren ständig weiter. Wer wirklich alles verstehen will, sollte im Übrigen über gute Englisch- oder Japanischkenntnisse verfügen, da Rise of the Third Power bedauerlicherweise nicht ins Deutsche übersetzt wurde. Schade, aber doch verschmerzbar.

Atmosphärisches Szenario

In puncto Gameplay erkunden wir wie für das Genre üblich eine große Spielwelt, unterhalten uns mit ihren illustren Bewohnern in Dörfern, Städten und Schlössern, leisten uns Gefechte mit zahlreichen Monstern und gehen auf Schatzsuche. Damit wir uns in Rise of the Third Power besser orientieren können, sind wichtige Personen, Händler, Auftraggeber und Co mit speziellen Symbolen über ihren Köpfen gekennzeichnet. Da das Rollenspiel sehr textlastig ist, lassen sich so auch nur die allerwichtigsten Figuren problemlos anquatschen. Ein tolles Feature für Spieler, die in den 1990er-Jahren mit dem Genre aufgewachsen sind, heute aber aus beruflichen oder familiären Gründen kaum mehr Zeit haben.

Wollen wir Stegosoft Games’ Werk von Anfang bis Ende mit allen Nebenaufgaben absolvieren und alle Hintergründe lüften, dürften mehrere dutzend Stunden ins Land ziehen. In jedem Fall werden wir mit einer dichten Atmosphäre und interessanten Fakten belohnt. Selbiges gilt für unsere Helden, die nicht in allen Dialogen das Mundwerk halten und sich so nebenbei noch viel mehr entfalten können. Beispielsweise entpuppt sich Arielle als noch hochnäsiger, als wir sie ohnehin schon halten, und Rowan klingt hingegen schlicht gefühllos. Es macht Spaß, immer mehr über die Welt, ihre Bewohner und unsere Recken zu erfahren und all die kleinen Details zu entziffern.

Interessantes Crafting und gelungene Charakterentwicklung

Absolvieren wir in Rise of the Third Power die Nebenquests, erhalten wir dafür als Belohnung nicht selten spezielle Materialien, die wir im Handwerkssystem einsetzen dürfen. Haben wir genügend Materialien fürs Crafting beisammen, kommen wir so an neue Ausrüstung, die unsere Werte permanent verbessern. Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass wir in den Schatztruhen und Läden lediglich Materialien fürs Handwerk und Items zur Heilung finden. Der Erkundungsdrang wird nur bedingt gemindert, da er sich eigentlich nur verschiebt.

Für besiegte Monster erhalten wir rollenspieltypisch Geld in Form von Dukaten und Erfahrung. Mit letzterer steigt unsere Gruppe mit der Zeit gemeinsam im Level auf. Hier vereinfacht der Titel das Konzept des Rollenspiels etwas. Spannender wird es hingegen bei der Verteilung von Talentpunkten, die es beim Stufenaufstieg tröpfelt. Jeder Held verfügt hierbei über seinen eigenen Fähigkeitsbaum. Wir müssen entscheiden, welcher Charakter einen oder mehrere Talentpunkte erhält und wofür. Zur Auswahl stehen unter anderem neue Skills, die wir zum Teil auch verbessern können. Auch die Erhöhung von Attributen ist möglich. So können wir theoretisch alle Punkte auf einen Helden verteilen, um regelrecht einen Superhelden zu erschaffen. Dennoch sollten wir auch die anderen Charaktere dabei nicht außer Acht lassen.

Taktisches Kampfsystem

Darüber hinaus können wir jedem Charakter ein Accessoire anlegen. Dessen Boni können durch die im Kampf gesammelten Erfahrungspunkte zudem mitleveln. Nicht nur dieser Aspekt, sondern auch das rundenbasierte Kampfsystem ist interessant gestaltet. Am oberen Bildschirmrand erkennen wir, welcher Held oder Gegner als nächstes am Zug ist. Jeder unserer Recken verfügt neben den typischen Attributen, die Stärke und Geschwindigkeit messen, auch hier über Lebens- und Magiepunkte. Sinken die Lebenspunkte auf Null, ist die jeweilige Figur kampfunfähig.

Spannender ist da schon die Verwendung der Magiepunkte, die sich während des Kampfes je nach Charakter unterschiedlich (schnell) regenerieren. Während Rowan Schaden nehmen oder austeilen muss, füllt sich der Vorrat von Corinna rundenweise auf. Auch wenn nicht alle Skills Magiepunkte verbrauchen, werden fast alle Fähigkeiten nach ihrem Einsatz mit einem Cooldown belegt. Anschließend können wir das Talent für ein paar Züge nicht mehr einsetzen. Dadurch kommt jede Menge Spannung auf, da wir ständig dazu angehalten werden, die Gegner auch mal einzuschläfern, ihnen Blutungen zuzufügen und gar im richtigen Moment Buffs mit Debuffs zu kontern. So fühlen sich die Kämpfe von Rise of the Third Power sehr taktisch an. Dadurch heben sie sich stark vom Einheitsbrei des Genres ab.

Komfortable Bedienung

Rise of the Third Power ist im Grunde ein sehr zugängliches Spiel. Wir bewegen unsere Gruppe kinderleicht über das Steuerkreuz des Pro Controllers oder den Analog-Stick von einem Ort zum anderen und benötigen daneben lediglich drei Aktionsknöpfe zum Bestätigen, Abbrechen und dem Öffnen des Menüs. Letzteres ist tatsächlich übersichtlich gestaltet und erinnert stark an etwaige RPG-Maker-Titel und frühere Rollenspiele vom Super Nintendo oder der PlayStation. Selbst blutige Anfänger müssen nicht verzagen, denn alle wichtigen Elemente werden genau zu dem Zeitpunkt, an dem sie wichtig werden, kurz und bündig erläutert. Lediglich leichte Vorkenntnisse für das Genre setzt Rise of the Third Power voraus. Dennoch sind sämtliche Befehle dank prägnanter Bildschirmtexte äußerst leicht verständlich, sodass dies für niemanden eine große Hürde darstellen dürfte.

Des Weiteren gibt es insgesamt vier Schwierigkeitsgrade. Während das Spiel auf der normalen Stufe schon recht knackig ist, dürften Hardcore-Spieler den Regler um zwei Levels nach oben justieren. Wem auch der normale Schwierigkeitsgrad zu hoch ist, kann andersherum in den Story-Modus schalten, um einerseits die vor allem im späteren Spielverlauf womöglich ermüdenden Kämpfe schnell zu Ende zu bringen und andererseits, um schlicht die Geschichte etwas flüssiger zu erleben.

Audiovisuelle Zeitreise in die 1990er-Jahre

Unter visuellen Gesichtspunkten erstrahlt Rise of the Third Power im 16-Bit-Grafikstil, der an Rollenspiele der 1990er-Jahre erinnert. Viele der verwendeten Grafiken für die Umgebungen und deren Details stammen jedoch aus jahrzehntealten RPG-Maker-Versionen. Dafür bietet der Titel viele detaillierte Charaktermodelle, die sowohl innerhalb als auch außerhalb der Kämpfe verspielt und wunderbar animiert sind. Auch die Grafikeffekte in den Kämpfen wissen zu überzeugen. Trotz der RPG-Maker-Grundlage haben auch Klassiker wie Chrono Trigger einen Einfluss auf das Spiel gehabt, was beispielsweise an den in den Dungeons stets sichtbaren Gegnern und dem herausgezoomten Geschehen auf der Weltkarte zu erkennen ist.

Auch die akustische Kulisse im Sinne von Umgebungsgeräuschen und Soundeffekten ist gelungen. Dazu gesellen sich packende und teils heroisch wirkende Musikstücke, die ebenfalls zur Atmosphäre beitragen. Diese wird aber insofern abgeschwächt, da sich die Melodien nicht dynamisch dem Geschehen anpassen, sondern einfach nur abgespielt werden. Wie ihr seht, kann der Titel in nahezu allen Kategorien punkten. Trotz allem haben es die Entwickler versäumt, am Ende die Extrameile zu gehen. Nicht alle Mechaniken sind gänzlich durchdacht, was Rise of the Third Power zwar nicht zu einem herausragenden, aber immer noch zu einem sehr guten Rollenspiel macht.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Rise of the Third Power bietet einen spannenden, atmosphärischen und interessanten Handlungsrahmen. Die Story an sich reißt keine Bäume aus und das muss sie im Grunde auch nicht. Sie lehnt sich passend zum Gameplay an Genre-Konventionen der 1990er-Jahre an und kann damit angenehm unterhalten. Darüber hinaus macht es Spaß, die Spielwelt zu erkunden, auch wenn Waffen, Rüstungen und Co nicht gefunden, sondern lediglich über das Handwerkssystem erstellt werden können. Dies spielt in meinen Augen auch wunderbar der Charakterentwicklung in die Hände, da ich so stets entscheiden muss, welchen meiner Recken und wessen Ausrüstung ich als nächstes verbessern möchte. In den Kämpfen gibt es ebenfalls keine sinnlosen Fähigkeiten. Tatsächlich hat jeder einzelne Skill seine Daseinsberechtigung. Audiovisuell ist der Titel ebenfalls ein Genuss für jeden Nostalgiker und Retro-Fan, auch wenn die Musik sich leider nicht dynamisch dem Geschehen anpasst und dieser Umstand hörbar an der Atmosphäre kratzt. Der Umstand, dass es genügend Anlehnungen an ältere Rollenspiele gibt, macht dieses Manko aber wieder wett. Ein herausragendes Rollenspiel ist Rise of the Third Power meiner Meinung nach zwar nicht geworden, doch ist es trotz der kleinen Defizite immer noch ein sehr guter Genre-Vertreter. Wer angemessene Englisch- oder Japanischkenntnisse mitbringt und Lust auf ein spannendes Szenario und ein taktisches Kampfsystem hat, sollte unbedingt zuschlagen!