Roadwarden – TEST

Ein textbasiertes Rollenspiel auf der Switch? Roadwarden überrascht mit packender Story und dichtem Ambiente – doch ruckelnde Technik droht das Fantasy-Abenteuer aus der Bahn zu werfen. Wer wagt den gefährlichen Weg?


Starker Regen peitscht gegen die alte Holzpalisade, während wir im fahlen Laternenlicht das Tor öffnen. Keine opulente 3D-Grafik zeigt uns diese Szene. Es sind stattdessen Worte und ein paar grobe Pixelbilder, die sofort eine Gänsehaut erzeugen. Roadwarden versteht es, allein mit Texten und Musik eine dichte Atmosphäre aufzubauen. So wirkt die Welt lebendig in unserer Fantasie. Dieses Abenteuer setzt voll auf Vorstellungskraft und weckt Erinnerungen an Pen-&-Paper-Geschichten am Lagerfeuer.

Doch was verbirgt sich hinter dem ungewöhnlichen Namen? Wir schlüpfen in die Rolle eines sogenannten Roadwarden – eines Straßenwächters, der in einer gefährlichen, vom Rest der Zivilisation abgeschnittenen Gegend für Sicherheit und Verbindung sorgen soll. Die Geschichte beginnt atmosphärisch: Als Neuling werden wir von einer mächtigen Händlergilde beauftragt, eine geheimnisvolle Halbinsel zu erkunden, die seit Jahren kaum Kontakt zur Außenwelt hatte. Unser Vorgänger, der vorherige Roadwarden, ist spurlos verschwunden. Fortan reisen wir allein durch trostlose Wälder und verfallene Außenposten, um seinem Verbleib nachzuspüren und den Menschen vor Ort zu helfen. Schnell merken wir, dass jede unserer Entscheidungen Gewicht hat. Wir versprechen Dorfbewohnern Unterstützung, nehmen Aufträge an und müssen ständig abwägen, wem wir trauen – und wie wir mit begrenzter Zeit und Ressourcen umgehen.

Ein Indie-Hit auf neuen Wegen

Entwickelt wurde Roadwarden von Moral Anxiety Studio, einem Ein-Mann-Indie-Studio des polnischen Autors Aureus. Ursprünglich erschien das Spiel 2022 für PC und erntete dort viel Lob für seine gelungene Mischung aus interaktiver Fiktion und Rollenspiel. Dass Publisher Assemble Entertainment den Titel nun auf die Nintendo-Plattform gebracht hat, eröffnet einem neuen Publikum wie uns die Chance, dieses besondere Spielerlebnis kennenzulernen. Allerdings bedeutet der Sprung auf die Switch nicht nur eitel Sonnenschein – dazu später mehr. Zunächst fällt auf, mit wie viel Liebe zum Detail die Welt von Viaticum gestaltet ist. Trotz Indie-Budget erwartet uns kein simples, kurzes Gelaber, sondern ein durchdachtes Abenteuer mit Überraschungen und Tiefgang. Aureus hat über ein Jahrzehnt an dieser Fantasy-Welt gearbeitet, was wir an der Konsistenz der Spielwelt merken. Hinter jedem Dialog und jeder Beschreibung steckt spürbar Herzblut, und wir ahnen schnell, warum Roadwarden in Genre-Kreisen bereits als moderner Geheimtipp gilt.

Die Umsetzung auf der Switch wurde ebenfalls von Assemble Entertainment betreut. Neue Inhalte oder exklusive Features gibt es zwar nicht, doch das Spielgefühl eines tragbaren Buch-Rollenspielabenteuers hat seinen eigenen Reiz. Mit dem Handheld in der Bahn zu sitzen und in Gedanken durch regennasse Wälder zu reiten – das bieten uns so wenige andere Spiele derart eingängig wie es nur ein Buch kann, plus Interaktion. Trotzdem: Die Portierung bringt auch Herausforderungen mit sich, insbesondere bei Bedienung und Technik, die bei einem textlastigen Titel nicht unterschätzt werden dürfen.

Entscheidungen, Klassen und Zeitdruck

Spielerisch verbindet Roadwarden klassische Rollenspiel-Elemente mit einem interaktiven Text-Adventure. Wir lesen überwiegend, wählen Dialogoptionen und verwalten ein paar Werte. Daraus entfaltet sich ein erstaunlich komplexes Spiel. Zu Beginn legen wir keinen starren Charakter fest, sondern formen unsere Figur Schritt für Schritt durch unsere Taten und Worte. In den Dialogen definieren wir nach und nach immer mehr Details unserer Identität. Die Wahl der Berufs-Klasse fällt beispielsweise auf den Moment, wo diese zum ersten Mal zum Tragen kommt. Dabei stehen uns drei zur Auswahl: Krieger, Magier oder Gelehrter. Jede dieser Klassen verleiht uns andere Fähigkeiten und einzigartige Dialogoptionen, was den Verlauf der Geschichte subtil beeinflusst. Zusätzlich wählen wir früh ein persönliches Ziel, sei es Ruhm erlangen, Reichtum anhäufen oder den Menschen zu helfen. Das gibt unserem Abenteuer eine individuelle Motivation, die wir selbst entschieden haben. Es gibt kein „richtig“ oder „falsch“, denn Roadwarden lässt uns erstaunlich frei entscheiden, was für ein Held oder Antiheld wir sein möchten.

Roadwardens Gameplay besteht hauptsächlich daraus, mittels Menüauswahl durch die Texte zu navigieren, Orte zu erkunden und Ressourcen zu managen. Klingt zwar trocken, ist aber das genaue Gegenteil: Roadwarden bietet mehr Interaktivität, als wir anfangs erwartet hatten. Eine zentrale Rolle spielt die Zeit. Wir haben im Standardmodus vierzig Spiel-Tage Zeit, bevor der erste Schnee fällt und unsere Mission enden muss. Das ist ein hartes Limit, das jeden Schritt bedeutungsvoll macht. Zum Glück gibt es auch einen entspannten Modus ohne Zeitdruck für alle, die sich lieber unbegrenzt umsehen möchten, sowie einen Hardmode, der erfahrene Abenteurer mit einem dreißig-Tage-Ziel herausfordert. Neben der Zeit verwalten wir Gesundheit, Proviant, Geld und Ausrüstung. Das klingt nach Survival, und tatsächlich müssen wir darauf achten, regelmäßig zu rasten, zu essen und uns vor Kämpfen vorzubereiten. Doch Kämpfe laufen hier nicht in Echtzeit ab, sondern werden meist angenehm erzählerisch aufgelöst – Roadwarden setzt den Schwerpunkt ganz klar auf Geschichte und Entscheidungen statt auf Action. Insgesamt ist Roadwarden wie ein Rollenspiel, dessen einziger Spieler-Charakter wir selbst sind, was uns alle Entscheidungen abverlangt und wo wir allein mit den Ergebnissen leben müssen. Eine einfache Rückgängig-Option gibt es nicht, und Fehler oder harte Konsequenzen gehören zum Erlebnis und machen den Reiz aus.

Atmosphäre aus Wort und Bild

Roadwarden ist ein Spiel, das sehr viel Stimmung durch Musik und Text aufbauen kann. Während wir lesen, untermalt dezente, stimmungsvolle Musik die Szenerie. Mal ist sie melancholisch mit Gitarrenklängen, mal unheilvoll dröhnend, wenn Gefahr naht. Die wenigen Grafiken sind sparsam und überblickshaft. Pixelige Illustrationen in Erdfarben zeigen uns beispielsweise eine verlassene Hütte oder einen finsteren Waldpfad, jedoch ohne Figuren oder viel Bewegung. Diese bewusste Kargheit gibt uns nur einen atmosphärischen Anhaltspunkt und überlässt den Rest erfolgreich unserer Vorstellungskraft. In seinen Brauntönen und mit der groben Pixeloptik erinnert Roadwarden an frühe PC-Adventures der 90er, zugleich schafft es damit aber einen einzigartigen Stil. Wo moderne Spiele oft alles vorgeben, dürfen wir hier mental mitgestalten – ein Gefühl, das an gute Literatur erinnert.

Lasst euch nichts anderes einreden: Die Qualität der Texte ist herausragend. Roadwarden ist vollgepackt mit fein ausgearbeiteten Beschreibungen, lebendigen Dialogen und glaubwürdigen Charakteren. Die Welt wirkt dadurch erstaunlich greifbar. Wir könnten die dichte Atmosphäre und das konsequente World-Building gar mit Größen wie Divinity: Original Sin 2, Disco Elysium oder The Witcher vergleichen. Das Abenteuer nimmt kein Blatt vor den Mund bei harten Themen. Wir begegnen Leid, Einsamkeit und moralischen Dilemmata, die uns zum Teil ziemlich an die Nieren gehen. Dank exzellenter Schreibe bleibt die Spannung hoch. Wir wollen unbedingt wissen, was hinter dem nächsten Hügel auf uns wartet oder welches Geheimnis das nächste Dorf verbirgt. Unterstützt wird diese Sogwirkung durch kleine Hilfen wie ein automatisch geführtes Tagebuch und eine Karte, die nach und nach vom Gebiet gezeichnet wird, sodass wir uns nicht selbst jeden Pfad merken müssen. Dieses Fortschrittsgefühl, vom leeren Pergament zur detaillierten Landkarte, verleiht dem Spiel eine unerwartete Befriedigung. Die Atmosphäre ist düster, aber nicht hoffnungslos, denn immer wieder gibt es Lichtblicke: etwa freundliche Gesten von NPCs oder Momente des Triumphs, wenn wir ein Rätsel lösen. Insgesamt zeigt Roadwarden, dass bombastische Grafik nicht nötig ist, um Spielerinnen und Spieler in eine fremde Welt zu ziehen, solange Atmosphäre und Erzählung stimmen.

Technische Tücken auf der Switch

Leider hat die Switch-Umsetzung auch Schattenseiten. Das Ruckeln ist zeitweilig sowohl auf Switch 1 als auch Switch 2 so stark, dass es an Unspielbarkeit grenzt. Wenn wir mehrere Sekunden lang Knopfeingaben machen, die scheinbar nicht akzeptiert werden, und diese anschließend in rascher Abfolge alle aufeinanderfolgen, sorgt das nicht nur für Verwirrung. So überspringen wir schnell Dialoge, ändern Dinge oder geben Antworten, die wir so gar nicht vorgesehen hatten. Mit anderen Worten: Roadwarden kämpft auf Nintendos Hardware mit teils gravierenden Performance-Problemen. Besonders irritierend ist, dass das Spiel auf der brandneuen Switch 2 sogar noch schlechter läuft als auf dem ursprünglichen Modell. Der Entwickler hat bereits verlauten lassen, dass das Portierungsteam diese Probleme untersucht. Bis zu einem möglichen Patch müssen wir jedoch viel Geduld mitbringen.

Auch die Steuerung wurde nicht optimal an die Konsole angepasst. Der Cursor, den das Spiel auf PC hat, ist auf Switch nicht verfügbar, wir müssen also per Stick und Schultertasten die Elemente im Interface auswählen. Das fühlt sich oft an wie Blindflug: Ein Fokus-Wechsel von einem zum anderen Element wird häufig nicht sichtbar markiert, nicht direkt umgesetzt oder führt uns zu einer völlig unerwarteten Auswahl. Kurzum: Die Darstellung und Umsetzung der Selektion von Menüelementen funktioniert nur dürftig und erschwert die Navigation erheblich. Zwar gibt es Touchscreen-Unterstützung, was das Blättern durch Texte und Auswählen von Buttons etwas angenehmer macht, doch auch hier reagiert das Spiel träger als erwartet. Hinzu kommt, dass Roadwarden nur in englischer Sprache erhältlich ist. Wer nicht sehr geübt im Englischen ist, wird an den langen Lesepassagen keine Freude haben. Apropos lesen: Die Schriftgröße ist auf der Switch erstaunlich klein geraten, was insbesondere im Handheld-Modus oder am TV aus der Distanz anstrengend sein kann. Eine Option, die Fontgröße zu erhöhen, gibt es nicht. Hier wäre ein Patch ebenfalls wünschenswert. Technisch hat die Switch-Version also klare Defizite: Lange Ladezeiten, ein klobiges UI und Ruckler dämpfen den Spielspaß. Trotzdem – wenn wir uns darauf einlassen oder vielleicht auf einen Fix warten, erhalten wir inhaltlich dasselbe fesselnde Abenteuer wie auf dem PC.

Geschrieben von Arne Ruddat

Fazit:

Arne Ruddat

Mit einer solch fesselnden Geschichte hatte ich nicht gerechnet. Roadwarden hat mich wirklich überrascht, denn ich fühlte mich wie ein Teil dieser Welt, nicht nur als passiver Leser. Vor allem, dass ich selbst so viel Einfluss nehmen kann, zeigt, wie wirksam ich mich beim Spielen fühle. Es ist schön, so wichtiger Bestandteil dieses gut geschriebenen Werkes zu sein. Ich musste über die nächsten Entscheidungen zum Teil lange nachdenken. Ich habe Routen geplant, Schicksale von Dorfbewohnern beeinflusst und abgewogen, welchen Gefallen ich als nächsten erfülle – oder lieber nicht, denn das könnte eine Falle sein. Das Ergebnis war jedes Mal mein ganz persönliches Abenteuer. Doch so begeistert mich Inhalt und Erzählweise auch haben, so sehr leidet das Spiel an der Umsetzung auf Switch 1 und noch mehr auf Switch 2. Die häufigen Ruckler und die umständliche Steuerung haben meinen Geduldsfaden ordentlich strapaziert. Hoffentlich liefert das Entwicklungsteam hier noch einen Patch, der unsere genannten Probleme beseitigt. Denn Roadwarden selbst ist ein kleines Juwel für Fans narrativer Rollenspiele: Wer gerne liest, Entscheidungen mit Konsequenzen mag und eine dichte Fantasy-Atmosphäre schätzt, wird vom Spiel belohnt – sofern man die technischen Hürden überwindet. Ich kann dieses Abenteuer trotz seiner Macken empfehlen, insbesondere denen von euch, die etwas Abseits des Mainstreams suchen. Alle anderen sollten zumindest die PC-Version in Betracht ziehen, falls die Switch-Portierung ungefixt bleibt. In jedem Fall zeigt Roadwarden, dass interaktive Geschichten auch 2025 noch begeistern können. Es wäre schade, wenn technische Patzer diese Erfahrung trüben. Mit Patch und etwas Feinschliff hätte Roadwarden das Zeug zum Geheimtipp auf Nintendos Konsole, so ist es leider aktuell ein grandioses Spiel, das in einem suboptimalen Gewand steckt.