Romancing SaGa: Minstrel Song – Remastered – TEST

Wer die SaGa-Reihe kennt, der weiß, dass Entwicklerlegende Akitoshi Kawazu am liebsten sein Ding durchzieht und so einzigartige Spielideen formt. All dies ist auch in Romancing SaGa: Minstrel Song – Remastered zu erkennen, das in Europa erstmals Ende 2022 erschien.


Nach den ersten drei SaGa-Spielen für den Game Boy führte Square die Rollenspielreihe auf dem Super Nintendo fort. Der erste Teil erschien dabei nur knapp mehr als einen Monat nach der dritten Episode im Januar 1992 in Japan als Romancing SaGa. Was viele nicht wissen, ist, dass der Titel des Spiels auf dem Film Auf der Jagd nach dem grünen Diamanten basiert, der im Original Romancing the Stone heißt. Inhaltliche Ähnlichkeiten sind jedoch ausgeschlossen. Stattdessen baut der erste Serienteil auf dem Super Nintendo das Storytelling der rudimentär erzählten Vorgänger weiter aus und führte das Free Form Scenario System in die SaGa-Reihe ein.

Davon haben in den 1990er-Jahren aber nur wenige Spieler außerhalb Japans etwas erfahren, denn obwohl die drei Game-Boy-Vorgänger noch als so genannte Final-Fantasy-Legend-Reihe in Nordamerika Fuß fassen konnte, hat Square von einem Release außerhalb des Lands der aufgehenden Sonne abgesehen. Zumindest bis zum Jahr 2005, denn in diesem Jahr brachte der inzwischen zu Square Enix fusionierte japanische Konzern das Remake des vorenthaltenen Klassikers nach Nordamerika. Als Romancing SaGa: Minstrel Song wurde das Spiel mit einer komplett neuen Grafik und hinzugefügten Inhalten für die PlayStation 2 veröffentlicht. Der große Erfolg blieb jedoch aus. Mit SaGa: Scarlet Graces sollte erst im Jahr 2016 ein weiterer vollwertiger Serienteil erscheinen. Heutzutage ist die Serie auch hierzulande präsenter.

Acht Charaktere mit eigenen Schicksalen

Letzteres dürfte vor allem am Retro-Wahn liegen, in dem sich Square Enix verfangen hat. So werden unfassbar viele alte, vergessene oder dem europäischen Publikum sogar gänzlich unbekannte Werke in Form von Portierungen, Überarbeitungen oder Neuauflagen überhaupt erst zugänglich gemacht. Auch die SaGa-Reihe ist inzwischen nahezu vollständig auf der Nintendo Switch, der PlayStation 4 oder dem PC spielbar. Anstatt jedoch wie bei Romancing Saga 2 und Romancing SaGa 3 neue Versionen auf Basis der Super-Nintendo-Fassung zu kreieren, entschieden sich die Verantwortlichen bei Square Enix diesmal für ein Remaster des Remakes von der PlayStation 2. Aufgrund der Einheitlichkeit ist das ein wenig schade. Nichtsdestotrotz dürfte das PlayStation-2-Korsett womöglich ein paar Spieler mehr ansprechen.

In Romancing SaGa: Minstrel Song schlüpfen wir anfangs in die Rolle eines von acht Helden. Zur Auswahl stehen die Nomadin Aisha, der Adlige Albert, die Tänzerin Barbara, die Waldhüterin Claudia, der Abenteurer Gray, der Pirat Hawke, der Dieb Jamil und die Kriegerin Sif. Jeder Charakter hat seine eigene Hintergrundgeschichte und ein Ziel, das er verfolgt. Überschneidungen mit den anderen Figuren sind möglich oder sogar storytechnisch gewollt. Am Ende läuft alles auf den Konflikt mit einer dunklen Gottheit hinaus. Durch das erwähnte Free Form Scenario System können wir die Welt bis dahin relativ frei erkunden und so einige Nebenquests erfüllen.

Erhöhter Wiederspielwert dank Vielfältigkeit

Inspiriert von japanischen Flussdramen, bei denen es sich um Fernsehdramen, die meist innerhalb eines Jahres in einem wöchentlichen Turnus erzählt werden, bietet Romancing Saga: Minstrel Song auf diese Weise eigens auf den Charaktere zugeschnittene Handlungsbögen. Das macht die Erzählweise ein ganzes Stück persönlicher. Darüber hinaus hat dies den positiven Nebeneffekt, dass der Wiederspielwert mit einem neuen Helden gegeben ist. Zudem gibt es viele Möglichkeiten, wie wir unsere Charaktere personalisieren können, was dem Wiederspielwert zusätzlichen Auftrieb verleiht.

Auch wenn es beim bloßen Betrachten von Romancing SaGa: Minstrel Song gar nicht so stark auffällt, funktioniert das Spiel wie eingangs angedeutet nach eigenen Regeln. Viele davon sind schnell verinnerlicht, da das Grundkonzept immer noch auf den Gestaltungsregeln japanischer Rollenspiele basiert. So können wir uns in den Städten und Dörfern für gesammelte Goldmünzen mit neuer Ausrüstung eindecken, Items erwerben, Zaubersprüche erlernen, Waffen verbessern und reparieren, Berufungen verfeinern oder gar die Klasse einzelner Figuren wechseln. All diese Features hängen jedoch sehr, sehr stark mit der Charakterprogression zusammen. Wenn ein Kämpfer beispielsweise ungeübt im Umgang mit Äxten ist, nützt es nichts, ihm das beste Beil im Spiel in die Hand zu drücken, wenn er mit Schwertern effektiver umgehen kann. Das intensiviert jedweden Shoppingtrip.

Ideenreiches wie intelligent gestricktes Kampfsystem

Intensiv ist auch das Kampfsystem von Romancing SaGa: Minstrel Song, denn im Gegensatz zu anderen japanischen Rollenspielen verzichtet auch diese Episode der Reihe auf ein gängiges Stufensystem. Stattdessen erhöht die Teilnahme an Kämpfen peu à peu unsere Werte und der Umgang mit Waffen und Magie verbessert deren Effektivität. Hinzu kommt, dass unsere Charaktere ihre Gegner im Kampf stets beobachten, wodurch ihnen im laufenden Gefecht die eine oder andere Idee kommt, wie sie ihre Waffen kraftvoller einsetzen können. Neue Fähigkeiten sind in der Regel stärker und sorgen mitunter für Statusveränderungen bei den Feinden.

Allerdings kosten besondere Fähigkeiten eine gewisse Anzahl an Kampfpunkten, die sich pro Runde jedoch wieder auffüllen. So können wir nicht einfach nur die stärksten Angriffe loslassen und die besten Zaubersprüche entfesseln. Wir müssen stets abwägen, wann wir die Fähigkeiten am besten einsetzen. Durchaus kann es von Vorteil sein, wenn wir uns eine Runde lang auch einfach mal verteidigen, um weniger Schaden zu nehmen oder bei ausgerüstetem Schild einen Angriff sogar gänzlich abzuwehren. Bei Waffen und manchen Gegenständen kommt erschwerend hinzu, dass sie ähnlich wie in älteren Fire-Emblem-Episoden eine Haltbarkeit vorweisen und die je nach Art des Angriffs mehr oder weniger in Mitleidenschaft gezogen werden. Das Aufsparen von Waffen für hartnäckige Gegner gewinnt dadurch an Bedeutung.

Kampf bis zum Tod und darüber hinaus

Romancing SaGa: Minstrel Song verzichtet übrigens auf das Heilen von Wunden außerhalb der Auseinandersetzungen. Nach jedem Kampf werden wir großzügig geheilt und das ist in Anbetracht eines weiteren Merkmals der Reihe auch gut so. Neben den Trefferpunkten, die unsere Lebensenergie darstellen, arbeitet das Rollenspiel mit Lebenspunkten. Dieser Wert fällt deutlich geringer aus, stellt er doch das Maß dar, wie häufig einer unserer Helden sterben kann, bevor er aus der Gruppe endgültig ausscheidet. Positiv ist, dass wir auch Charaktere mit Kräutern und Co heilen können, die über keine Trefferpunkte mehr verfügen.

Ihr müsst aber keine Sorge haben, dass das Spielgeschehen ein Überlebenskampf gegen den permanenten Tod darstellt. Romancing SaGa: Minstrel Song füllt bei einer Übernachtung in einer Herberge alle Lebenspunkte wieder auf – und selbst wenn der endgültige Tod einmal eintreten sollte, gibt es im späteren Spielverlauf die Möglichkeit, selbst diese Charaktere ins Leben zurückzuholen. Aus Spoiler-Gründen halten wir uns hierbei jedoch bedeckt. Eine Ausnahme gibt es aber dennoch: Sobald die Lebenspunkte unseres zu Beginn gewählten Protagonisten aufgebraucht sind, flimmert der Game-Over-Bildschirm genauso über die Mattscheibe als hätten alle Charaktere das Zeitliche gesegnet. Es lohnt sich also, in den Tavernen auch mal unwichtige Randfiguren in die Gruppe einzuladen, um mehr austeilen und einstecken zu können.

Verbesserungen und Unverständlichkeiten

Darüber hinaus bieten Remake und Remaster Quality-of-Life-Verbesserungen, die das Abenteuer angenehmer gestalten. Zum Beispiel können wir den Spielstand sowohl mittels bequemer Schnellspeicherfunktion als auch auf separaten Spielständen jederzeit sichern. Letzteres war im Remake auf der PlayStation 2 noch nicht möglich. Hinzugekommen ist die Option, die Spielgeschwindigkeit auf Knopfdruck zu verdoppeln oder zu verdreifachen. Besonders jene, die nur schnell ein paar Monster verkloppen wollen, um die Charaktere zu verbessern, profitieren davon.

Einsteiger freuen sich darüber, dass das Spiel wichtige Informationen genau an der Stelle einblendet, wenn sie auch wirklich notwendig sind. An dieser Stelle sei aber gesagt, dass das Remaster nur über englische und japanische Bildschirmtexte verfügt. Eine deutsche Übersetzung hat sich Square Enix gespart. Wer also nicht einer der beiden Sprachen mächtig ist, steht aufgrund der Komplexität vor ein paar Hindernissen. Noch unverständlicher ist, dass wir nicht die Wahl zwischen englischer und japanischer Vollvertonung haben. Das heißt im Klartext, dass wir die in unseren Ohren bessere japanische Synchronisation nur mit den japanischen Texten erleben können. Ein Knockoutkriterium für Fans japanischer Spiele! Optisch setzt das Spiel auf einen seichten Aquarell-Look, der uns aber gefällt und dem Titel mehr Identität verleiht. Uns wird Romancing SaGa: Minstrel Song sehr lange in Erinnerung bleiben.

Geschrieben von Eric Ebelt

Fazit:

Auch wenn ich es schade finde, dass Square Enix für den ersten Teil der Trilogie nicht wie bei den beiden Nachfolgern auf ein Update der Super-Nintendo-Variante gesetzt hat, bin ich dennoch froh, dass wenigstens das Remake von der PlayStation 2 in Form eines Remasters auf aktuelle Plattformen gebracht wurde. Romancing SaGa: Minstrel Song erzählt acht liebevolle Geschichten, die sich zu einem großen Epos zusammenfügen. Hinzu kommt, dass der Wiederspielwert nicht nur aufgrund der Erzählweise, sondern auch auf Basis der Individualisierungsmöglichkeiten der Helden stets gegeben ist. Es macht Spaß, losgelöst von den möglicherweise eingefahrenen Mechaniken japanischer Rollenspiele auf andere Art und Weise meine Charaktere zu verbessern und mich in Nebenaufgaben zu verlieren. Auch wenn mir unterm Strich der Abschluss der Trilogie am besten gefällt, dürfte gerade das Remaster von Romancing SaGa: Minstrel Song ein guter Einstiegspunkt für die Serie sein. Alle wichtigen Informationen werden genau zu dem Zeitpunkt, an dem die jeweilige Funktion wichtig wird, in kurzen und knackigen Hilfetexten erklärt. Einsteiger werden so gut wie nie überfordert, was ein großer Pluspunkt ist. Die vielen Quality-of-Life-Verbesserungen wie das freie Speichern oder die Erhöhung der Spielgeschwindigkeit machen das Erlebnis ebenso um einiges angenehmer. Trotz allem kann ich nicht verstehen, warum ich nicht frei zwischen der englischen und japanischen Synchronisation wählen darf. Einige Sprecher der englischen Variante, besonders bei Nebenfiguren, sind meiner Meinung nach echt unpassend. Die japanische Sprachausgabe ist um einiges besser, lässt sich aber nur mit japanischen Bildschirmtexten erleben. Nichtsdestotrotz bleibt Romancing SaGa: Minstrel Song ein richtig gutes japanisches Rollenspiel, das jeder Genre-Fan einmal gespielt haben sollte, der mit dem Bruch von Genrekonventionen konform geht.