Shin Megami Tensei V – TEST

Über die Jahre ist die Nintendo Switch Jahre zum Rollenspielmagnet geworden. Ein neues Shin Megami Tensei gab es bisher aber nicht. Im Guten wie im Schlechten hängt eine lange Wartezeit direkt mit der Qualität des Spiels zusammen, wie das endlich veröffentlichte Shin Megami Tensei V zeigt.


Die Geschichten in Shin Megami Tensei erinnern immer an eine japanische Bibelstunde, die viele religiöse Konzepte verarbeitet. In diesem Fall spielen in Shin Megami Tensei V der Baum der Erkenntnis und andere Themen aus den Anfängen des Alten Testaments eine entscheidende Rolle. Seinen Anfang nimmt die Geschichte aber im Tōkyō der Gegenwart. Unser stummer Protagonist besucht in den ersten Spielminuten seine Oberschule zum allerletzten Mal. Ein mysteriöses Erdbeben versenkt die ganze Stadt im Chaos und lässt eine trümmerübersäte und verödete Wüste zurück. Ganz allein sind wir nicht. Neben uns haben ein paar unserer Klassenkameraden überlebt. Neu sind jedoch die zahllosen Dämonen, die sich einfach so in Tōkyō eingenistet haben.

Offene und gute Spielwelt

Nach dem storyfokusierten Einstieg lässt uns Shin Megami Tensei V schnell auf die Spielwelt und die Spielsysteme los. So verschmelzen wir nach unserer Ankunft im neuen Tōkyō namens Da’at rasch mit einem Wesen namens Aogami zum Nahobino, einem Mischwesen zwischen Mensch und Gottheit. Regelmäßig treffen wir auf bekannt Gesichter, die typisch für die Reihe versuchen, ihren Weg in der neuen Welt zu machen und uns für ihre Sache zu gewinnen. Mit wenigen Antwortmöglichkeiten geben wir hier kleine Impulse für ein spezifisches Ende. Ansonsten treibt uns eher die Neugierde und Erkundungsfreude durch die Spielwelt. Zwar gibt es unerwartete Momente, meistens gibt uns die Story aber nur einen Anreiz von Punkt A nach Punkt B zu wandern. Währenddessen begleitet uns immer der fantastische Soundtrack, der zwischen hartem Rock und schauerhaften und unwirklichen Klängen rangschiert und genauso Teil der Erkundung ist wie die sandigen Sandalen vom Nahobino.

Vielseitige Rollenspielmechaniken

Shin Megami Tensei V KampfsystemImmerhin besteht die Dämonenwelt zu einem großen Teil aus vom Sand verschluckten Überresten der Stadtteile Tōkyōs. Die Dämonen laufen frei herum, womit die meisten Kämpfe nur initiiert werden, wenn wir es wirklich wollen. Durch die Fähigkeit zu springen werden wir dazu animiert, alle Ecken der vertikalen Spielwelt abzusuchen – und das lohnt sich. Das liegt an der Dichte der Spielwelt, die zwar verhältnismäßig offen ausfällt, aber keinen Leerlauf besitzt. Ständig finden wir wertige Items, die es so nicht zu kaufen gibt, neue Skills und sogar Hinterlassenschaften verstorbener Dämonen, die allen Dämonen in der Gruppe ein vollständiges (!) Level-up spendieren.

Solche Inhalte sind extrem belohnend, ohne das Balancing aus den Fugen zu werfen – und notwendig, denn auch auf dem normalen Schwierigkeitsgrad ist Shin Megami Tensei V bewusst fordernd. Es verlangt von uns eine ernste Auseinandersetzung mit allen Spielelementen und Kampfmechaniken, um uns sinnlosen Grind zu ersparen. Ein Kampf, der beim ersten Mal unschaffbar scheint, wird nach der richtigen Vorbereitung zu einem befriedigenden Kräftemessen. So soll es sein!

Zu dieser Vorbereitung zählt zum Beispiel die Auseinandersetzung mit dem neuen Essenz-System. Die Essenzen der Dämonen erhalten wir in der Spielwelt und nach Nebenmissionen und fungieren als Skill-Pakete, die wir frei auf andere Dämonen übertragen können, um dessen Aktionsrepertoire zu optimieren. Auch die Resistenzen eines Dämons kann auf unseren Hauptcharakter übertragen werden, sodass ein bestimmter Angriffstyp praktisch wirkungslos wird. Shin Megami Tensei V bietet hier eine Menge Möglichkeiten des Feintunings mit großer Auswirkung.

Vertraut und dennoch frisch

Shin Megami Tensei V VerhandlungAn den grundlegenden Kernspielmechaniken hat sich auch im fünften Hauptableger wenig getan. Für Shin Megami Tensei üblich, rekrutieren wir eine bunte Mischung aus Dämonen und setzen diese gegen die vielfältigen mythologischen Kreaturen im rundenbasierten Kampf ein. Am effektivsten ist es wie immer, die Schwachpunkte der Gegner unter Beschuss zu nehmen. So ist Jack Frost natürlich anfällig gegenüber Feuerangriffen. Finden wir einen solchen Schwachpunkt heraus, bekommt unsere Party einen weiteren Zug. Die Aufgabe von uns und unseren drei Dämonen im Kampf ist es stets, die Gegner so schnell und effektiv wie möglich zu besiegen.

Auch die Gegner profitieren von unseren Schwachpunkten und können in höherer Anzahl schnell einmal die Überhand gewinnen. Sehr schön sind die Affinitätspunkte wie schon im letzten großen 3DS-Ableger, die allen Dämonen neben den Statuswerten noch weitere besondere Stärken und Schwächen verleihen. So kann ein Dämon mit einem hohen Magiewert und einer hohen Eisaffinität dennoch wesentlich effektiver mit Eis- als mit Elektro-Angriffen umgehen. Zusätzlich sorgen dämonenspezifische Angriffe für noch mehr Identität der über zweihundert Dämonen im Spiel.

Geschick im Kampf

Natürlich kämpfen die Dämonen nicht umsonst für uns. Wollen wir einen in unsere Reihen rekrutieren, sprechen wir sie einfach im Kampf an und führen eine kleine Verhandlung durch. Typisch für die Reihe ist der Ausgang der Verhandlung oft nicht absehbar, darin liegt aber der Reiz und in Shin Megami Tensei V auch der Witz – den auch die grässlichsten Dämonen zeigen im Gespräch einmal überraschend menschliches und einmal überraschend komödiantisches Potential. Schlussendlich zahlen wir für die Gunst des Dämons einen gewissen Preis in Form von Leben, Geld oder Items. In diesem Teil hatten wir das Gefühl, dass viele der Verhandlungen sehr schnell zu unserem Gunsten ausfallen.

Holprige Performance

Shin Megami Tensei V wurde im Januar 2017 zeitgleich mit der Nintendo Switch enthüllt. Das Spiel läuft auf der Unreal Engine 4 und ist bis dato ein exklusiver Titel für die Nintendo-Plattform. Umso fraglicher ist die Performance des Spiels, die eher an eine schwache Switch-Portierung erinnert und nicht an einen von Grund auf für diese Plattform entwickelten Exklusivtitel. So bemüht sich die Bildrate mehr schlecht als recht das Ziel von dreißig Bildern pro Sekunde zu halten, was vor allem bei den Platforming-Passagen zu keinem guten Spielgefühl beiträgt.

Die Welt ist zwar weitläufig, aber leicht comichaft abstrahiert und von den Details, Texturen und Charakteranimationen her nichts, was die Hardware überfordert. Wieder wett machen das der sichere Stil und der einzigartige Soundtrack. Trotzdem werden wir etwas traurig, wenn wir daran denken, wie dieses Spiel deutlich optimierter oder auf einer stärkeren Switch laufen könnte. So oder so liegen die großartigen Inhalte von Shin Megami Tensei V nicht in der Technik, sondern in der Erkundung und Spielmechanik – und diese Elemente brillieren auf einzigartige Art und Weise.

Geschrieben von Jonas Maier

Fazit:

 

Ich hatte hohe Erwartungen an Shin Megami Tensei V. Was die Spielmechaniken und die Kämpfe angeht, wurden sie erfüllt. Hier ist auch der fünfte Teil der Reihe ein sehr gelungenes Rollenspiel mit motivierenden Kämpfen und Upgrade-Mechaniken. Positiv überrascht bin ich von der Erkundung und der Struktur der Spielwelt. Zwar gibt es japanische Rollenspiele mit großen freien Abschnitten wie zum Beispiel Dragon Quest XI: Streiter des Schicksals oder Xenobalde Chronicles 2, doch Shin Megami Tensei V nutzt etwas kleinere Areale und erinnert durch Platforming-Abschnitte und der verschachtelten Welt voller versteckten Items fast schon an die Spielwelt eines Action-Adventures. Mindestens genauso erinnerungswürdig wie die Erkundung ist der Soundtrack, der am meisten zur apokalyptischen Stimmung des Spiels und dessen Identität beiträgt. Shin Megami Tensei V setzt einen neuen hohen Standard für die folgenden Hautteile wie Spin-offs. Nur an der Performance muss in Zukunft gearbeitet werden.