Tactics Ogre: Reborn – TEST
Am 11. November erschien die erweiterte Neuauflage des legendären Strategiespiel-Klassikers Tactics Ogre: Let Us Cling Together unter dem Titel Tactics Ogre: Reborn unter anderem auf der Nintendo Switch. Wie der Name schon verrät, handelt es sich dabei nicht nur um eine simple Portierung des Taktik-Hits von Square Enix, denn das Spiel profitiert von einer ganzen Reihe modernisierter Spielmechaniken, Quality-of-Life Verbesserungen sowie einer überarbeiteten Grafik und einem neu eingespielten Soundtrack.
Tactics Ogre gehört zur Ogre-Battle-Reihe, die im Jahr 1993 auf dem Super Famicom mit Ogre Battle: March of the Black Queen ihren Anfang nahm. March of the Black Queen erschien auch auf dem US-amerikanischen Markt und erlangte dort durch sein innovatives Echtzeit-Strategie-Gameplay und das komplexe Moralsystem einen Kultstatus. 1995 folgte dann mit Tactics Ogre die Fortsetzung auf dem Super Famicom, die von Spieldesigner und Fan der Band Queen den Namen eines weiteren Songs der Rockband als Untertitel verpasst bekam: Let Us Cling Together. Das Spiel wurde 1997 auf die PlayStation portiert und erschien 1998 dann auch in den USA. Tactics Ogre hatte mit seinen rundenbasierten Kämpfen und der isometrischen Perspektive einen ganz anderen spielerischen Ansatz als sein Vorgänger und bot eine noch wesentlich komplexere Story. Das Spiel legte damit auch die Grundlage für eine ganz spezielle Strömung innerhalb des Genres der rundenbasierten Strategiespiele, die vor allem in den 1990er Jahren unter anderem durch Final Fantasy Tactics fortgeführt wurde und noch in diesem Jahr mit dem hervorragenden Triangle Strategy mit einer liebevolle Hommage bedacht wurde.
2010 erschien dann ein rundum erneuertes Remake von Tactics Ogre: Let Us Cling Together auf der PlayStation Portable. Für dieses Remake, das in Japan unter dem Titel Tactics Ogre: The Wheel of Fortune veröffentlicht wurde, kamen viele der ursprünglichen Entwickler des Spiels, darunter auch Yasumi Matsuno, der Square Enix während der turbulenten Entwicklung von Final Fantasy XII verließ, noch einmal zusammen. Das Entwicklerteam verbesserte die Story, brachte die Spielsysteme auf den neuesten Stand und fügte viele sinnvolle Erweiterungen hinzu. Auf genau diesem Remake basiert nun auch das aktuelle Tactics Ogre: Reborn, das aber nochmals einige signifikante Änderungen aufweist, welche dem Spiel noch einmal einen letzten Schliff geben und es damit auch einem breiteren Publikum zugänglich macht.
Bürgerkrieg auf den Valeria-Inseln
Tactics Ogre: Reborn spielt auf den Valeria-Inseln, die als die Kronjuwelen der Obero-See bekannt sind und über lange Zeit ein blühendes Zentrum des maritimen Handels waren. Die über viele Jahrhunderte zerstrittenen Völker der Inseln konnten schließlich durch den als „Dynast-King“ in die Geschichte eingegangenen Königs Dorgalua Oberyth befriedet werden. Unter seiner Herrschaft gab es auf den Inseln über ein halbes Jahrhundert lang Frieden, aber als er schließlich starb, brachen die Feindseligkeiten erneut aus. In dem blutigen Bürgerkrieg strebten nun drei Fraktionen nach der Herrschaft: die aus valerianischen Adelsgeschlechtern bestehenden Bakram, die Galgastani, welche die Mehrheit der auf den Inseln lebenden Bevölkerung ausmachen, und die Walister, eine Minderheit ohne viel Mitbestimmungsrecht. Nachdem sich die Bakram und Galgastani die Inseln unter sich aufteilten. Der daraus resultierende brüchige Frieden scheint aber nicht lange zu halten und ein viel größerer Konflikt wirft seine Schatten voraus.
Wir übernehmen die Rolle von Denam Pavel, der wie seine Schwester Catiua und sein Freund Vyce der Walister-Widerstandsbewegung angehört. Die Drei suchen Vergeltung an einer Gruppe von schwarzen Rittern, die ihr Heimatdorf brandschatzten. Dadurch werden sie schon bald in einen immer weiter eskalierenden Konflikt hineingezogen, in den sich neben unterschiedlichen Parteien auch ausländische Mächte einmischen. Die packende und sehr erwachsene Geschichte um Krieg, politische Machtkämpfe und deren Auswirkung auf die Menschen fesselt mit ihren zahlreichen Wendungen viele Stunden vor den Bildschirm. So werden wir verehrt, gejagt, verleumdet, oder von vermeintlichen Freunden und Verbündeten verraten. Zusätzlich können wir die Geschichte im Laufe des Spiels durch unsere Entscheidungen nachhaltig beeinflussen. Ein Feature, das auch in dem dieses Jahr erschienen Triangle Strategy Verwendung fand und für viel Wiederspielwert sorgt. Manchmal ändern sich durch die oft sehr moralisch geprägten Entscheidungen nur kleine Dinge, manchmal werden wir aber auch mit ganz neuen Ereignissen konfrontiert. Nach dem Ende des Spiels können wir zudem an bestimmte Punkte des Spiels zurückkehren und andere Wege wählen.
Für einen guten Überblick über die komplexe Handlung sorgt dabei der so genannte Warren Report, ein Lexikon, in dem wir zusätzlich zu einem Überblick über alle Charaktere und deren persönlichen Hintergrundgeschichten, die ständig aktualisiert werden, auch aktuelle Ereignisse auf dem Inselreich nachverfolgen können. So erfahren wir von Ereignissen, die uns zwar anfänglich nicht direkt berühren, aber später für uns wichtig sein können. Manchmal schalten wir durch das Lesen auch ganz neue Orte oder Nebenquests frei. Die Inseln von Valeria werden dadurch zu einem sehr lebendigen und glaubhaften Schauplatz, der sich vor ähnlich politisch ausgerichteten Fantasy-Epen wie Game of Thrones beziehungsweise Song of Ice and Fire nicht verstecken braucht und eigentlich sogar ein Jahr vor George R. R. Martins Buchreihe erschien.
Ein wiedergeborenes Kronjuwel der Rundenstrategie
Spielerisch ist Tactics Ogre: Reborn ein traditionelles, rundenbasiertes Strategiespiel, was nicht weiter verwundert, da es maßgeblich dazu beigetragen hat, dieses Genre zu formen. Die gegnerischen Truppen stehen sich auf einer in isometrischer Ansicht dargestellten Karte gegenüber, die wie ein Schachbrett aus einzelnen Feldern besteht. Das Schlachtfeld kann dabei wie schon in der PlayStation-Portable-Version in mehreren Stufen gezoomt und in eine Art Draufsicht gekippt werden. Die einzelnen Figuren ziehen nacheinander, die Reihenfolge der Züge ist durch den Charakterwert der Agilität bestimmt. Sämtliche Kommandos wie Angriff oder Magie führen wir über intuitiv zu bedienende Menüs aus. Schlüssel zum Sieg ist das taktische Vorgehen während der Kämpfe. Die einzelnen Schlachtfelder selbst sind wie Puzzles aufgebaut und stellen uns vor immer neue Herausforderungen. Eine solche stellt beispielsweise der Kampf gegen einen fiesen Nekromanten recht am Anfang des Spiels dar. Hier müssen wir nicht nur gegen seine Skelette antreten, die nach einigen Runden wiederbelebt werden und nur durch einen bestimmten Trick dauerhaft besiegt werden können, sondern wir müssen währenddessen auch seine Festung erklimmen, die sich hoch aus einem Sumpf erhebt. Das Terrain müssen wir dabei geschickt zu unseren Gunsten nutzen und die einzelnen Fähigkeiten unserer Einheiten schlau einsetzen. Löblicherweise lässt sich in der Reborn-Version die Flugbahn von Geschossen wie Pfeilen oder Zaubersprüchen vorhersagen. So können wir dafür sorgen, dass wir unser Ziel auch treffen, und nicht aus Versehen einen im Weg stehenden Verbündeten.
Die überarbeitete Gegner-KI agiert mitunter gnadenlos und pickt sich gerne die schwächsten Glieder unserer Kampftruppe wie beispielsweise Heiler oder Magier heraus und beharkt sie unablässig. Dies macht die einzelnen Kämpfe durchweg spannend und herausfordernd. Um Frust entgegenzuwirken, lässt sich das Kampfgeschehen dank der sogenannten Chariot-Tarot zurückdrehen. Zudem können wir mit einer verbesserten KI auch unsere eigenen Truppen steuern lassen, wenn uns die Situation überfordern sollte.
Verbessertes Mikromanagent und sinnvolle Quality-of-Life-Verbesserungen
Zwischen den einzelnen Kämpfen reisen wir auf einer Landkarte von Ort zu Ort. Wartete das ursprüngliche Tactics Ogre noch mit Zufallsbegegnungen auf, welche Reisen zurück an zuvor besuchte Orte mitunter sehr in die Länge zog, wurden diese in der neuen Reborn-Version ersatzlos gestrichen. Wollen wir dennoch etwas grinden und leveln, können wir dies nun in optionalen Trainingsmissionen tun. Eine sehr löbliche Änderung, wie wir finden. Ansonsten wartet abseits der Kämpfe ein umfangreiches Charakter- und Partymanagement auf uns, das jedoch von Square Enix ebenfalls einer Entschlackung unterzogen wurde. So fallen nun die ursprünglich in Tactics Ogre: Let Us Cling Together vorhandenen Beschränkungen für die Verwendung von Ausrüstungsgegenständen und Items weg. In Tactics Ogre: Reborn können wir alles ausrüsten, wenn wir es gefunden oder gekauft haben, einzige Voraussetzung sind die Klassenbeschränkungen. So kann beispielsweise ein Bogenschütze auch weiterhin keine schwere Rüstung tragen und ein Kleriker kann keinen Angriffszauber lernen. Wollen wir weniger Mikromanagement, können wir auch einer KI das Ausrüsten überlassen. Ein weiteres neues Feature sind die Talismane, ein neuer Item-Typ, den wir während oder nach einem Kampf als Belohnung erhalten können, und der uns erlaubt unsere Einheiten noch mehr zu individualisieren. Diese Talismane können dabei völlig unterschiedliche Effekte haben. Einige können das Level einer Einheit um eins anheben, Charakterwerte dauerhaft erhöhen oder sogar das Element einer Einheit zu einem anderen verändern.
Zudem können wir nun bis zu fünf Kampftruppen separat speichern, ein nettes Feature, das es uns ermöglicht, unsere Truppe ganz auf die kommende Schlacht anzupassen. Dies ist besonders sinnvoll, da wir uns in Tactics Ogre: Reborn die Schlachtfelder vorher ansehen können und unsere Truppe somit an die Zusammensetzung der gegnerischen Einheiten anpassen können. Insgesamt bietet Tactics Ogre: Reborn eine ganze Menge an neuer Features und kleiner Verbesserungen, die alle aufzuzählen den Rahmen dieses Artikels sprengen würde. Insgesamt schaffen sie es aber, den zeitlosen Strategieklassiker perfekt an moderne Gegebenheiten anzupassen, ohne dabei das klassische Gameplay zu sehr zu verändern.
Optische Enttäuschungen und ein Genuss für die Ohren
Die einzige Neuerung, die unserer Meinung nach negativ heraussticht, ist die Verschlimmbesserung der Grafik. Über die ursprünglich detaillierte Pixelgrafik des Originals wurde ein Grafikfilter mit Weichzeichner gelegt, der leider alternativlos ist. Gerade die Sprites wirken auf einem großen Bildschirm dadurch recht verwaschen, hier hätten wir uns wirklich die Option gewünscht, diesen abzuschalten. Demgegenüber stehen die fantastischen und hochaufgelösten Charakterportraits von Designer Akihiko Yoshida, die in den Dialogen eingeblendet werden. Ein kleines Feature, das wir bei Triangle Strategy vermisst haben.
Wirklich ein Genuss ist die Musik. Der Komponist von Tactics Ogre, Hitoshi Sakimoto, der auch schon bei anderen Spielen von Yasumi Matsuno wie Final Fantasy Tactics, Final Fantasy XII oder Vagrant Story für eine atmosphärische Musikuntermalung sorgte, nahm für Tactics Ogre: Reborn den kompletten Soundtrack mit einem Live-Orchester neu auf. Die Musikstücke reichen dabei von ruhig und melancholisch bis zu epischen Stücken, welche die Atmosphäre des Spiels zusätzlich unterstützen. Für Tactics Ogre: Reborn wurden zudem sämtliche Dialoge auf Japanisch und Englisch vertont. Das exzellente englische Skript von Übersetzer Alexander O. Smith, der sich auch für die englischen Übersetzungen anderer Werke von Yasumi Matsuno wie Vagrant Story oder Final Fantasy XII verantwortlich zeigte besticht durch eine sehr blumige Prosa und der häufigen Verwendung mittelalterlicher Ausdrucksweisen. Die englischen Sprecher schaffen es dabei sehr gut, die Dialoge zu transportieren. Tactics Ogre: Reborn bietet zudem erstmals auch eine deutsche Übersetzung. Der deutsche Text ist zwar auch recht gut gelungen, weicht aber häufig schon etwas vom Gesprochenen ab, so dass Spieler, die der englischen Sprach mächtig sind, am Besten zur englischen Sprachversion wechseln.
Geschrieben von Markus Schoenenborn
Fazit:
Tactics Ogre gehört zu meinen absoluten Lieblingsspielen, und auch heute übt der fast 30 Jahre alte Strategieklassiker eine ungebrochene Faszination aus. Die Story ist nach wie vor eine Wucht und fasziniert durchgehend mit vielen Wendungen und gut geschriebenen Charakteren, welche alle nachvollziehbare Motivationen haben. Zudem kommt das Spiel trotz vieler Dialoge immer schnell auf den Punkt und verliert sich nicht in endlosen Zwischensequenzen, wie das bei Triangle Strategy der Fall war. Die zahlreichen spielerischen Neuerungen, die Entschlackung etwas in die Jahre gekommener Spielsysteme und komfortablen Quality-of-Life-Verbesserungen machen den Urvater der isometrischen Rundenstrategie auch heute noch zu einem Genuss. Vor allem die Möglichkeit, die Schlachtfelder vorher zu begutachten, mehrere Kampftruppen zu speichern oder das Fehlen der Zufallsbegegnungen auf der Weltkarte sind sehr willkommene Features. Hier haben sich die Entwickler wirklich einiges einfallen lassen, um das Gameplay frisch zu halten. Einziger Wermutstropfen ist die überarbeitete Grafik. Der glättende Filter, welcher über die Figuren und Hintergründe gelegt wurde, gefällt mir überhaupt nicht und ich hätte mir schon die Möglichkeit gewünscht, diesen auszuschalten. Demgegenüber ist die neu aufgenommene Musik hervorragend und lässt uns in die epische Geschichte eintauchen. Insgesamt kann ich jedem Strategiespiel- und Rollenspiel-Fan Tactics Ogre: Reborn uneingeschränkt ans Herz legen. Auch wenn das anspruchsvolle Charakter- und Party-Management etwas abschreckend wirken kann und mitunter wesentlich komplexer als bei Fire Emblem oder Triangle Strategy ist, sollten sich Hobby-Strategen Tactics Ogre: Reborn unbedingt einmal ansehen. Kenner und Strategie-Profis kommen an Tactics Ogre: Reborn sowieso nicht vorbei. Ich bin wirklich sehr froh, dass dieses historisch wichtige Spiel nun einem breiteren Publikum zugänglich gemacht worden ist und hoffe, dass auch der inoffizielle Nachfolger Final Fantasy Tactics mit einer ähnlich guten Neuauflage bedacht wird.