The Centennial Case: A Shijima Story – TEST
The Centennial Case: A Shijima Story ist ein japanisches Detektiv-Abenteuer mit starkem Fokus auf die Geschichte. So stark, dass es sich hierbei wortwörtlich um einen interaktiven Film handelt.
Das Genre der interaktiven Filme mag seine Hochzeit zwar hinter sich haben, doch gibt es viele moderne Veröffentlichungen, die sich größtenteils oder vollständig mithilfe echter Filmaufnahmen präsentieren. In den letzten Jahren konnten Werke wie Her Story auf sich aufmerksam machen. Auch auf der Nintendo Switch gibt es mit Titeln wie Death Come True Spiele dieses Genres. Meist handelt es sich hierbei um Adventures mit einem klaren Fokus auf die Erzählung und einem sehr reduzierten Einsatz von Gameplay-Elementen. Dies gilt auch für The Centennial Case: A Shijima Story.
Ein japanischer Krimi
Das japanische Spiel schickt uns an der Seite von Krimiautorin Haruka Kagami auf die Spuren des ewigen Lebens. An ihrer Seite befindet sich der jüngste Sohn der Shijima-Familie, Eiji Shijima, den ein Familienritual zurück aufs Shijima-Anwesen zieht. Die traditionsreiche Familie birgt viele Geheimnisse. Davon zeugt nicht nur das frisch ausgebuddelte Skelett im Garten, sondern auch die mysteriösen Todesfälle innerhalb der Familie. Während Haruka unerkannt neuen Stoff für ihre Romane sammelt, versucht Eiji derweil unter dem Deckmantel der Familienfeier mehr über die sagenumwobene Frucht des Lebens herauszufinden. Dabei werden ihr scharfer Verstand und ihre Kombinationsgabe auf die Probe gestellt.
Schon wenige Augenblicke nach ihrer Ankunft auf dem Shijima-Anwesen wird direkt der erste Mordfall beklagt. Das Spiel lockt direkt von Beginn mit vielen spannenden Mysterien und bietet mit dem abgelegenen Shijima-Anwesen und nur einer Handvoll Verdächtiger einen traditionellen Handlungsort für derartige Kriminalgeschichten. Trotzdem überrascht das Spiel immer wieder mit einigen erzählerischen Elementen, die wir so eher aus japanischen Spielen kennen. Die Fälle selbst sind solide, lassen aber einen letzten genialen Einfall leider vermissen.
Modus Operandi
Im Gegensatz zu interaktiven Filmen wie Death Come True bietet The Centennial Case: A Shijima Story komplexe Storypfade voller auswirkungseicher Antwortmöglichkeiten. Das Spiel springt zwar gerne zwischen unterschiedlichen Zeitepochen hin und her, ist aber linear und setzt Antwortmöglichkeiten nur als kurze Interaktionspunkte ein, die den Verlauf der Story nicht ändern. Ansonsten beschränkt sich das Gameplay auf besondere Puzzleabschnitte, während denen wir uns Gedanken über Hinweise machen, Hypothesen aufstellen und schlussendlich zur Lösung eines Falls kommen.
Im fiktiven Gedankenpalast setzen wir hier sechseckige Hinweistafeln mosaikartig in Passpunkte ein und stellen so neue Hypothesen zum Fall auf. Wirklich raffiniert kombinieren müssen wir hier nicht, denn die Muster auf den Sechsecken machen schnell klar, welches Puzzleteil wo seinen Platz hat. Diese Abschnitte nutzen sich schon nach dem zweiten Fall ab und sind ziemlich mühselig. Nur selten gelangen wir hier an wirklich neue Erkenntnisse und wirklich schlau fühlen wir uns hier nie wirklich. Dieser Gameplayaspekt bringt abseits von der Metaebene, auf denen sich unserer beiden Helden bewegen, keinen wirklichen Mehrwert und hält die deutlich unterhaltsameren Filmpassagen nur auf.
Reduziertes, aber unausgegorenes Gameplay
Haben wir diesen Abschnitt hinter uns gebracht, geht es darum, den Täter zu überführen. Wie in Agatha Christies Romanen werden unter versammelter Gruppe Beweise dargelegt, der Tathergang geschildert und der Täter dingfest gemacht. Dies alles geschieht in Filmsequenzen. Für uns als Spieler äußert sich das über gelegentliche Antwortmöglichkeiten. Eine falsche Antwort wirft uns zurück in die Deduktionsphase, womit wir uns einige nicht überspringbare Szenen erneut anschauen müssen. Das ist Strafe genug.
Die Filmpassagen machen nicht nur den längsten Aspekt des Spiels aus. Sie sind auch das eindeutige Highlight von The Centennial Case: A Shijima Story. Mit einer recht hochwertigen Inszenierung und soliden – wenn auch teils japanisch überdrehten Schauspielleistung – könnte die Shijima Story so auch direkt als reguläre Serie ausgestrahlt werden. Viel Spaß haben wir an den sympathischen Figuren und dem kontinuierlichen Fortschritt der Geschichte, die nur von den Logikrätseln unterbrochen wird. Positiv in Erinnerung bleibt auch der Soundtrack, der mit seiner steten Präsenz eher an die Hintergrundmusik von Spielen erinnert, anstatt an den einer Serie oder eines Films. Wir haben die Wahl, ob wir das Ganze mit einer englischen Vertonung oder im japanischen Original anschauen wollen. Die englische Synchronisation ist solide. Bei diesem zutiefst japanischen Szenario bietet sich das Original aber regelrecht an.
Geschrieben von Jonas Maier
Fazit:
The Centennial Case: A Shijima Story gefällt mir ziemlich gut. Ein Dorn im Auge sind mir nur die Gameplaypassagen, in denen keine Detektivstimmung aufkommt, sondern sehr schnell Langeweile und Ungeduld. Da kommt natürlich die Frage auf, ob das Produkt als reine Miniserie nicht besser funktioniert hätte. So würde The Centennial Case allerdings von seinem Charme und seinen Meta-Elementen beim Ermitteln viel einbüßen. Das Spiel gefällt mir vielleicht auch deswegen, weil ich interaktive Filme kaum spiele. Damit wirkt The Centennial Case: A Shijima Story deutlich frischer, als es ein klassisches Detektivabenteuer je tun könnte. Trotzdem soll das nicht die Qualität der kompetenten Filmpassagen schmälern. Wer mit japanischer Medienkultur allerdings überhaupt nichts anfangen kann, wird mit dem Schauspiel, dem Setting und auch einigen erzählerischen Elementen Probleme haben.