Tokyo Mirage Sessions #FE Encore – TEST

Tokyo Mirage Sessions #FE Encore gehört zu den vielen Wii-U-Spielen, denen auf der Nintendo Switch inzwischen neues Leben eingehaucht wird. Im Gegensatz zu Titeln wie Mario Kart 8 oder New Super Mario Bros. U hat sich das japanische Rollenspiel allerdings schon auf der Wii U schwergetan.


Tokyo Mirage Sessions #FE ist ein offizielles Crossover von Fire Emblem und Shin Megami Tensei. Zwar sind die Einflüsse beider Marken im Spiel zu erkennen, überschattet wird das Ganze aber von einem einzigartigen Setting und einer schrillen Präsentation, die es in keiner der beiden Marken zu finden gibt. Dementsprechend verhalten waren einige Fans gegenüber dem Spiel eingestellt, obwohl das darunterliegende Rollenspiel schon auf der Wii U gut funktioniert hat. Jetzt, einige Jahre später, bekommt Tokyo Mirage Sessions #FE Encore auf einer neuen Hardware mit einigen wenigen Veränderungen eine neue Chance.

Ein neuer Stern am Pop-Himmel

Im Zentrum von Tokyo Mirage Sessions #FE Encore steht die japanische Idol- und Musik-Industrie. Mit einer leichtherzigen Selbstverständlichkeit scheinen alle Figuren und die gesamte Welt in den Fängen dieser Pop-Industrie gefangen zu sein. Zum Guten oder zum Schlechten, denn auch Hauptfigur Itsuki, der seine Freundin Tsubasa bei ihrem Ziel ein Stern am Pop-Himmel zu werden unterstützt, kämpft schon bald gegen finstere Mirages aus der Parallelwelt namens Idolasphere, die Tokyo bedrohen und nach den Kräften der Pop-Ikonen streben.

Tokyo Mirage Sessions #FE Encore ist zutiefst japanisch. Bei Spielern, die mit dieser japanischen Pop-Kultur nicht vertraut sind, können die Musik, die Outifts und die extrem bunten Umgebungen schnell zu einer Reizüberflutung führen. Wenn diese aber mit dem Humor warm werden und das Ganze vielleicht nicht ganz so ernst nehmen, werden auch sie eine Menge Spaß haben. Auch mit der Story und den angesprochenen Themen, sobald wir den übertriebenen Kitsch auch als genauso übertrieben und lustig akzeptiert haben. Tsubasa zum Beispiel hat das Gefühl, dass sie auf emotionaler Ebene bestimmte Personen nicht hören können und will durch Gesangsübungen damit ihre Stimme nicht nur als Sängerin verbessern. Anime!

Tanzen und Kämpfen

Tokyo Mirage Sessions #FE Encore KampfsystemAbseits des Settings und des Styles bleibt das Spiel ein altbekanntes, japanisches Rollenspiel mit einer Abwandlung des Shin-Megami-Tensei-Kampfsystems. In den Idolasphere-Dungeons bekämpfen wir Seite an Seite mit verbündeten Mirages auf tatsächlichen Bühnen im rundenbasierten Kampf und versuchen die Schwachstellen der Gegner herauszufinden. Angriffe gliedern sich in Shin-Megami-Tensei- und Fire-Emblem-Typen wie magische Angriffe und Attacken mit Schwert, Axt und Lanze. Treffen wir den Gegner kritisch folgen uns die anderen Kampfteilnehmer und verursachen in sogenannten Session-Angriffen wertvollen Extraschaden.

Zunächst scheint es immer offensichtlich, welche Angriffe die effektivsten sind, die Sorge über ein Autopilot-Kampfsystem verflog aber nach den ersten Spielstunden. Zum einen etabliert das Spiel schnell weitere Kampfmechaniken, bei denen wir abstimmen müssen, wann und wie wir sie nutzen wollen, zum anderen liegt es in unserer langfristigen Planung, wie wir die Session-Angriffe mit unseren Mitstreitern kombinieren wollen. Zwar können wir unsere Mirages nicht neufusionieren wie in Shin Megami Tensei, durch das Ausrüsten neu gecrafteter Waffen lernen sie aber regelmäßig neue Fähigkeiten. Tokyo Mirage Sessions hält uns hier unseren kontinuierlichen Fortschritt prima vor Augen.

Die Dungeons lockern die Kämpfe mit kleineren Rätseln auf – so können wir zum Beispiel im ersten Gebiet die Treppen neu verbinden und neue Wege kreieren – und sorgen dafür, dass wir stets aufmerksam sein müssen. Die Kämpfe selbst bieten auf dem mittleren von drei Schwierigkeitsgraden eine solide Herausforderung, die uns ebenfalls dazu zwingt, immer alle Möglichkeiten im Kampf zu nutzen.

Das Anime-Ein-Mal-Eins

Tokyo Mirage Sessions #FE Encore TsubasaWährend das Spiel visuell extrem bunt und poppig ist, drücken die ganzen Farben und Effekte teilweise aber auf die Übersicht. Die bunten Gegner gehen im Kampf in der tobenden Masse an Effekten und Zuschauern im Hintergrund manchmal unter und auch die Wahl der Schriftfarbe (weiß mit schwarzer Umrandung auf grauen Untergrund) ist nicht die beste. In den Menüs und Übergängen ist Tokyo Mirage Sessions #FE Encore dagegen sehr stilsicher. Die Charakterdesigns orientieren sich selbstverständlich an der Anime-Optik, bei manchen Outfits und Körperproportionen (vor allem die der Frauen) werden sich vor allem Anime-Kenner zu Hause fühlen.

Besonders ansehnlich sind die Tanz-Choreographien, deren Technik und Inszenierung weit über Shin Megami Tensei IV für den 3DS oder Fire Emblem: Three Houses für Switch stehen. Im Handheldmodus spielt sich die Portierung einwandfrei und profitiert von der angenehmen Schriftgröße. Technisch besticht das farbenfrohe Spiel vor allem mit Style und Charme, die tatsächliche Welt und Modelle waren schon damals nicht auf der Höhe der Zeit. Tokyo Mirage Sessions #FE Encore liegt wie schon beim ersten Erscheinen auf Englisch mit japanischer Sprachausgabe vor, neu sind kleine neue Story- und Musik-Events; außerdem gibt es jeweils einen neuen spielbaren Charakter und Dungeon.

Freizeit in Tokyo

Tokyo Mirage Sessions #FE Encore WeltZwischen den Dungeons dürfen wir uns in den belebten Einkaufsstraßen von Tokyo umsehen und natürlich Gesangs- und Tanzunterricht nehmen. Alle Läden und Einrichtungen können per Schnellreise angesteuert werden, das wird schnell zur Bequemlichkeit, denn ansonsten sind die Gebiete nicht weiter von Relevanz für uns. Das Spiel antizipiert auch den modernen Lifestyle der Jungend in Form der digitalen Kommunikation: Im „Topic“ – dem Kommunikationstool in Tokyo Mirage Sessions – bekommen wir regelmäßig Nachrichten unserer Bekannten, können Verabredungen annehmen und werden von Tiki über neue Waffen zum Craften informiert. Treffen wir uns mit den anderen Spielfiguren und erledigen einige Aufgaben für sie, lernen wir diese nicht nur besser kennen, sondern erhalten direkt neue Fähigkeiten. Eine schöne Verschmelzung von Story- und Gameplay-Elemente!

Die Nachrichten per Handy sorgen für schöne Charakter-Momente und viel Humor. Immerhin kommen auch die Eigenheiten der Figuren samt Schreibweise und Chat-Slang über die Nachrichten sehr gut rüber und lockern auch die längeren Dungeons auf. Manche Figuren neigen allerdings zum Spammen und bombardieren uns mit Nachrichten. Dieses Element befand sich in der Wii-U-Version noch auf dem Gamepad und steht jetzt per Knopfdruck auf dem Fernseher zur Verfügung. Allerdings mit derselben Gamepad-Auflösung und dem exakten Touchscreen-Layout inklusive unintuitiver Steuerung. Hier fehlt eine bessere Einbindung. Die restlichen Menüs, wie Kampfinformationen, sind dagegen mühelos auf dem nun einzelnen Bildschirm integriert worden. Merklich kürzer sind die Ladezeiten vor zum Beispiel Kämpfen, die den Spiefluss noch einmal angenehmer gestalten. Etwas seltsam: Das Spiel unterstützt keine Rumble-Funktion. Besonders zu Beginn eines Kampfes hätten wir Vibrations-Effekte erwartet.

Geschrieben von Jonas Maier

Fazit:

Tokyo Mirage Sessions #FE Encore ist von sich selbst, seinem schrillen Stil, seinem absurden Setting und seiner Anime-Wucht, die den Spieler von Sekunde Null an überrollt so sehr überzeugt, wie kaum ein anderes Spiel in den heutigen Tagen – und das ist auch gut so. Teilweise waren die Charakterdesigns und die gesamte Pop-Industrie-Thematik etwas zu viel für mich. Auch weil ich mit der Idol-Ästhetik in der Regel nicht viel anfangen kann. Dennoch konnte mich das darunterliegende Rollenspiel immer wieder zu Tokyo Mirage Sessions #FE Encore zurückholen. Das Kampfsystem ist einfach zu lernen, flott, spaßig und dank der guten Schwierigkeitsgrad-Kurve und stetig neuen Spielelementen nicht zu einfach. Bis auf das nicht so gut eingebundene Chat-Tool „Topic“ hat das Spiel seine Wii-U-Wurzeln hinter sich gelassen und ist auch 2020 ein ganz besonderes Rollenspiel für Nintendo Switch.