Tormented Souls – TEST

Mit Tormented Souls präsentierte das chilenische Indie-Studio Dual Effect im vergangenen Jahr eine Hommage an die klassischen Survival-Horror-Spiele der Neunzigerjahre. Zunächst erschien das Spiel im Herbst 2021 exklusiv für die PlayStation 5 und den PC. Mittlerweile wurde der Horrortrip auch auf sämtlichen anderen Konsolen veröffentlicht und lädt seit dem 14. April 2022 auch horror-affine Switch-Besitzer dazu ein, das unheimliche Wildberger Krankenhaus mit seiner düsteren Vergangenheit zu erforschen.


Das Survival-Horror-Genre hat mittlerweile schon über dreißig Jahre Geschichte auf dem Buckel. Während moderne Vertreter des Genres wie beispielsweise die neueren Resident-Evil-Teile häufig eher auf Action setzen, kommt der in der Genre-Bezeichnung so präsente Survival-Aspekt heutzutage oft zu kurz. Die Urgesteine des Survival-Horrors wie die ersten Teile von Alone in the Dark, Resident Evil oder Silent Hill setzten in den Neunzigerjahren vermehrt auf zusätzlichen Nervenkitzel durch Ressourcenmanagement. Begrenzte Munition, spärlich verteilte Speichermöglichkeiten und ein Inventar mit wenig Platz für überlebenswichtige Gegenstände sorgten in für Herzklopfen und schweißnasse Hände. Tormented Souls, das Debüt-Spiel des kleinen chilenischen Indie-Studios Dual Effect ist eine Hommage an genau jene Survival-Horror-Klassiker. Während der Schauplatz des Spiels, ein zu einem Krankenhaus umfunktioniertes viktorianisches Herrenhaus direkt aus Resident Evil stammen könnte, ist die rostige und blutige Parallelwelt, in die wir im Laufe des Abenteuers geraten, unzweifelhaft von Silent Hill inspiriert. Tormented Souls macht aus seinen Einflüssen keinen Hehl und geizt nicht mit Verweisen an seine Ideengeber. Allerdings übernimmt der Horror-Schocker dabei auch ein paar Macken dieser Grusel-Klassiker, welche für manche Genre-Neulinge vielleicht abschreckend wirken könnten. Doch dazu später mehr.

Ein Krankenhaus mit düsterer Vergangenheit

In Tormented Souls übernehmen wir die Rolle von Caroline Walker, einer 26-jährigen Frau, die eines Tages einen seltsamen Brief von einer unbekannten Person bekommt. In dem unscheinbaren Umschlag steckt ein altes Polaroid-Foto von ihr unbekannten Zwillingen mit der unheilschwangeren Nachricht „Glaubst Du wirklich, dass Du uns einfach hier sitzenlassen kannst?“. Nach zwei Wochen erfolgloser Recherche beschließt Caroline, den Absender des seltsamen Briefes zu finden und begibt sich an die hinterlegte Adresse. Diese führt sie in das in der kanadischen Wildnis auf einer kleinen Insel gelegene und seit Jahren leerstehende Wildberger Hospital. Kaum hat sie das riesige zu einem Krankenhaus umfunktionierte Anwesen betreten, bekommt die junge Frau einen harten Schlag auf den Hinterkopf und wird bewusstlos. Sie erwacht splitterfasernackt in einer rostigen Badewanne und ist an medizinische Apparate angeschlossen. Nachdem Caroline orientierungslos aus der Badewanne gestolpert ist und sich wieder anziehen konnte, stellt sie bei einem Blick in einen Spiegel entsetzt fest, dass ihr das rechte Auge entfernt wurde. An dieser Stelle übernehmen wir die Steuerung der Protagonistin und machen uns auf, das gruselige Kranken- bzw. Herrenhaus zu erforschen und dessen düsterer Vergangenheit auf den Grund zu gehen.

Wer schon einmal einen der klassischen Resident-Evil- oder Silent-Hill-Teile gespielt hat, wird sich sofort zurecht finden. Die spärlich bis gar nicht beleuchteten Zimmer und Flure des gigantischen Anwesens werden aus einer festen Kameraperspektive gezeigt. Allerdings bestehen die Räumlichkeiten nicht wie in den alten Resident-Evil-Teilen aus starren gerenderten Hintergründen, sondern werden in Echtzeit berechnet. Dies sorgt ab und zu für abgefahrene und außergewöhnliche Kameraperspektiven, wie wir sie aus Silent Hill kennen. Die Entwickler schaffen es so, zusammen mit den gelungenen Licht- und Schatteneffekten eine wirklich gruselige und beklemmende Stimmung zu erzeugen. Dies liegt auch daran, dass durch die wechselnden Kameraperspektiven nie alle Ecken und Winkel eines Raumes einsehbar sind, was schon einmal zu bösen Überraschungen führen kann. Manche Abschnitte des höllischen Krankenhauses sind sogar komplett in Dunkelheit gehüllt. Hier schafft ein Benzinfeuerzeug Abhilfe, das wir zum Glück schon recht am Anfang erhalten. Dieses wird im späteren Verlauf des Spiels durch eine praktische Anstecklampe ersetzt, durch die wir auch gleichzeitig eine Waffe benutzen können.

Optisch ist das Spiel toll gelungen. Die Räumlichkeiten des Wildberger Krankenhauses strotzen nur so vor morbidem Charme und sind von den Entwicklern mit viel Liebe zum makabren Detail eingerichtet worden. Insgesamt finden wir, dass die im ersten Moment recht eigenwillige Mischung aus Herren- und Krankenhaus wunderbar funktioniert und die gruselige und verstörende Stimmung gut transportiert wird. So entdecken wir bei unserer Erkundungstour durch das Anwesen nicht nur eine pompöse Eingangshalle mit riesigen antiken Statuen oder eine Bibliothek, sondern beispielsweise auch blutverschmierte Operationssäle und eine Entbindungsstation. Die Geschichte um unsere Protagonistin Caroline und dem Geheimnis des Wildberger Krankenhauses bleibt dabei geheimnisvoll und fesselnd. Zusätzlich sorgen die genre-üblichen Dokumente wie Tagebucheinträge, Buchseiten oder Briefe, die wir während des Spiels finden können, für Gänsehaut. Diese sind gut geschrieben und lassen uns noch tiefer in die düstere Geschichte der Heilanstalt eintauchen.

Komplexe Rätsel, verstörende Gegner


Während wir mit Caroline die endlosen Korridore und unzähligen Räume des Wildberger Krankenhauses erkunden, stoßen wir immer wieder auf anspruchsvolle Rätsel, die unsere grauen Zellen ordentlich auf Trab bringen. Mal hindern uns komplexe Türschlösser am Weiterkommen, ein anderes Mal sind es versteckte Schalter oder andere aufwendige Puzzles. Die Knobelaufgaben sind allesamt einfallsreich und anspruchsvoll. So müssen wir im Keller des Anwesens beispielsweise einen Generator mit einem Schalterpuzzle in Gang bringen, um sprichwörtlich etwas Licht ins Dunkel zu bringen. An anderer Stelle wird es makaber, wenn wir einer am offenen Herzen operierten Leiche ein Herz einsetzen und es mit Stromschlägen in Gang setzen müssen, damit die in Leichenstarre fixierte Hand einen Metallgriff loslässt, den wir zum Weiterkommen benötigen.

Als wären wir mit den Rätseln noch nicht genug beschäftigt, stellt sich schon relativ früh heraus, dass Caroline nicht alleine in dem gruseligen Anwesen ist. Entstellte Kreaturen wie beispielsweise menschenähnliche Wesen ohne Unterkörper mit langen Klauen, die öfters auch in Rollstühlen unterwegs sind, streifen durch die dunklen Korridore und wollen Caroline ans Leder. Zum Glück weiß sich die junge Dame zu wehren und kann die Ausgeburten der Hölle mit einer handvoll improvisierter Schusswaffen wie einer Nagelpistole, einer Schrotflinte oder einem Elektroschocker auf Distanz halten. Glücklicherweise müssen wir nicht direkt zielen, sondern Caroline dreht sich mit gezogener Waffe automatisch in Richtung des angreifenden Monsters. Allerdings müssen wir hier ganz nach den Tugenden klassischer Survival-Horror-Titel sparsam sein. Munition für die Waffen ist rar und nur begrenzt zu finden. Jeder danebengegangene Schuss kann sich später rächen, wenn wir mit leeren Händen vor einem Monster stehen, dass uns am Weiterkommen hindert. Auch Medizin zur Heilung ist recht rar gesät, und da Caroline keine ausgebildete Kämpferin ist, segnet sie schon nach ein paar Treffern das Zeitliche. Deshalb müssen wir gerade am Anfang ganz besonders überlegen, ob wir den Gegnern nicht eher aus dem Weg gehen sollen oder ob es wirklich unbedingt notwendig ist, sie auszuschalten.

Klassisch, mit allen Ecken und Kanten


Neben den traditionellen Survival-Horror-Elementen wie dem Ressourcenmanagement gibt sich Tormented Souls auch von der Steuerung her sehr klassisch. Genre-Veteranen wissen sofort Bescheid was gemeint ist, wird diese Art den Charakter zu bewegen im Survival-Horror-Jargon doch als „Panzersteuerung“ bezeichnet. Dies bedeutet, dass sich Caroline etwas träge steuert, was zwar in einigen Momenten wie bei der Flucht vor einem Gegner zu zusätzlichem Nervenkitzel führt, jedoch aufgrund der wechselnden Kameraperspektiven des Öfteren schon einmal zu Orientierungslosigkeit führen kann. Zwar bietet uns Tormented Souls eine alternative Steuerung an, doch auch diese funktioniert leider nicht immer optimal.

Das Speichern eines Spielstandes funktioniert nur, indem wir ein recht seltenes Magnetband finden und es in einem Speicherraum mit einem Tonbandgerät benutzen. Also genau wie in den klassischen Resident-Evil-Teilen das Speichern nur an Schreibmaschinen in Kombination mit recht selten zu findenden Farbbändern möglich war. Gerade am Anfang von Tormented Souls sind die Speichermöglichkeiten sehr selten, so dass wir genug Zeit für eine Spiel-Session mitbringen sollten. Macht uns dann einer der Gegner den Garaus, müssen wir gegebenenfalls sogar wieder neu starten. So wird das Speichern des Spiels am Anfang zu einer fast strategischen Aufgabe, bei der wir genau überlegen müssen, wann wir eines der wertvollen Tonbänder verwenden wollen. Dies macht das Spiel insgesamt natürlich besonders nervenzerrend, allerdings könnten diese begrenzten Möglichkeiten zur Sicherung des Spielstandes bei einigen Spielern, die so etwas nicht gewohnt sind eher zu Frust führen.

Gute Technik und atmosphärischer Soundtrack


Die englische Sprachausgabe, besonders die der Protagonistin, wirkt mitunter recht hölzern und weicht zumindest im Englischen schon einmal häufiger von den Untertiteln ab. Allerdings könnten wir dies auch unter der Kategorie der klassischen Survival-Horror-Tugenden ablegen, denn auch die Sprachausgabe der alten Resident-Evil-Teile ist nicht durch ausufernde Prosa bekannt geworden.

Technisch präsentiert sich Tormented Souls auf der Switch ordentlich. Zwar mussten gegenüber den Versionen auf den leistungsstärkeren Konsolen Abstriche bei der Auflösung und den Texturen gemacht werden, aber insgesamt bleibt die schaurige Atmosphäre auch auf Nintendos Hybrid-Konsole erhalten. Das Spiel läuft sowohl im Handheld- als auch im stationären Modus Modus flott. Ruckler machen sich nur sehr selten bemerkbar und stören den Spielfluss kaum. Lediglich die Ladezeiten beim Wechsel in einen neuen Raum sind recht lang und werden noch nicht einmal mit der Animation einer sich öffnenden Tür oder ähnlichem überbrückt. Zu guter Letzt sollte noch die Soundkulisse erwähnt werden. Der unheilschwangere Soundtrack ist grandios und schafft selbst in den ruhigen Momenten ein Unbehagen durch düstere oder melancholische Klänge. Bei den Kämpfen geht die Musik mit scheppernden Industrial-Klängen im Stil von Silent Hill unter die Haut.

Geschrieben von Markus Schoenenborn

Fazit:

Da ich seit den Neunzigerjahren ein großer Survival-Horror-Fan bin, habe ich auch miterlebt, dass sich die großen Vertreter des Genres immer mehr in Richtung Action und immer weiter weg vom eigentlichen Horror bewegten. Zwar gefallen mir beispielsweise die modernen Resident-Evil-Teile auch sehr gut, aber irgendwie ging doch viel vom ursprünglichen Nervenkitzel flöten. Genau deshalb gefällt mir Tormented Souls richtig gut. Neben der unglaublich dichten und düsteren Atmosphäre, einer interessanten Story, dem Wildberger Krankenhaus als tollem Setting und dem bedrohlichen Soundtrack erwartet den geneigten Horror-Enthusiasten ein kompromissloses Revival des Survival-Horrors der alten Schule. Moderne Gepflogenheiten des Genres sucht man hier vergebens. Allerdings musste ich mich auch erst wieder an die Munitionsarmut und die seltenen Speichermöglichkeiten gewöhnen. Gerade am Anfang des Spiels sah ich mich gezwungen, mehrmals neu zu starten, da ich meinen Spielstand zunächst zu früh speicherte, kein Tonband zum speichern fand und dann von den dämonischen Bewohnern der Heilanstalt abgemurkst wurde. Letztlich kommt es bei der Frage, ob man das Spiel mag vollkommen darauf an, ob man mit klassischem Survival-Horror-Gameplay etwas anfangen kann oder nicht. Jeden der besprochenen Punkte, wie die gewöhnungsbedürftige Steuerung, die begrenzten Speichermöglichkeiten oder die Ressourcenarmut könnten einige Spieler frustrierend und nervig finden, während Genre-Fans sie unter Umständen als Pluspunkte sehen könnten. Bei dem fairen Preis können interessierte Survival-Horror-Fans, die auch vor der sehr traditionellen Auslegung des Genres nicht abschrecken, auf jeden Fall nichts falsch machen.